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Werke Gregor von Tours (538-593) Historiarum libri x Zehn Bücher fränkischer Geschichte
Viertes Buch.

46. Von dem Untergange des Andarchius

Da ich aber vom Ende des Andarchius erzählen will, halte ich es für gut, zuerst von seinem Herkommen und seiner Heimat etwas zu sagen. Er soll ein Sklave des Felix, eines vornehmen Mannes von römischem Geschlecht1 gewesen sein, und zum persönlichen Dienst bei seinem Herrn bestimmt, wurde er zusammen mit ihm zum Untericht gebracht2 und gewann so eine ausgezeichnete Bildung. Denn er war in den Werken des Virgilius, in den Büchern des Theodosianischen Gesetzes und in der Zahlenlehre vollkommen zu Hause. Das Wissen blähte ihn aber auf, er fing an, auf seinen Herrn herabzusehen und stellte sich unter den Schutz des Herzogs Lupus3, als dieser auf Befehl des Königs Sigibert nach Marseille kam. Als Lupus an den Hof zurückkehrte, nahm er ihn zur Begleitung mit, empfahl ihn dann angelegentlichst dem Könige Sigibert und übergab ihn dessen Dienst. Dieser sandte ihn an verschiedene Orte und verwandte S. 243 ihn in öffentlichen Geschästen4 So galt er als Mann von hoher Stellung5 und kam nach Arvern, wo er mit einem Bürger der Stadt, namens Ursus, Freundschaft schloß. Darauf wünschte er, dessen Tochter zu heiraten, und wie er ein verschmitzter Mensch war, legte er heimlich seinen Harnisch, so erzählt man, in einen Bücherkasten, in den man sonst Papiere einzupacken pflegte, und sagte zu dem Weibe des Ursus: »Mehr als 16000 Goldgulden habe ich in diesen Kasten gelegt, den übergebe ich dir; es soll dein sein, wenn du es dahin bringst, daß mir deine Tochter verlobt wird« Und

Wozu treibst du der Erdgeborenen Herz nicht Schmählicher Hunger nach Gold6

das Weib glaubte unbefangen dies alles und versprach ihm in Abwesenheit ihres Mannes, sie wolle ihm das Mädchen verloben. Daraus begab sich jener zum König und überbrachte dem Richter des-Ortes7 einen königlichen Befehl, er solle ihm das Mädchen zur Ehe geben8. »Jch habe,« sagte er, »den Mahlschatz bereits bei der Verlobung gegeben« Der Vater aber stellte das in Abrede, und sagte: »Jch weiß weder, von wannen du bist, noch habe ich etwas von dem Deinigen.« Und da sich hierüber ein Streit zwischen ihnen erhob und immer heftiger wurde, so verlangte Andarchius, Ursus solle mit ihm vor den König kommen.

