• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad hebraeos argumentum et homiliae 1-34 Homilien über den Brief an die Hebräer (BKV)
Siebente Homilie.

III.

Sputen wir uns also, denn auch Paulus sagt: „Ebenso laufe nun ich, aber nicht auf’s Ungewisse hin.“1 Laufen muß man und zwar angestrengt laufen. Wer läuft, schaut auf Niemanden, der ihm begegnet,2 mag ihn sein Weg durch liebliche Auen oder durch dürre Wüsten führen. Wer läuft, blickt nicht auf zu den Zuschauern, sondern schaut auf den Kampfpreis, seien nun Jene reich oder arm, mag Spott aufgegossen oder Lob gespendet werden, mögen Schimpfworte gehört oder gar Steine geworfen werden, und würde selbst sein Haus ausgeplündert: Nichts hält ihn auf, auch nicht der Anblick seiner Kinder und seiner Gattin, und was ihm nur immer zu Gesichte kommen mag; nur Eines liegt ihm am Herzen, - zu laufen und den Preis zu gewinnen. Wer läuft, steht nirgends still; denn wollte er auch nur ein wenig sich der Fahrlässigkeit überlassen, so wäre Alles verloren. Wer läuft, versäumt nicht nur Nichts vor dem Ende, sondern gerade dann beflügelt er seinen Lauf. Das sage ich für Diejenigen, die da sprechen: In der Jugend haben wir uns geübt, haben wir gefastet; jetzt sind wir alt geworden. Gerade jetzt soll man die Frömmigkeit pflegen. Zähle mir nicht deine alten Tugendthaten auf; jetzt vielmehr werde wieder ein Jüngling und zeige die Vollkraft (deines Tugendlebens). Denn wer den Lauf seines leiblichen Lebens verfolgt, vermag begreiflicher Weise, sobald ihn das Greisenalter erfaßt hat, nicht mehr so behende zu sein; denn der ganze Kampf beruht auf dem Körper. Aus welchem Grunde aber willst denn du den Kampf verringern? Hier bedarf es nur der Seele, die in lebendiger Regsamkeit sich kräftig S. 129 erweist. Die Seele erstarket im Alter, ja sie gelangt gerade da zur vollen Kraft und zu einem freudigen Stolze. Gleichwie nämlich der Körper, solange er mit Fiebern und anderen Krankheiten zu kämpfen hat, und wenn er auch stark ist, hart leidet; sobald er aber von dieser Bedrängniß befreit ist, seine natürliche Kraft wieder gewinnt: so fiebert auch die Seele in der Jugend und ist mit Ruhmgier, Vergnügungssucht, Liebeslust und vielen anderen Begierden behaftet; ist aber das Alter gekommen, dann werden alle diese Leidenschaften theils durch die Zeit theils durch die ächte Lebensweisheit vertrieben. Denn das Alter, welches den Körper abschwächt, verwehrt der Seele, selbst wenn sie wollte, denselben zu dienen; es hält gleichsam die mannigfachen Feinde (der Seele) zurück, stellt sie auf einen sicheren Platz, wo der Tumult schweigt, bewirkt Sturmesstille und schafft eine größere Furcht. Denn wie kein Anderer können es die Greise wissen, daß es mit ihnen zu Ende geht, und daß der Tod ganz nahe gekommen. Wenn nun die Begierden dieses Lebens weichen und sich die Furcht vor dem Gerichte, welche den widerspänstigen Unglauben mildert, herandrängt, wird man dann nicht vorsichtiger werden, wenn man nur will? Wie nun, heißt es, wenn wir sehen, daß die Alten verkommener sind als die Jungen? Da nennst du mir den Höhepunkt der Bosheit; denn auch bei den Rasenden sehen wir, daß sie sich in den Abgrund stürzen, ohne daß Jemand sie stößt. Ist nun sogar ein Alter mit der Krankheit der Jugend behaftet, dann ist das Maaß der Schlechtigkeit voll. Ein Solcher kann zu seiner Entschuldigung auch nicht seine Jugend vorschützen; denn er kann nicht sagen: „Der Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeiten gedenke nicht!