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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Timotheum homiliae 1-10 Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)
Fünfte Homilie.

IV.

Und wenn er auch über das Jenseits nicht nachdenkt, so wird er vor der Strafe im Diesseits beben und zittern, die ihn an seinem Vermögen, seinen Kindern, seinem Gesinde, seinem Leben in noch höherem Maße (als er geschadet) treffen könnte; Gott hat ja schon vielfach derartige Strafen verhängt. Weil nämlich die Lehre von der Auferstehung nicht hinreicht, um alle Menschen zur Vernunft zu bringen, deßhalb liefert und zeigt er uns hinieden schon viele Beispiele seiner strafenden Gerechtigkeit. Der eine von diesen Besitzern ungerechten Gutes hatte keine Kinder, der andere fiel im Kriege, ein dritter hat eine körperliche Verstümmelung erlitten, ein vierter einen Sohn verloren. Daran denkt ein Solcher, davon träumt er, Das jagt ihm beständige Furcht ein. Wißt ihr nicht, was ungerechte Menschen Alles zu leiden haben? Ist Das nicht bitter? Und abgesehen von Dem allem, tadelt sie nicht Jedermann? Haßt sie nicht Alles, wendet sich nicht Alles von ihnen ab, sagt nicht Alles, sogar die Ungerechten selber, sie seien unvernünftiger als das Vieh. Denn wenn sie sich selbst S. 320 verurtheilen müssen, so verurtheilen sie noch viel eher einen Andern und nennen ihn einen Räuber, einen Geizhals, einen Halsabschneider (λυμεῶνα). Was liegt also für etwas Süßes in der Ungerechtigkeit? Sie bietet nichts Anderes als eine größere Sorge für die Sicherheit des geraubten Besitzes, sie bringt bloß mehr Kummer und Unruhe. Denn je mehr Einer Schätze um sich her anhäuft, desto mehr schlaflose Nächte bereitet er sich. Dann die Flüche der Geschädigten, die Bittschriften! Und wenn dann eine Krankheit kommt! Unmöglich kann er bei einer Erkrankung, und wenn er noch so gottlos ist, auf jene Dinge vergessen, er muß an sie denken, wenn jede andere Thätigkeit aufhört. Solange wir so dahinleben, schüttelt die Seele, dem Genusse fröhnend, die düsteren Gedanken ab; wenn es aber heißt aus dem Körper scheiden, dann befällt sie ein ganz anderes Entsetzen: sie ist an der Thüre des Gerichtshofes angelangt. Auch der Räuber sitzt sorglos in seiner Gefängnißzelle; geleitet ihn aber Einer zum Gerichtssaal, dann fährt ihm der Schrecken in die Glieder. Wenn die Todesfurcht hereinleckt, wie eine Flamme den alten Leichtsinn verzehrend, dann zwingt sie die Seele zum Nachdenken und zum sorgenvollen Blicke in’s Jenseits. Da hat es ein Ende mit der Erwerbslust, da ist’s aus mit der Geldgier, aus mit dem sinnlichen Triebe. Das verzieht sich wie Wolken, und in reiner Klarheit steht die vernünftige Erwägung da; der Schmerz kommt und macht den harten Sinn mürbe. Nichts hindert nämlich mehr das vernünftige Denken als ein Genußleben, wie im Gegentheil Nichts in höherem Grade es fördert als eine drangvolle Lage. Bedenke, wie einem solchen Geldhamster in diesem Augenblick zu Muthe sein muß. „Die Stunde der Trübsal,“ heißt es in der Schrift, „macht viel Lust und Freude vergessen.“1 Ja, wie wird ihm zu Muthe sein, wenn er an die Beraubten, die Beschädigten, die Übervortheilten denkt? Wie wird S. 321 ihm zu Muth sein, wenn er sieht, wie Andere von seinem erworbenen Gelde den Genuß haben, und wie er zur Strafe gezogen werden soll? Solche Gedanken werden und müssen ihm kommen im Krankheitsfalle. Da windet sich eine solche Seele hin und her, stöhnend und hebend. Was ist Das für eine Bitterkeit? sprich! Und Das geschieht bei jeder Krankheit. Wenn er Bestrafte, wenn er Sterbende sieht, was hat er da zu leiden? Und Das alles schon auf dieser Welt. Aber erst im Jenseits? Es läßt sich gar nicht sagen, was da für eine Strafe ihn erwartet, welche Züchtigungen, welche Foltern, welche Martern.

So predige ich. „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!2 So predige ich in einemfort. Ich thue es nicht gern, aber ich muß. Ich wäre froh, wenn ich über Derartiges auch nicht einmal andeutungsweise zu euch sprechen dürfte. Aber da diese Krankheit bei euch fortdauert, so wäre es eine Schwäche und Pflichtvergessenheit, wenn ich meinen ärztlichen Beistand aufgeben würde, ja es wäre eine Lieblosigkeit und Grausamkeit. Denn wenn ich leiblichen Ärzten zurede und sage: Laß nicht aus, sondern thu’ deine Pflicht vollständig bis zum letzten Athemzuge des Kranken, soll ich dann nicht viel mehr mich selber aufmuntern? Denn vielleicht kann ein solcher Mensch, selbst nachdem er bereits an den Thoren der Hölle und an der Schwelle der Verdammniß angekommen, noch zur Einsicht, zur Genesung und zu Kräften kommen und des ewigen Lebens theilhaftig werden. Wie Viele haben bei zehnmaligem Zuhören keinen Funken Rührung empfunden, und später sind sie durch eine einzige Predigt bekehrt worden! Oder vielmehr nicht durch diese einzige; denn wenn sie auch in den früheren zehn gleichgiltig geblieben sind, so haben sie doch einigen Nutzen daraus gezogen und schließlich die ganze Frucht geärntet. Es ist da wie bei einem Baume: er erhält zehn Hiebe und fällt nicht, S. 322 endlich aber bei einem noch weiteren stürzt er nieder. Das ist nicht die Folge dieses einen Hiebes, sondern die Wirkung des letzten ist auf die zehn früheren zu schreiben; wer auf die Wurzel sieht, beobachtet Das schon, wer aber oben auf den Stamm hinschaut, der kann nichts Derartiges wahrnehmen. So ist’s auch in unserem Falle. Manche Ärzte kommen und bringen eine Masse von Arzneien, aber es nützt Nichts; zuletzt kommt noch einer, und der macht Alles recht. Nicht sein Werk allein ist Das, sondern auch das Verdienst jener Anderen, die bereits das Seelenleiden behandelt haben. Also wenn meine Predigt auch nicht gleich jetzt Früchte trägt, später wird es schon der Fall sein; davon bin ich fest überzeugt. Ein so bereitwilliges Zuhören, ein solcher Eifer, nein, der kann nicht unbelohnt bleiben! Das möge Gott verhüten! Im Gegentheil, wir alle, die wir die Mahnworte Christi anhören dürfen, mögen der ewigen Seligkeit theilhaftig werden!

S. 323


  1. Jes. Sir. 11, 29. ↩

  2. Luk. 8, 8. ↩

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Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)

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