§ 1.
Der Presbyter Dionysius an seinen Mitpresbyter Timotheus.1
§ 1.
S. 91 1) Die konstitutiven Elemente der „Kirchlichen Hierarchie“: Wissen, Kraftwirkung und Vollendung. 2) Quellen für die Kenntnis der Hierarchie: die heiligen Schriften. 3) Art der Behandlung des Stoffes: Geheimhaltung dieser Kenntnisse vor den Uneingeweihten, ein mit Ehrfurcht gepaartes Studium, geistiges Erfassen des Gegenstandes. 4) Analogie der kirchlichen Hierarchie mit der himmlischen: beide haben das gleiche Prinzip Jesus, das gleiche Ziel der Erleuchtung und Verklärung im göttlichen Lichte, aber verschiedene Mittel, entsprechend der reingeistigen Natur der Engel und dem sinnlichgeistigen Wesen der Menschen. 5) Die Organe der kirchlichen Hierarchie: die Träger des Priestertums; ihre persönliche Vervollkommnung und ihre Tätigkeit an den Gläubigen.
Unsere Hierarchie, heiligster Sohn unter heiligen Söhnen, hat zum Gegenstande die in Gott gegründete, göttlich erhabene und göttlich wirkende Wissenschaft, Wirksamkeit und Vollendung. Aus den überweltlichen, hochheiligen Schriftworten müssen wir das Gesagte für diejenigen nachweisen, welche kraft der hierarchischen Mysterien und Überlieferungen zum geweihten Stand des heiligen sakramentalen Dienstes (der heiligen „Mystagogie“) konsekriert worden sind2. Aber siehe zu, S. 92 daß du nicht das Allerheiligste ausplauderst3, sondern mit Ehrfurcht bewahrest und die Geheimnisse des verborgenen Gottes in einem intellektuellen, dem Sichtbaren entrückten Erfassen in Ehren hältst. Gegenüber den ungeweihten schütze sie vor Mitteilung und Besudelung und nur den Heiligen unter den Heiligen teile sie auf heiligmäßige Art in heiliger Erleuchtung mit. Denn auf diese Weise strahlt auch, wie die Gottesoffenbarung uns, ihren Jüngern, überliefert hat, Jesus, der urgöttlichste und überwesentliche Geist, der jeglicher Hierarchie, Heiligung und Gotteswirkung Prinzip und Wesen ist, er, die urgöttlichste Macht, in die seligen, über uns stehenden Wesen lichtvoller und geistiger zugleich hinein und bildet sie nach Möglichkeit nach seinem eigenen Lichte um. Die vielfachen Besonderungen unseres Wesens aber schließt er durch die zu ihm emporstrebende und uns mitemporhebende Liebe zum Guten und Schönen einheitlich zusammen, vervollkommnet sie zu einem eingestaltigen, göttlichen Leben, Zustand und Wirken und gewährt uns so die heiligmäßige Gewalt des göttlichen Priestertums. Während wir aber aus dieser heraus an die heilige Betätigung des Priesteramtes herantreten, gelangen wir selbst in größere Nähe der über uns stehenden Wesen und zwar durch die möglichste Verähnlichung mit dem Beharrlichen und Unveränderlichen ihres Zustandes. Und indem wir dergestalt zum seligen, urgöttlichen Strahl, Jesus, emporblicken und eine möglichst hohe Stufe heiliger Beschauung ersteigen, werden wir, mit der Erkenntnis der geschauten Dinge erleuchtet, in den Stand gesetzt werden, nicht bloß selbst in das Heiligtum der mystischen Wissenschaft einzutreten, sondern auch anderen Führer dahin zu sein, wir werden ebenso in uns lichtgestaltet werden wie göttliche Wirksamkeit an andern entfalten, wir werden selbst zur Vollendung gelangen und zugleich zu Lehrern der Vollkommenheit ausgebildet werden.
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Vgl. 1. Petr. 5, 1 und die Bemerkung oben zu c. h. Kap. I § 1 S. 1, Fraglich ist überhaupt die Authentizität der Überschriften. ↩
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Die weitläufige Umschreibung kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass D. sein Werk nicht Laien und Priestern, sondern den Kirchenobern, den Bischöfen, widmen will. ↩
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Der griechische Ausdruck ἐξορχεῖσθαι („austanzen“) entstammt der Mysteriensprache und bezieht sich auf die Profanierung der heiligen Tänze. ↩