“3 Denn wer im Alter Derselbe bleibt, zeigt, daß er auch in der Jugend nicht anders gewesen und nicht aus Unverstand oder aus Mangel an Erfahrung oder durch die Jahre, sondern durch S. 130 seine Sorglosigkeit also geworden ist; - denn Derjenige kann sprechen: „Der Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeiten gedenke nicht!“ welcher thut, was sich für einen Greisen geziemt, der in seinem Alter ein gebesserter Mensch wird. Wenn er aber auch im Alter noch dasselbe schändliche Leben fortführt, wie kann er mit dem Ehrennamen eines Alten geschmückt werden, da er selbst vor dem Alter keine sittliche Scheu hat? Denn wer sagt: „Der Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeiten gedenke nicht!“ spricht diese Worte als ein Solcher, der den Abend seines Lebens mit Rechtschaffenheit krönt. Beraube dich also durch die Sünden deiner alten Tage ja nicht der Verzeihung derjenigen Fehler, welche du in der Jugend begangen! Ist es nicht abgeschmackt und unverzeihlich, wenn sich ein Greis berauscht, wenn er in den Wirthshäusern sitzt, wenn er dem Pferderennen nachkeucht, das Theater besucht und wie ein Kind unter dem großen Haufen einherläuft? Es ist in der That schmachvoll und lächerlich: von aussen der Schmuck des Silberhaares, von innen der Kindskopf! Und wenn ihn dann etwa ein junger Mensch seinen Übermuth fühlen läßt, so nennt dieser ihn gleich einen Graukopf. Habe vorerst du Achtung vor deinen weissen Haaren! Fehlt dir aber selbst die Ehrfurcht vor deiner eigenen Greisenwürde, wie darfst du erwarten, daß der Jüngling derselben mit Ehrfurcht sich nahe? Du hast nicht fromme Scheu vor den grauen Haaren, sondern bedeckst sie mit Schande. Gott hat dich durch den Schneeglanz der Haare geehrt, hat dir einen großen Vorzug gegeben. Warum vergeudest du diesen Ehrenbesitz? Wie wird dir der Jüngling Ehrfurcht erweisen, wenn du es ihm in der Ausschweifung zuvorthust? Denn das Alter ist erst dann ehrfurchtgebietend, wenn es Thaten vollbringt, die sich für das Alter geziemen; wenn es sich aber in einem Bubenleben gefällt, ist es weit lächerlicher als das junge Volk selber. Wie werdet ihr Alten die Jungen heilsam belehren, wenn ihr durch Unordnung berauscht seid? Diese Worte spreche ich aber nicht zum Tadel der Greise, Das sei ferne, sondern der jungen S. 131 Leute; denn welche eine derartige Lebensweise führen, sind meines Erachtens noch Jungen, und hätten sie auch ein Alter von hundert Jahren erreicht; gerade so wie junge Leute, und wären sie noch kleine Knaben, die sich sittsam betragen, vor den Greisen den Vorzug verdienen. Und Das, was ich sage, ist nicht meine persönliche Ansicht; denn auch die heilige Schrift kennt diesen Unterschied. „Denn ein ehrenvolles Alter,“ heißt es, „hängt nicht von langer Dauer ab, und ein unbeflecktes Leben ist das wahre Greisenalter.“4


  1. 1 Kor 9,26 ↩

  2. Wir ziehen die Lesart: τῶν ἀπαντώντων der τῶν ἁπάντων vor. Anm. D. Ü. ↩

  3. Ps 24,7 ↩

  4. Weish 4,8 ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (346.53 kB)
  • epubEPUB (314.69 kB)
  • pdfPDF (1.24 MB)
  • rtfRTF (1.00 MB)
Übersetzungen dieses Werks
Commentaire de Saint Jean Chrysostome sur l'épître de Saint Paul aux Hébreux vergleichen
Homilien über den Brief an die Hebräer (BKV)
Kommentare zu diesem Werk
Einleitung: Homilien über den Brief an die Hebräer

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung