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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Achtzehnte Homilie.

II.

Vortrefflich gesagt! Ist nämlich der Glaube dahin, dann ist’s auch mit der Wissenschaft aus. Wird Etwas durch eigenes Denken produzirt, so ist Das kein (christliches) Wissen. Oder der Apostel sagt Das vielleicht deßhalb, S. 244 weil einige sich Gnostiker („Wissende“) genannt haben, gleich als ob sie mehr wüßten als die Andern.

Zu welcher sich bekennend einige vom Glauben abgefallen sind.

Siehst du, wie der Apostel abermals befiehlt, daß man sich mit solchen Leuten nicht abgeben soll? „Indem du die Streitigkeiten meidest,“ sagt er. Es gibt also Streitpunkte, auf die man sich gar nicht einlassen soll. Weßhalb? Weil sie dem Glauben entfremden, weil sie uns den festen und sicheren Standpunkt nehmen. Also nicht daran wollen wir uns halten, sondern an den Glauben, diesen unerschütterlichen Felsen. Weder heranbrausende Gewässer noch herantobende Stürme können uns einen Schaden thun; wir stehen unerschüttert auf unserem Felsen.

So stehen wir schon in diesem Leben fest und sicher gegen Gefahren, wenn wir auf diesem wirklich festen Grunde Fuß fassen. Wer sich jenen Reichthum wählt, dem stößt kein Leid zu: jenen Glanz, jenen Ruhm, jene Ehre, jene Wonne. Alles Irdische ändert und wendet sich, ist dem Wechsel unterworfen. Was willst du? Ruhm? „Dein Ruhm wird nicht hinter dir mit hinabsteigen,“ steht geschrieben.1 Oft bleibt er einem schon während des Lebens nicht treu. Bei der Tugend aber ist es anders; da ist Alles dauerhaft. Wenn Jemand hienieden angesehen ist wegen seiner hohen Stellung, so wird er, wenn ein Anderer ihm darin nachfolgt, sofort ein gewöhnlicher Mann und einer von den Unterthanen. Der Reiche wird plötzlich arm, wenn Räuber ihm zusetzen, oder Denunzianten und böswillige Menschen. Bei uns ist es nicht so. Wenn der Tugendhafte auf sich acht gibt, so kann ihm Niemand seine Tugend rauben. Wer sich selber beherrscht und regiert, den wird S. 245 Niemand zu einem gewöhnlichen Unterthanen machen. Daß aber diese Herrschaft mehr werth ist als die andere, das lehrt eine eingehendere Betrachtung. Denn sage mir, was nützt es, über ganze Nationen zu herrschen und dabei der Sklave seiner Leidenschaften zu sein? Und was ist es im Gegentheil für ein Unglück, über keinen Menschen zu herrschen und dabei über der Tyrannei der Leidenschaften zu stehen! Das ist Freiheit, das ist Herrschaft, das ist Krone und Thron; das andere ist Sklaverei, und wenn einer tausend Diademe trüge. Denn wenn in seinem Innern eine ganze Schaar von Despoten das Scepter führt, nämlich Geiz, Wollust, Zorn und die andern Leidenschaften, was nützt dann das Diadem? Die Tyrannei der Leidenschaften erscheint um so größer, wenn ihn nicht einmal die Königskrone gegen diese Unterordnung unter die Leidenschaften zu schützen vermag. Gerade wie wenn ein König in die Sklaverei fremder Völker geriethe, und diese ihn dann, um ihre Macht über ihn desto augenfälliger zu machen, ihm den Purpur und die Krone nicht abnehmen, sondern ihn zwingen würden, mit diesen königlichen Insignien Wasser zu tragen, in der Küche zu hantieren und die andern knechtlichen Verrichtungen zu machen, so daß sie für die Ehre und für ihn die Schmach um so größer wird; so ist es auch in unserem Falle; der schlimmste aller Barbaren, die Leidenschaft, fügt aus solche Schmach zu. Wer die Leidenschaften verachtet, der lacht auch über die Barbaren; wer aber unter jene sich duckt, der wird viel Schlimmeres erfahren, als von Seite der Barbaren. Wenn der Barbar es sehr weit treiben kann, so mißhandelt er den Körper, die Leidenschaften aber foltern die Seele und peitschen sie blutig auf allen Seiten. Treibt der Barbar es recht weit, so überliefert er uns dem zeitlichen Tode, die Leidenschaften aber bringen den ewigen Tod. Also frei ist nur Derjenige, welcher die Freiheit in seinem Innern trägt, gleichwie nur Derjenige ein Sklave ist, der sich vor den unvernünftigen Leidenschaften beugt. Kein Despot, so grausam er sein mag, gibt so rohe und grausame Befehle. Beflecke ohne S. 246 Sinn und Zweck deine Seele, herrscht er uns zu, beleidige Gott, verkenne die Natur selber, sei’s Vater oder Mutter, hege keine Ehrfurcht, stelle dich gegen sie. So lauten die Befehle des Geizes. Opfere mir, spricht er, nicht Kälber, sondern Menschen! Auch der Prophet ruft: „Opfert Menschen, denn die Kälber sind ausgegangen!“2 Der Geiz aber spricht nicht also, sondern: „Opfere Menschen, wenn auch Kälber vorhanden sind. Opfere Menschen, die dir Nichts gethan haben. Und wenn sie deine Wohlthäter wären, nieder mit ihnen.“ Weiter: „Sei der Gegner, der gemeinsame Feind Aller! Geh herum als Feind der Natur selber, als Feind Gottes. Scharre Gold zusammen, nicht um es zu genießen, sondern um es zu hüten, um deine Qual zu erhöhen!“ Kein einziger Geizhals darf vom Leben einen Genuß haben. Er fürchtet, daß der Goldhaufen kleiner wird, daß die Schätze abnehmen. „Versage dir den Schlaf, ruft der Geiz, hege Verdacht gegen Alle, gegen Hausgenossen und Freunde. Sei ein Wächter gegen Fremde. Siehst du einen Armen am Verhungern, so gib ihm Nichts, sondern zieh’ ihm wo möglich noch die Haut ab. Begehe Meineide, lüge, schwöre, klage vor Gericht, mache einen Denunzianten! Weigere dich nicht, (für das Geld) sogar in’s Feuer zu gehen, tausendmal den Tod zu erleiden, Hungers zu sterben, Krankheiten zu erdulden!“ Oder sind das nicht die Gesetze des Geizes? „Sei dreist und unverschämt, keck und frech, ein Verbrecher und Bösewicht, undankbar, gefühllos, ein schlechter Freund, wortbrüchig, lieblos, ein Vatermörder, sei mehr eine Bestie als ein Mensch. Thue es einer Schlange an Bitterkeit zuvor, einem Wolf an Raubgier, überbiete die Bestialität dieser Geschöpfe. Und sollst du den Teufel an Bosheit erreichen, nur kein Bedenken! Kenne deinen Wohlthäter nicht!“

