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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Vierzehnte Homilie.

IV.

In den Klöstern findet man Nichts dergleichen. Keiner ruft einen Diener; denn Jeder sorgt für sich selber. Da gibt es keine lange Toilette, da reibt man sich nicht den Schlaf aus den Augen. Sowie Einer die Augen ausschlägt, dann gleicht er in Nüchternheit einem Solchen, der die ganze Zeit wach gewesen ist. Da nämlich die Seele nicht untersinkt mit Speisen befrachtet, so braucht es nicht lange Zeit, um emporzutauchen, sondern ist sofort in nüchternem Zustande. Die Hände sind immer rein; denn auch der Schlaf ist wohlgeordnet. Da hört man kein Schnarchen, kein schweres Athmen. Da sieht man kein Hin und Her- S. 186 wälzen im Schlafe, keine Entblößungen, sondern man liegt anständiger da als beim Wachen. Das alles hat seinen Grund in dem wohlgeordneten Zustande der Seele. Das sind wahre Heilige und Engel in Menschengestalt. Und du brauchst dich nicht zu wundern, wenn du Das hörst. Der hohe Grad von Gottesfurcht läßt sie nicht in die Tiefen des Schlafes hinabsinken, läßt ihren Geist nicht untertauchen, sondern bloß ausrastend auf der Oberfläche ruhen. Und da ihr Schlaf also geartet ist, so müssen auch ihre Träume so beschaffen sein, nicht phantastisch, nicht unruhig, sondern, wie ich sagte, es hat der Hahn gekräht, und sogleich erscheint der Obere, gibt dem Schlummernden einfach einen leisen Stoß mit dem Fuße und weckt damit Alle auf. Denn man darf ja dort nicht entkleidet schlafen. So wie sie dann aufgestanden sind, stellen sie sich sofort hin und singen prophetische Hymnen mit vielem Wohlklang, in schönem Gesangsrythmus. Keine Kithara, keine Flöte, überhaupt kein anderes musikalisches Instrument gibt einen so wohlklingenden Ton von sich, wie man ihn in der tiefen und einsamen Stille bei jenen singenden Heiligen hören kann. Und der Text der Gesänge selbst ist ganz erbaulich und athmet Liebe zu Gott. „In den Nächten,“ heißt es da, „erhebet euere Hände zu Gott!“1 Und wiederum: „Von der Nacht an wachet mein Geist zu dir, o Gott, denn eine Leuchte sind mir deine Gebote auf Erden.“2 Dann die Lieder Davids, welche ganze Thränenströme entlocken, wenn er z. B. singt: „Ich habe mich müde geseufzt und wasche jede Nacht mein Bett und benetze mein Lager mit meinen Thränen;“3 weiter: „Ich aß Asche anstatt des Brodes;“4 dann: „Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkest?“5 „Der Mensch gleicht dem Rauche, und unsere Tage gehen wie Schatten vorüber.“6 Weiter: „Fürchte dich nicht, wenn ein Mensch reich wird, und S. 187 wenn sich die Pracht seines Hauses mehrt.“7 Und: „Er läßt die Gleichgesinnten in einem Hause wohnen.“8 Dann: „Siebenmal des Tages habe ich dich gepriesen wegen deiner gerechten Satzungen.“9 Und: „Um Mitternacht stand ich auf, dich ob deiner gerechten Satzungen zu preisen.“10 Weiter: „Gott wird meine Seele der Macht der Hölle entreissen.“11 Und dann: „Wenn ich auch mitten im Schatten des Todes wandle, so fürchte ich nichts Schlimmes, weil du mit mir bist.“12 Und: „Ich fürchte nicht den Schrecken der Nacht, nicht den Pfeil, der am Tage stiegt, nicht das Werk, das im Finstern schleicht, nicht die Nachstellungen des Teufels zur Mittagszeit.“13 Und dann: „Wir sind wie Schlachtschafe geachtet worden.“14 So zeigen sie ihre glühende Liebe zu Gott.

Und während sie dann wieder mit den Engeln singen — denn auch die Engel singen mit: „Lobet den Herrn vom Himmel herab!“15 — unterdessen gähnen wir, kratzen uns, schnarchen oder liegen einfach auf dem Rücken und sinnen auf tausend Ränke! Wie heilig bringen also jene Männer die ganze Nacht zu! Wenn aber dann der Tag kommt, dann können sie etwas ausruhen. Wenn wir an unsere Arbeit gehen, dann ist für sie eine Zeit der Ruhe da. Wenn es Tag wird, ruft Jeder von uns dem Anderen einen „guten Morgen“ zu, und man plaudert mit den Leuten, die des Weges kommen. Der Eine drängt sich zum Markte, macht dem Vorgesetzten seine Aufwartung, zittert, ist in Angst vor der Rechenschaft, die er geben soll. Ein Anderer begibt sich in seine Bude, ein Dritter an sein Geschäft. Jene aber vollenden ihr Morgengebet und ihre Hymnen und befassen sich dann mit dem Lesen der heiligen Schrift. Sie verstehen auch Bücher abzuschreiben. Jeder S. 188 nimmt die ihm angewiesene Zelle ein und bleibt da ganz ruhig. Kein Geschwätz, keine Unterhaltung! Dann beten sie die Terz, Sext, Non und die Vesper. Ihr Tag ist in vier Theile getheilt, und jeder Theil hat sein Maß von Psalmengesängen; zu jeder Zeit preisen sie Gott mit Lobgesängen. Und während die andern Menschen frühstücken, lachen, scherzen und sich den Magen bis zum Zerspringen füllen, obliegen sie heiligen Gesängen. Für Mahlzeiten und solche sinnliche Dinge haben sie nicht viel Zeit. Nach dem Frühstück befassen sie sich mit denselben Dingen, nachdem sie ein wenig Siesta gehalten haben. Die Weltleute schlafen auch den Tag über; sie jedoch wachen auch bei Nacht. Sie sind wahre Söhne des Lichtes. Wenn dann die Weltleute den größten Theil des Tages mit Schlafen verbracht haben, kommen sie mit schwerem Kopfe zum Vorschein. Diese aber sind noch nüchtern, essen Nichts mehr bis zum Abend und bleiben bei ihren heiligen Gesängen. Und bricht dann der Abend an, dann läuft bei uns Alles in die Bäder und an die Vergnügungsorte. Die Mönche aber gönnen sich nun auch eine Erholung und setzen sich zu Tische; aber da wird nicht ein Troß von Bedienten auf die Beine beordert, da gibt es kein Herumlaufen im Hause, keinen Lärm, kein Auftragen vieler Schüsseln, keinen Qualm von gebratenem Fleische, sondern die Einen essen bloß Brod und Salz, Andere nehmen auch etwas Öl dazu. Wieder Andere, die eine schwächere Konstitution haben, bekommen auch Gemüse und Hülsenfrüchte. Dann bleiben sie noch ein wenig sitzen oder vielmehr beenden die Mahlzeit mit heiligen Gesängen und begeben sich zu ihrem Lager, das nur der Ruhe, nicht der Üppigkeit dient. Da gibt es kein Zittern vor gestrengen Machthabern, kein Anherrschen der Herren, kein Beben der Sklaven, kein Weibergekreisch, kein Kindergeschrei, keine Kästen und Schränke, keine Haufen abgelegter Kleider, keinen Gold und Silberschmuck, keine Wächter und Thürsteher, keine Vorrathskammer und dergleichen. Gebete und Hymnen hört man allenthalben, der Geist, nicht das Fleisch duftet. Überfälle von Räubern S. 189 braucht man nicht zu fürchten. Man hat ja Nichts, was man verlieren könnte; es ist kein Geld da, sondern Nichts als Leib und Leben der Bewohner, und nehmen die Räuber Das, dann bringen sie nicht Verlust, sondern Gewinn. Denn „Christus ist mir Leben,“ sagt der Apostel, „und Sterben Gewinn.“16 Aller Fesseln sind sie ledig. Wahrhaftig „die Stimme der Heiligen in den Hütten der Gerechten.“17


  1. Ps. 133, 3. ↩

  2. Ps. 26, 9. ↩

  3. Ps. 6, 8. ↩

  4. Ps. 101, 10. ↩

  5. Ps. 8, 5. ↩

  6. Ps. 143, 4. ↩

  7. Ps. 48, 17. ↩

  8. Ps. 67, 7. ↩

  9. Ps. 118, 64. ↩

  10. Ps. 118, 62. ↩

  11. Ps. 48, 16. ↩

  12. Ps. 22, 4. ↩

  13. Ps. 90, 5. 6. ↩

  14. Ps. 43, 22. ↩

  15. Ps. 148, 12. ↩

  16. Philipp. 1, 23. ↩

  17. Ps. 117, 15. ↩

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Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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