• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Gregor von Tours (538-593) Historiarum libri x Zehn Bücher fränkischer Geschichte
Viertes Buch.

12. Von dem Priester Anastasius

Cautinus zeigte sich aber, als er das Vistum empfangen hatte, von folcher Art, daß jedermann ihn verabscheute. Dem Weine war er über die Maßen ergeben, und trank sich oft so voll, daß er kaum von vier Männern von Tisch getragen werden konnte. Daher bekam er in der Folge die fallende Sucht, die ihn öfters selbst vor den Augen der Gemeinde überfiel Er war ferner in dem Grade vom Geize besessen, daß, wenn irgend jemandes Gut mit seinen Grenzen an sein Gebiet stieß, er es für seinen Tod gehalten haben würde, wenn er von dieses Nachbars Habe nicht etwas an sich gebracht hätte. Den Vornehmeren entzog er ihr Eigentum durch Streit und Händel, dem geringeren Manne entriß er es durch Gewalt. Diesen gab er, wie unser Sollius1 sagt, nicht das Kaufgeld, denn er verachtete sie, und S. 191 nahm auch von ihnen keinen Kaufschein, denn das hielt er unter feiner Würde.

Es lebte aber zu jener Zeit ein Priester, mit Namen Anastasius, ein Mann von freier Geburt; der besaß durch Gnadenbriese der Königin Chrodichilde ruhmreichen Andenkens ein Grundstück. Diesen nun ging der Bischof öfters an, und bat ihn demütiglich, er möchte ihm die Gnadenbriese der genannten Königin geben und ihm die Besitzung abtreten. Da aber jener den Wunsch feines Bischofs zu erfüllen fich weigerte, da dieser ihn doch bald durch Schmeicheleien zu gewinnen, bald durch Drohungen zu schrecken suchte, ließ er ihn zuletzt wider seinen Willen nach der Stadt bringen, dort ruchlos festhalten, und befahl, ihm, wenn er die Scheine nicht herausgebe, alle mögliche Unbill anzutun und ihn Hungers sterben zu lassen. Dennoch sträubte sich jener mannhaft, und lieferte die Urkunden nicht aus, denn es sei ihm besser, sagte er, daß er eine Zeitlang Hunger leide, als daß er seine Nachkommen für die Folge im Elende lasse. Darauf wurde er auf Geheiß des Bischofs den Schergen übergeben, und sollte, wenn er die Gnadenbriese nicht auslieserte, den Hungertod erleiden. Es war aber bei der Kirche des heiligen Märtyrers Cafsius eine sehr alte und ganz verborgene unterirdische Kapelle, in der war ein großes Grabmal von Parischem Marmor, in dem vor langen Zeiten ein Leichnam beigefetzt worden war. Jn dieses Grabmal nun wurd aus den Leichnam lebendig der Priester gelegt, und mit dem Stein Verdeckt, mit dem vorher der Sarkophag geschlossen war, während Wachen vor die Türe gestellt wurden. Die Schergen aber verließen fich darauf, daß der Stein auf ihm lag, machten fich, da es Winter war, ein Feuer an, bereiteten fich Glühwein und schliefen endlich berauscht ein. Der Priester jedoch rief wie ein FJTJJTEJZPZJDIIAS —gleichwie dieser aus dem Bauche der Hölle2 S. 192 so er aus dem Verschluß des Grabes -— den Herrn um Barmherzigkeit an. Und da der Sarkophag geräumig war, wie wir gesagt haben, so streckte er, obgleich er sich nicht ganz umwenden konnte, doch seine Hände ungehindert aus, wohin er wollte. Es ging aber von den Gebeinen des Toten, wie er selbst zu erzählen pflegte, ein Leichendunst aus, so fürchterlich, daß es ihm nicht nur die äußeren Sinneswerkzeuge, sondern auch die innersten Eingeweide zusammenzog Und wenn er sich mit dem Mantel die Nasenlöcher zustopfte, so empfand er, so lange er den Atem anhalten konnte, nicht den üblen Geruch, wenn er aber zu ersticken fürchtete und den Mantel nur ein wenig vom Gesichte nahm, so atmete er den schauerlichen Geruch nicht nur durch Mund und Nase, sondern auch sozusagen durch die Ohren ein. Endlich, um kurz zu sein, erbarmte sich die Gottheit selbst, wie ich glaube, seiner Not, er streckte die Hand nach der einen Seite des Sarkophags aus und ergriff einen Hebebaum, der, da der Deckel Raum ließ, zwischen diesem und dem Rande des Sarkophags liegen geblieben war. Als er diesen allgemach bewegte, merkte er, daß unter Gottes Beistand der Stein sich fortschob. Und als der Priester ihn schon so weit zurückgebracht hatte, daß er den Kopf, herausstecken konnte, machte er sich dann mit größerer Leichtigkeit eine Offnung so weit, daß er ganz herauszufteigen vermochte. Jnzwischen hatte das Dunkel der Nacht zwar schon das helle Tageslicht verscheucht, sich aber doch UVch nicht völlig ausgebreitet, und der Priester suchte eine Hintertüre in der Gruft; die war mit sehr starken Riegeln und festen Nägeln versperrt, aber sie war nicht so fest zusammengefügt, daß man zwischen den Brettern nicht hätte die Gestalt eines Nienschen erblicken können. An diese Türe legte der Priester den Kopf und sah einen Mann, der des Weges vorüberging. Da rief C! ihn an, doch mit leiser Stimme. Jener hörte es und hieb flugs mit der Axt, die er in der Hand hatte, die hölzernen Bretter S. 193 durch, von welchen die Riegel gehalten wurden, und öffnete so dem Priester den Ausgang. Dieser machte sich sofort bei Nacht auf und eilte nach Hause, indem er den Mann noch vielfach beschwor, niemandem von dieser Sache etwas zu erzählen. Als er aber nach Hause gekommen war, suchte er die Gnadenbriefe, welche ihm die genannte Königin erteilt hatte, iiberbrachte sie dem Könige Chlothachar und meldete ihm, wie er von seinem Bischof lebendig dem Grabe überliefert worden sei. Alle waren außer sich vor Entsetzen und sagten, nimmer habe selbst ein Nero oder Herodes eine solche Schandtat vollsührt, daß ein Mensch von ihnen lebendig in das Grab gelegt wurde. Da kam denn auch der Bischof Cautinus zum Könige Chlothachay aber auf die Anklage des Priesters wurde er überführt und ging beschämt von dannen. Der Priester aber erhielt vom Könige einen Gnadenbrieß gewann für sein Eigentum jeden Schutz, den er nur verlangte, erhielt sich im ruhigen Besitz» desselben und hinterließ es seinen Nachkommen.