Spricht der Geiz nicht also, und er wird gehört? Die S. 247 Gebote Gottes lauten ganz anders: „Sei der Freund Aller, sei bescheiden, sei der allgemeine Liebling, thue Niemandem weh ohne Zweck und Ursache, ehre den Vater, ehre die Mutter, verschaffe dir die wahre Ehre, sei kein Mensch, sondern ein Engel. Sage keine Frechheit, keine Lüge, denke sie nicht einmal! Hilf den Dürftigen, laß dich nicht in Raubgeschäfte ein, sei nicht gewaltthätig, nicht keck!“

Und auf diese Worte hört Niemand. Ist da nicht die Hölle am Platze? Gehört für so Etwas nicht das Feuer und der Wurm, der nicht stirbt? Bis zu welchem Abgrunde gleiten wir noch hinab? Wie weit schreiten wir noch vor im Dornengestrüppe? Wie lang durchbohren wir uns noch mit Nägeln und thun, als ob es uns wohlthäte? Grausamen Tyrannen unterwerfen wir uns, und den milden Herrn lehnen wir ab, der uns nichts Lästiges befiehlt, nichts Barbarisches, nichts Hartes, nichts Nutzloses, sondern lauter Dinge, welche uns Vortheil, Gewinn und Nutzen bringen. Raffen wir uns endlich auf, bekehren wir uns, nehmen wir uns zusammen, lieben wir Gott, wie es sein soll, damit wir der Seligkeit theilhaftig werden, die denen versprochen ist, die ihn lieben, durch die Gnade und Barmherzigkeit unsers Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrlichkeit und Ehre, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.


  1. Ps. 48, 18. ↩

  2. Osee 3, 2. ↩

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Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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