S. 244 Und als er nach dem Königshofe Bernh gekommen war, trieb er einen Menschen auf, der gerade auch Ursus hieß. Den ließ er im Geheimen vor dem Altare folgenden Schwur leisten: »Bei dieser heiligen Stätte und den Gebeinen der heiligen Märtyrer! Wenn ich dir meine Tochter nicht zur Ehe gebe, will ich dir unverzüglich die 16000 Goldstücke zurückzahlen«, und stellte Zeugen im Altarraum auf, welche dort versteckt die Worte hörten, die jener sprach, doch seine Person nicht sehen konnten. Als dies geschehen war, beschwichtigte Andarchius unsren Ursus mit guten Worten und hieß ihn, ohne daß er vor den König gekommen wäre, in die Heimat zurückkehren. Dann ließ er jenen Eid schriftlich aufsetzen, und zeigte ihn dem König, als bereits Ursus zurückgekehrt war. »Dies und das,« sagte er, »hat mir Ursus schriftlich gegeben, und deshalb verlange ich einen Befehl von deiner Herrlichkeit, daß er mir seine Tochter zur Ehe gebe. Weigert er fich, so möge mir Gewalt gegeben werden über sein Hab und Gut, bis ich meine 16000 Goldstücke zurückbekommen und mich aus dieser Sache herausgezogen habe« Nachdem er einen königlichen Befehl darüber erhalten hatte, kehrte er nach Arvern zurück und wies dem Richter den Befehl vor. Ursus aber begab fich in das Gebiet von Velay9 und als sein Eigentum dem Andarchius überwiesen war, kam auch dieser eben dahin, trat in ein Haus des Ursus ein und befahl, man solle ihm ein Mahl bereiten und Wasser zum Bade wärmen. Als aber die Sklaven im Hause dem neuen Gebieter nicht gehorchen wollten, schlug er die einen mit Kniittelm die andren mit Ruten, einige traf er so auf den Kopf, daß das Blut heraussprang. Das setzte die Dienerschaft in Furcht, das Mahl wurde ihm bereitet, er« rhielt sein warmes Bad, trank fich voll Weins und legte sich auf das Lager. Es waren aber nur sieben Diener bei ihm. Und als auch diese, von Wein und Müdigkeit übernommen, in S. 245 tiefen Schlaf versunken waren, versammelte sich die Dienerschaft des Ursus, schloß die Türen des Hauses, das nur aus hölzernen Brettern gezimmert war, und nachdem sie die Schlüssel an sich genommen hatten, warfen sie die Getreidegarbem die noch in Mieten standen, auseinander und schichteten um und über das Haus die Ähren, die in Bünden waren, so hoch auf, daß dasselbe ganz davon bedeckt war. Dann wurde an verschiedenen Seiten Feuer angelegt, und erst als die Balken des Hauses verkohlten und über die Unglücklichen zusammenstürzten, wachten diese auf und singen an zu schreien. Aber da war niemand, der auf sie hörte. Das Feuer verzehrte das ganze Haus und zugleich sie alle. Ursus aber begab sich voll Furcht in die Kirche des heiligen Julianus, bekam jedoch, da er dem Könige Geschenke schickte, sein Hab und Gut unverkürzt zurück.


  1. »Eines Senators«. · ↩

  2. Die römische Familie hat römische Sitte bewahrt: zusammen mit dem Herren« kind wird ein Sklavenkind unterrichtet. An eine öffentliche Schule wird man dabei kam» mehr denke» dürfen; die Gegenstände, die Gregor nennt, sind der letzte Rest des einst viel ausgedehnteren römischen Unterrichtsprogramms ↩

  3. Lupus, Herzog der Champagne von Reims. Vgl. unten B. IV. MEPC« Fortunatus, der ihm mehreresGedichte gewidmet hat (V1l, 7—-9)fMkk Ihn T« Eine« derselben als Sieger über Sachsen und Bauen. ↩

  4. Daß Unfreie in Beamtenstellungen erscheinen, ist in dieser Zeit der aufsteigenden Königsmacht nichts Ungewöhnliches mehr; vgl. unten v, 48 das Beispiel des Leudastes. ↩

  5. Quasi honoratus habitus. Als honorati werden in römifcher Zeit die hohen Beamten und die Großgrundbesitzer zusammengesaßt. Die Bezeichnung hält sich dann auch noch unter den Merovingern, vgl. Watte« Deutsche Verfassungsgeschichte II, 1, 3S3VVUUUCR DCUtsche Rechtsgeschichte, L. Aufl. l.sx«;340 f. ↩

  6. Virgil in der Aeneide. B. 111. V. 56. 57. ↩

  7. Vgl. Seite 203 Anm. 1. ↩

  8. Eine sUnsitte sder ausgehenden römischen Kaiserzeit nachahmend, iibts di» MSE E« VkaUchs Söhne UND TMhtCV auch von Freien nach Gutdünken zu verehelichens Die MEVVVTIISTfchCU Kötlkge wurden wiederholt gezwungen ihm zu entEgeä mhmen ihn ab« immer· WTCDFEV Auf· J· Grimm. Deutsche Reclitskiltertüinksr UflJ l« 603 ff» Brunner, Twutsche Tliechtsgesch il, so» ↩

  9. Dép. Haute-Loirc. ↩

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