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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Titum homiliae 1-6 Homilien über den Brief an Titus (BKV)
Zweite Homilie.

III.

Es gibt Nichts, was nicht diese Leidenschaften beflecken. Gleichwie heftige Winde auf den ruhigen Meeresspiegel sich stürzend ihn von Grund aus aufwühlen, so daß der Sand sich mit den Wellen mengt, ebenso fahren diese Leidenschaften in die Seele und kehren das Unterste zu oberst. Sie blenden das helle Auge des Verstandes, und am allermeisten thut Dieß die Raserei des Ehrgeizes. Das Geld kann man leicht verachten, falls man will; aber die ehrende Anerkennung der Menge gering schätzen, dazu gehört viel Entsagung, viel Philosophie und sozusagen eine Engelsseele, die an den Höhen des Himmels haftet. Ja wahrhaftig, es gibt keine so tyrannische Leidenschaft, keine, die so allgemein herrscht, hier mehr, dort minder, aber doch allent- S. 433 halben. Wie werden wir derselben Herr werden, wenn auch nicht vollständig, so doch einiger Maßen? Wenn wir zum Himmel emporblicken, wenn wir Gott vor Augen haben, wenn unsere Gedanken über dem Irdischen schweben. Wenn dich der Ehrgeiz stachelt, dann stelle dir vor, du hättest das Ziel desselben erreicht; betrachte das Ende, und Nichts wirst du finden! Bedenke, wie strafwürdig der Ehrgeiz ist, welch herrlicher Güter er uns beraubt! Mühen und Gefahren wirst du übernehmen, die Früchte und Belohnungen werden dir entgehen. Beherzige, daß die meisten Menschen schlecht sind, und verzichte auf ihre Anerkennung! Schau dir jeden Einzelnen an, was er für ein Subjekt ist, und du wirst sehen, daß der Ehrgeiz als reine Lächerlichkeit erscheint: du wirst sehen, daß die Anerkennung von seite solcher Leute mehr eine Schande ist als eine Ehre! Und dann lenke deine Gedanken empor zur himmlischen Bühne! Wenn du eine gute That ausübst und meinst, du müßtest die Menschen zu Zeugen derselben machen, und wenn du dich nach Zuschauern dafür umsiehst und ganz zappelst darnach, daß man dich sehe, dann bedenke, daß das Auge Gottes herabsieht, und du wirst das ganze Feuer dieser Begierde auslöschen! Steige empor von der Erde, richte den Blick auf jene andere Bühne im Himmel! Die Menschen loben dich zwar jetzt; aber nicht lange, so tadeln, beneiden, verkleinern sie dich, und wenn sie auch Das nicht thun sollten, so bringen sie jedenfalls dem Gelobten keinen Nutzen. Bei Gott aber ist Das nicht so, im Gegentheil, es macht ihm Freude, unsere guten Handlungen zu loben. Du hast eine schöne Predigt gehalten und Applaus geärntet? Und was hast du davon? Freilich, wenn die Applaudirenden von der Predigt einen Nutzen gehabt, wenn sie sich geändert und gebessert, wenn sie ihr früheres Sündenleben aufgegeben hätten, dann müßte man in solchem Falle sich freuen, aber nicht wegen des Lobes, das gespendet wird, sondern wegen der glücklichen und wunderbaren Sinnesänderung. Wenn sie aber in einem fort loben und S. 434 Beifall rufen und applaudiren, aber von ihrem Applaus keinen Nutzen haben, so muß Einen Das eher schmerzen, weil ihnen Das zum Gerichte wird.

Aber einen andern Fall: du genießest den ehrenvollen Ruf der Frömmigkeit. Bist du nun wirklich fromm, und wirft dir dein Gewissen Nichts vor, so darfst du dich freuen darüber, nicht weil man es weiß, sondern weil du es bist; wenn du jedoch, ohne wirklich fromm zu sein, nach diesem Rufe bei der Menge lechzest, so bedenke, daß nicht diese an jenem Tage unser Richter sein wird, sondern Derjenige, der auch das Verborgene genau kennt; wirft dir aber dein Gewissen Sünden vor, und giltst du trotzdem bei Allen als sündenrein, dann ist nicht nur keine Freude am Platz, sondern Schmerz und bitteres Seufzen in beständigem Hinblicke auf den Tag, an welchem Alles enthüllt wird, an dem auf die Geheimnisse der Finsterniß Licht fällt. Du genießest Ehre? Weine darüber in dem Bewußtsein, daß sie dich zum Schuldner macht! Niemand erweist dir Ehre? Darüber mußt du dich sogar freuen. Denn wird dir Gott neben den anderen Dingen nicht auch Das zum Vorwurf machen, daß du in Ehren gestanden bist? Oder weißt du nicht, daß Gott neben anderen Wohlthaten auch diesen Vorwurf durch den Propheten macht: „Ich habe aus eueren Söhnen Propheten genommen und aus eueren Jünglingen Gottgeweihte.“1 Also gewinnst du wenigstens Das, daß du nicht noch größerer Strafe schuldig befunden wirst. Denn Derjenige, der in diesem Leben nicht geehrt, der sogar verachtet wird, auf den man keine Rücksicht nimmt, den man mißhandelt und anspuckt, der gewinnt, wenn auch sonst Nichts, wenigstens so viel, daß er nicht für die Hochachtung, welche ihm seine Mitknechte zollen, verantwortlich gemacht wird. Und auch in S. 435 vielen anderen Beziehungen ist das für ihn eine Quelle des Nutzens. Er bleibt bescheiden und demüthig, und selbst wenn er möchte, wird er niemals hochmüthig werden, falls er sich nur etwas näher betrachtet. Der Andere jedoch, der hoch in Ehren steht, hat ausserdem, daß seine Verantwortlichkeit so groß wird, auch noch den Nachtheil, daß er sich überhebt in Verblendung und Eitelkeit und der Sklave der Menschen wird. Und wenn dann diese Tyrannei wächst, dann sieht er sich gezwungen, gar Manches gegen seinen Willen zu thun.


  1. Amos 2, 11. ↩

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Übersetzungen dieses Werks
Commentaire sur l'épître de Saint Paul à Tite vergleichen
Homilien über den Brief an Titus (BKV)

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