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...... Feiern wir Ostern zugleich am 23. April auf Grund des Schaltjahrs.1 Wenn ihr es aber am S. 24 26. März am 22. Mondtage feiert, wie ihr euch schon dazu anschickt, so macht ihr aus einem Schaltjahre ein gemeines, indem ihr den Neumond vom 5. März nach den Regeln der Lateiner2 beachtet, nachdem am 1. Jänner Samstag3 der 27. Mondtag ist, was aber in diesem Jahre aus den oben angeführten Gründen 4 nicht beachtet werden darf. Denn sowie in diesem Jahre das genannte Ostern vermieden werden muss, so müssen wir uns hüten, das Ostern eines Schaltjahres in einem gemeinen Jahre und das eines gemeinen Jahres in einem Schaltjahre zu feiern. Denn wir müssen die EpAkten5 des Mondes in den Monaten S. 24 des ganzen Jahres6 aufsuchen, damit wir Ostern in dem Monde des ersten Monats feiern, am Anfange des Jahres nach dem Beginne des Frühlings.7 Denn die Sonne selbst verbirgt sich gleichmäßig zu Wasser und zu Land am Ende des Tages und tritt hervor am Anfange des Tages.8 Die Sonne beendet ihren ganzen Jahreslauf am 21. März.9 S. 26 Auch das Eintreten des Vollmondes oder Neumondes10 lässt sich an den Fingern, auf Grund der Regeln und durch eine kleine Berechnung11 vorausbestimmen, so dass wir nach der gesetzlichen Rechnung der Hebräer12 nur 12 Monde13 in einem gemeinen Jahre zählen und 13 in einem Schaltjahre zählen mit Berechnung der Tage.14
Ich will euch aber mitteilen, dass Pachomius, ausgezeichnet durch seine Werke, ein vortreffliches (Gefäß) der apostolischen Gnade und Gründer der Cönobien Ägyptens, an das in der Sprache der Ägyptier Panum15 genannte S. 27 Kloster ein Schreiben16 gesendet, welches ihm ein Engel diktiert hatte, damit sie bei Berechnung der Osterfeier keinen Irrtum begehen und den Mond des 1. Monates im gemeinen und im Schaltjahre wissen. Erwäget, meine geliebtesten Herrn,17 dass das Pascha zuerst in Ägypten eingesetzt wurde zum Andenken daran, dass die Söhne Israels ein Lamm aßen als Typus des wahren Lammes am Monde des 1. Monats. Hernach aber wurde das Pascha gefeiert zur Erinnerung an das vom Himmel gefallene Manna, welches anzeigte, dass das vorbildliche Lamm aufhören würde, wenn das wahre Manna herabgestiegen ist. Unser Herr Jesus Christus aber vereinigte an einem Tage das Lamm der Juden und das wahre Manna, als er Brot und Wein segnete mit den Worten: „Das ist mein Leib und mein Blut,“ am Monde des 1. Monats, am Anfange des Jahres. Erinnern wir uns also dessen und denken wir daran, darzubringen, was Jesus für uns im 1. Monate darbrachte. Denn der Herr Jesus sagte: „So oft ihr dies tun werdet, tut es zu meinem Andenken!“ Erforsche mit aller Sorgfalt, was die nicänische Synode bezüglich der 14. Mondtage aller Jahre in dem 19jährigen Cyklus anordnete18 damit wir mit dem 14. Mondtage uns nicht täuschen mit den S. 28 Juden und den Häretikern, welche Quartodecimaner19 heissen. Es wurde auch auf allen Synoden, mit Ausnahme der von Gangra und Cäsarea, bestimmt, dass keine Kirche oder Stadt oder Gegend den vom nicänischen Concil über das Pascha getroffenen Anordnungen znwider handeln dürfe.
Glaubt mir, dass, wenn die Synode von Nicäa nicht den Mondcyklus des 1. Monats vorgeschrieben hätte, der Cyklus des Mondsteines20 in Persien zur Osterberechnung genügen würde, dessen innerer Glanz mit dem Monde des 1. Monates wächst und abnimmt. Dies alles habe ich euch deshalb mitgeteilt, weil ihr über den Mond des 1. Monats in diesem Jahre im Zweifel waret. Deshalb befehle21 ich euch, dass ihr Pascha nicht im März feiert in einem Schaltjahre, sondern am 23. April in der Einheit der katholischen Kirche. Als wahre Israeliten sollen wir unbefleckt das wahre unbefleckte Lamm genießen, weil es dem fleischlichen Israel geboten war, in einem Hause das einjährige Lamm zu essen. Von diesem unbefleckten S. 29 Lamme ward es ganz in Wahrheit vorgeschrieben. „Du sollst das Lamm nicht in der Milch seiner Mutter töten,“ d. h. am nächsten Pascha seiner Empfängnis im Leibe seinerMutter. Deshalb wollte Joseph die Maria, da sie schwanger war, heimlich verlassen, damit sie nicht wie eine Unzüchtige und Ehebrecherin gesteinigt werde. Damit aber das Lamm nicht in der Milch seiner Mutter getötet werde, floh Joseph am nächsten Pascha seiner Geburt nach Ägypten, auf Befehl des Engels, im März, nach einem Jahre, in welchem Monate Kain den gerechten Abel auf das Feld hinausführte, damit er ihn töte, als Vorbild Christi, welcher am Freitage aus den Gerichtshof des Pilatus hinausgeführt wurde; weil er an demselben Tage empfangen ward im Leibe und starb am Kreuze, da Adam am Freitage um der Sünde willen der Seele nach im Paradiese starb und an demselben (Tage) starb dem Leibe nach. Es ist, glaube ich, alles beantwortet, um was ihr mich gefragt habt.22
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Der erste und Hauptgrund der Differenz zwischen der alexandrinischen und römischen Osterrechnung: Bei den Alexandrinern war das J. 444 ein Schaltjahr, bei den Römern ein gemeines Um dies zu verstehen, müssen wir auf die Prinzipien der Osterrechnung etwas näher eingehen. Die Berechnung des Osterfestes wurde, um sie möglichst zu erleichtern, frühzeitig aus allerlei Mondcyklen gegründet. In der römischen Kirche war sicher seit dem Anfange des 4. Jahrh. der 84jährige Cyklus im Gebrauch (wie lange der um 222 von Hippolytus verfertigte 112jährige Cyklus, der sehr viele und bedeutende Unzukömmlichkeiten verursachte, benützt wurde, wie vor d. J. 222 der Osterneumond berechnet wurde, wissen wir nicht), in der alexandrinischen Kirche (wahrsch. seit dem J. 285. dem Regierungsantritte des Kaisers Diocletianus) der 19jährige Mondcyklus. Zur Ausgleichung dieser Mondjahre mit den Sonnenjahren und damit die Ostergrenze nicht vor die Frühlingsnachtgleiche trete, dienten in beiden Cyklen die Schaltmonate zu 30 Tagen, welche man als 13. Monat anfügte; hiebei zeigt sich nun ein bedeutender Unterschied zwischen den 2 Cyklen; während nämlich beim 84jährigen regeImäßig nach je 2 gemeinen Jahren zu 354 Tagen ein Schaltjahr von 384 Tagen fogte, ergeben sich beim 19jährigen Cyklus der Alexandriner als Schaltjahre das 3., 6., 8., 11., 14,. 17. u. 19., von welchen das letzte wegen des sog. saltus lunaenicht 384, sondern nur 383 Tage hatte. Dieser Unterschied machte sich nun für das Osterfest des J. 444 geltend; es war nämlich dieses Jahr im 84jährigen Cyklus als das 63. ein gewöhnliches Jahr, hingegen im 19jährigen als das 8. ein Schaltjahr; in Folge dessen war diesmal bei den Alexndrinern der März als Schaltmonat der letzte Monat des vorigen Jahres, in welchem also Ostern nicht gefeiert werden konnte, bei den Römern aber der erste Monat, also Ostermonat des neuen Jahres. ↩
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Die Lateiner notierten nämlich am 1. Jänner den Wochentag und das Alter des Mondes (Epacte), hiernach bestimmten sie den Neumond im März (nach der Regel: Qualis Luna est in Januario, talis quoque est in Martio) hiernach weiter den Ostertag und Ostermond; z.B. war im J. 444 am 1. Jänner ein Samstag und der Mond 27 Tage alt, so wird am 5. Jänner Neumond und ebenso am 5. März, es fällt also Vollmond auf den 19. März (einen Sonntag), welcher jedoch nicht der Ostersonntag sein konnte, weil nach der Regel der Lateiner Ostern nicht vor dem 16. Mondtage gefeiert werden durfte, weshalb er auf den 26. März verschoben wurde. ↩
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Im Texte steht eigentlich Sonntag, aber es ist dies sicher gefehlt, wie einige meinen, aus Schuld des Abschreibers oder wie von der Hagen (Observ. In VV. PP Prolog. Et Epist. P. 100) vermutet, aus Versehen des Cyrillus selbst; denn der 1. Jänner des J. 444 war ein Samstag. ↩
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Diese Worte deuten wohl darauf hin, dass am Anfange ein bedeutendes Stück fehlt. ↩
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Unter Epacte – von ἐπάγειν, hinzufügen, einschalten – versteht man im Allgemeinen den Überschuß eines bestimmten Zeitraumes über einen anderen von ungleicher Dauer. Sie wird fast nur gebraucht, wenn man zum Behuf der Bestimmung des Osterfestes die Länge des Mondjahres mit der des Sonnenjahres vergleicht, und gibt dann zu erkennen, der wievielste Tag des Mondmonats der 1. Januar oder irgend ein anderer bestimmter Tag des Jahres ist. Die deutschen Chronologen haben EpAkten durch Mondzeiger, und die Computisten des Mittelalters durch adjectiones lunaeübersetzt.; vgl. Ideler, Handbuch der Chronologie II. S. 239.* ↩
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Hier drückt sich Cyrillus unklar und unvollständig aus, was, wie Hagen (l.c.p.104) meint, zr geschehen pflegt, wenn man über bekannte und langgewohnte Dinge spricht; Cyrillus aber wilI sagen: Wir müssen aufsuchen (nicht die Jahres-Mond-EpAkten, sondern) die EpAkten in den einzelnen Monaten des ganzen Jahres, d. i. des 1. Jahres in dem 19jährigen Cyklus; denn sind diese gefunden, so kann man die der folgenden Jahre leicht bestimmen, wenn man zu der Epacte des betreffenden Monats von Jahr zu Jahr 11 addirt (weil nun soviel Tage das gemeine Mondjahr kürzer ist als das Sonnenjahr). ↩
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Dies sind die bei der Osterfeier zu beobachtenden RegeIn; Ostern soll gefeiert werden: im Monde des 1. Monats, d. i. des 1. Monats im Mondjahre der Juden nach der Urschrift des Gesetzes: „Beobachte den 1. Monat;“ am Anfange des Jahres, d. i. nicht des bürgerlich ägyptischen Sonnenjahres, auch nicht des heiligen jüdischen Mondjahres, sondern des natürlichen tropischen Sonnenjahres, welches mit der Frühlingsnachtgleiche beginnt, sodass also der 14. Mondtag des 1. Monats nicht vor dem Beginn dieses Jahres fällt; endlich: nach dem Frühjahrsanfange also nicht am Tage der Frühlingsnachtgleiche selbst, an welchem das Frühjahr beginnt; dieser Tag wird nun im Folgenden angegeben. ↩
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Die Bedeutung dieser Worte. wo von dem Tageslauf der Sonne die Rede zu sein scheint, gesteht Hagen selbst (1. c. 105.) nicht zu erfassen. ↩
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Hierdurch ist der Jahreslauf der Sonne beschrieben oder der Tag bezeichnet, an welchem die Sonne ihren Jahreslauf beendet, welcher also zugleich als Beginn des neuen Jahreslaufes den Eintritt des Frühlings, des neuen Jahres im obigen Sinne angibt. ↩
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Lunaris globi plenitudo vel diminutio. ↩
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Mit Bezug auf das Osterfest ist der Eintritt des Vollmondes zu suchen; dieser Ostervollmond (luna XIV. paschalis)muss so fallen, dass er erst nach der Frühjahrsnachtgleiche eintritt, so dass am Abende des Tages, welcher der 14. Mondtag heißt, bei Sonnenuntergang der Vollmond aufgeht und die Nacht darauf mit dem untergehenden Monde die Sonne aufgeht. Dies lässt sich nun bestimmen digitorum motu, d. i. indem man an den Fingern die Tage abzählt, z. B. am 1. März ist der 5. Mondtag, so findet man, indem man 9 Finger aufhebt, den Vollmond am 10. März u. s. w. ; rationis magisterio, auf Grund der Regeln, d. h. durch Berücksichtigung der Regeln, welche lehren, an welchem Vollmonde Ostern zu feiern ist, also z. B. am Vollmond vom 10. März darf Ostern nicht gefeiert werden, weil dies gegen die bekannten Regeln verstöße; endlich calculi supputatione aliqua, d. h. höchstens bedarf es einer kleinen, einfachen Rechnung. ↩
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D. i. nach der von den Hebräern wegen des Gesetzes: „Beobachte den 1. Monat“ angenommenen Rechnung nach Mondjahren und Mondmonaten. ↩
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D. i. Mondmonate. ↩
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Im gemeinen Jahre also sind, da der 1. Monat 30 Tage, der 2. 29 Tage hat und so abwechselnd, im ganzen 354 Tage, im Schaltjahre wegen des vor dem Ostermonat eingeschalteten 13. Monats von 30 Tagen 384 Tage (in der Regel) zu zählen. ↩
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So nach Beda; Bucherius liest: Bonum, andere: Baum, Bau, Pabau, welches eines der bedeutendsten Klöster des hl. Pachomius war; eines hieß Pachnum. ↩
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Der hier von Cyrillus allegierte Brief des Pachomius ist gänzlich unbekannt, nur Beda zitiert (de tempor. Ratione c. 41. tom. II. edit. Colon. An. 1682, p. 83 sec. loco und de argumentis lunae t. I. p. 151 unsere Stelle. ↩
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Die Ballerini vermuten mit Recht, dass die Ansprache an eine Vielzahl eine Interpolation desjenigen sei, welcher unsern Brief und den des Cyrillus an die Afrikaner v. J. 419 fälschlich für einen hielt ↩
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Wenn die nicänische Synode auch nicht den 19jährigen Cyklus, wie einige meinen, erst eingeführt hat, da er schon älter war, so hat sie ihn doch sicherlich wenigstens indirekt dadurch bestätigt, dass sie die alexandrinische Kirche, welche ihn benützte, mit der Osterrechnung betraute. ↩
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So wurden diejenigen genannt, welche gegen die Anordnung des Nicänums Ostern stets am 14. Nisan selbst zugleich mit den Juden feierten, da sie es doch am Sonntag nach dem 14. Nisan feiern sollten, vorausgesetzt, dass dieser nach der Frühlingsnachtgleiche traf. ↩
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Lapis silenitis oderselenitis, auchsilonitis, ein Stein, welchem die Alten allerlei Wundereigenschaften und Kräfte zuschrieben; s.Alberti Magni lib. De virtutibus lapidum; er soll vorzüglich in Persien gefunden werden, verschiedene Farben, wie weiß, rot oder grün haben. – Hierdurch aber, wie durch die Berufung auf das von einem Engel dem Pachomius diktierte Schreiben will Cyrillus den 19jährigen Cyklus der Alexandriner als von Gott selbst angeordnet beweisen. Auch Paschasinus beruft sich im folgenden Briefe auf ein Wunder zugunsten der alexandrinischen Osterrechnung. ↩
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Das Wort praecipio, ich befehle, ist nach den Ballerini I. p. 598 n. 6) abermals eine willkürliche Abänderung des Abschreibers. ↩
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In manchen Exemplaren, in denen nämlich die 2 Briefe des Cyrillus als einer, an die Afrikaner gerichtet, erscheinen, ist vom Interpolator hier das Glossem angefügt: „Ich übermittelte auch alle authentischen Schriften der nicänischen Synode,“ um dadurch die angebliche Zusammengehörigkeit besser herzustellen. ↩