Jn Cautinus war überhaupt keine Spur von heiliger Gesinnung, nichts Gutes. Von den Büchern, beides, den kirchlichen wie den weltlichen, verstand er gar nichts. Die Juden hatten ihn gern, und er selbst hing an ihnen, nicht um ihres Seelenheils willen, wie dies die Sorge eines guten Hirten hätte sein sollen, sondern weil er Kostbarkeiten von ihnen erhandelte, und für diese bezahlte er, wenn sie ihm schmeichelten und sich ganz offen als Speichellecker zeigten, noch mehr, als sie wert waren3.


  1. Nec dabat pretia contemnens nec acoipiedat Instruments desperansk So auch Apollinaris Sidonius in seinen Briefen (1l, 1; Anat. am» Vll, U) übe! einen gewissen Seronatus, den »catilina saeculi nostri.« Giesebrecht übekfCBkCT »und empfing auch soon ihnen den Kaufschein nicht, und darüber geriet er in Verzweiflung« Wahrscheinlich ist aber schon bei Apollinaris Sidonius der .Text verderbt, und es ist mit Mommsen despjcjens oder mit F. Leo, dem ich hier füt NEWTOliche Unterstiitzung verpflichtet bin, despernons zu lesen: contes-matt. hemmt-s, EDITnjt jun. ↩

  2. Jonas 2, 3. ↩

  3. Über die damaligen Handelsgeschiifte der Juden vgl. Scheffel-Vuictspxssk, xox Träne te« scheuten I1, Zu) und«Brunuer, Deutsche Recl»)tsk;gesktsichtki Cz, Auf« s» m. z, vgl. auch G. Cato, Soztak und Wirtscl)afrtsgesc1), d. Jud» 1» H5fs» ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Übersetzungen dieses Werks
Zehn Bücher fränkischer Geschichte
Kommentare zu diesem Werk
Einleitung & Vorrede in die Zehn Bücher Fränkischer Geschichte

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung