§ 5.
Wenn aber einer von einer Verschiedenheit spricht, welche einen Abfall vom Frieden bedeutet, und behauptet, der Friede sei nicht für alle Dinge liebreizend und begehrenswert, so ist in erster Linie zu erwidern, daß es nichts in der Welt gibt, was gänzlich von der Einigung (des Weltganzen) abgefallen wäre. Denn was gänzlich ohne festen Stand, ohne Abschluß, ohne Grundlage und ohne Begrenzung ist, das ist weder ein Seiendes noch im Bereich dessen, was ein Sein hat. Wenn er aber behauptet, daß solche dem Frieden und den Segnungen des Friedens feindselig gegenüberstehen, welche an Streit und Zorn, an Veränderung und Unstetheit ihre Freude haben, so werden auch diese von dunklen Vorstellungen eines Begehrens nach Frieden beherrscht, denn von unruhevollen Leidenschaften gequält, suchen sie diese unverständig zu befriedigen, indem sie wähnen, durch Ergänzung der jeweils entweichenden Genüsse in Frieden zu sein, während sie durch die Auflehnung1 der übermächtigen Lüste eine Beute der Verwirrung sind.
Was aber möchte man über die Frieden ausstrahlende Menschenfreundlichkeit Christi sagen? Mögen wir ihr gemäß lernen, nicht mehr zu streiten, weder mit uns selbst, noch miteinander, noch mit den Engeln, sondern laßt uns gemeinsam mit ihnen das Göttliche nach Möglichkeit pflegen, entsprechend der Vorsehung Jesu, der alles in allem wirkt, einen unaussprechlichen und von Ewigkeit vorbestimmten Frieden schafft und uns mit sich selbst und in sich mit dem Vater versöhnt. Über diese übernatürlichen Gaben ist jedoch in unsern „Theologischen Grundlinien“ genügend gesagt worden, wobei uns auch die heilig inspirierten Schriften als Zeugen dienten.2 S. 146
Die Variante ἀταξίᾳ scheint nach dem Zusammenhange eher gefordert als ἀτευξίᾳ. ↩
Eines der schönsten Kapitel ist diese Schilderung des Göttlichen Friedens. Ein gewaltiges Weltbild im Glanze der göttlichen Vorsehung, in einen so weitesten Rahmen gespannt, daß der ganze Kosmos, sichtbare Natur, Engel und Menschenwesen, physische Individualitäten und harmonische Ordnung, natürliche Denkoperationen und mystische Einigungen mit Gott, geoffenbarte Heilstatsachen und christlich-paränetische Mahnungen darin Platz finden. Die idealistische Stimmung trägt den Verfasser über die Dissonanzen in der physischen und moralischen Welt hinweg; er bleibt bei seinem Grundgedanken eines allbeherrschenden, unzerstörbaren Gottesfriedens. Aus allen Regionen des Universums klingt ihm der Jubel und die Freude der Schöpfung entgegen. Es ist einladend, das Lob der Schöpfung in den Psalmen und die Schilderung Plotins von dem „traumhaft unbewußten Weben der Weltseele, der geistigen Sympathie aller Dinge“, (Windelband) mit Dionysius zu vergleichen. ↩
