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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Timotheum homiliae 1-10 Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)
Siebente Homilie.

II.

Wer im Fieber daliegt, kann niemals gesättigt werden, immer verlangt er zu trinken, immer hat er Durst. So ist es auch mit der Geldmanie, da gibt es niemals eine Sättigung der Begierde. Und da der Geizige nie genug bekommt, so viel du ihm auch geben magst, so wird er dir auch keinen Dank wissen. Es gibt nichts so Undankbares wie den Geizhals, nichts so Empfindungsloses wie den Geldhamster. Der ganzen Welt ist er feind. Es ist ihm gar nicht recht, daß Menschen existiren. Er möchte die Welt zu einer unbevölkerten Einöde machen, damit er Alles bekäme. Er ergeht sich auch gern in solchen Phantasieen. Wenn doch ein Erdbeben über die Stadt käme, so denkt er, und wenn dann Alles verschüttet würde, ich selbst aber allein übrig bliebe, so daß ich womöglich das Vermögen sämmtlicher S. 344 Einwohner bekäme! Wenn eine Pest aufträte und Alles vernichten würde bis auf das Geld! Wenn doch Alles unterginge im Meere oder überschwemmt würde! Hundert solche Gedanken macht er sich. Er wünscht nichts Gutes, sondern bloß Erdbeben, Gewitterschläge, Krieg, Pest und lauter solche Dinge. Sage mir indeß einmal, du armseliger, elender Mensch, du erbärmlichster aller Sklaven, wenn Alles Gold wäre, müßtest du nicht davor verhungern? Wenn ein Erdbeben käme und die Welt versänke, würdest nicht auch du das Opfer dieses verderblichen Wunsches werden? Wenn kein Mensch mehr auf der Welt wäre, dann würde dir ja Niemand bieten, was du zum Leben brauchst! Setzen wir den Fall, es würden alle Menschen auf der Erde plötzlich miteinander verschwinden, und all ihr Gold und Silber sammelte sich dann von selber in deinem Schooße, — es ist Das eine thörichte und unerfüllbare Phantasie, — also der ganze Reichthum der Menschheit, Gold, Silber, seidene Gewänder, aller Goldschmuck geriethe in deine Hände: was hättest du davon? Da würde dich bald der Tod ereilen, wenn es keinen Brodbäcker mehr gäbe, keinen Menschen, der das Feld bebaut, wenn wilde Thiere Alles abweiden, und böse Geister dich ängstigen würden. Auch jetzt bist du schon von bösen Geistern besessen und zwar von einer ganzen Masse; dann aber würden sie dir eine wahnsinnige Angst einjagen, sie würden dich alsbald zu Tode ängstigen. „Aber so meinte ich nicht,“ sagst du; „der Landmann, der Bäcker sollte schon da sein.“ Aber sie brauchen doch Etwas? „Brauchen sollen sie Nichts!“ So unersättlich ist diese Begierde. Was kann es Lächerlicheres geben als so Etwas? Siehst du die Ungereimtheit? Er will eine zahlreiche Bedienung haben, und es thut ihm weh, daß sie Etwas zum Essen braucht, weil dadurch sein Geldhaufen kleiner wird. Wie also? Sollen diese Leute von Stein sein? Solchen Unsinn faselt er daher. In seiner Seele wogt, brandet, stürmt, wüthet und lärmt es: immer Hunger, immer Durst! Sage, S. 345 verdient ein solcher Mensch nicht unser Mitleid, unsere Thränen?

Es gibt ein ähnliches, sehr schweres körperliches Leiden — „Heißhunger“ (βουλιμία) nennen es die Ärzte. Da ist Einer ganz voll angegessen, und doch läßt der Hunger nicht nach. Werden wir dieses Leiden, wenn es an der Seele auftritt, nicht beweinen? Ja, ein Heißhunger der Seele ist der Geiz; man mag noch so viel hineinpfropfen, da gibt es keine Stillung, das Verlangen dauert ewig fort. Wenn dem Kranken Nießwurz verordnet würde oder Etwas, das noch hundertmal bitterer wäre, um von diesem Leiden befreit zu werden, müßte er nicht es bereitwillig einnehmen? Es gibt keinen Goldhaufen, der im Stande wäre, diesen unersättlichen Wanst anzufüllen.

Sollen wir uns also nicht schämen, wenn es Leute gibt, die von solch rasender Gier nach Geld ergriffen sind, und wenn wir dagegen für Gott nicht den kleinsten Theil dieser Liebe empfinden, sondern wenn Gott uns weniger werth ist als das Geld? Für das Geld nehmen die Menschen Alles auf sich: schlaflose Nächte, weite Reisen, drohende Gefahren, Haß und Nachstellung. Wir aber wollen für Gott nicht einmal ein einfaches Wort reden, eine Anfeindung auf uns nehmen, sondern wenn wir Jemand dem, dem Unrecht geschieht, zu Hilfe kommen sollen, dann scheuen wir die Feindschaft der Mächtigen und die Gefahren und lassen den Bedrängten sitzen. Und obwohl Gott uns die Mittel gegeben hat, zu helfen, lassen wir dieselben unbenutzt, weil wir uns keinen Haß, keine Feindschaft zuziehen wollen. Und der große Haufen hält uns gleich das Sprüchwort vor: „Die Liebe ist umsonst, der Haß aber nicht.“1 Ist dieser Haß umsonst? Was ist nützlicher als S. 346 ein solcher Haß? Der Haß um Gottes willen ist noch viel einträglicher als die Liebe um Gottes willen. Wenn wir nämlich um Gottes willen geliebt werden, dann sind wir Gottes Schuldner für die Ehre, die uns angethan wird; werden wir aber um Gottes willen gehaßt, dann ist Gott uns den Lohn schuldig. So sehr die Geizhälse an ihrem Gelde hängen, sie kennen keine Schranke für ihre Liebe; wir aber glauben Alles geleistet zu haben, wenn wir nur etwas Weniges thun. Wir lieben Gott nicht in dem Grade, wie Jene das Geld, ja nicht den kleinsten Theil soviel. Man tadelt die Geizigen sehr, weil sie soviel Leidenschaft für das Gold haben; bei uns ist es sehr verdammenswerth, daß wir so wenig Neigung zu Gott zeigen. Das Maß der Ehre, welches Jene einem Erdklumpen zollen — Erde ist ja das Gold als Metall — das zollen wir dem Herrn des Weltalls nicht.


  1. Vgl. Bd. IX S. 48. ↩

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Homilien über den II. Brief an Timotheus (BKV)

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