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Werke Gregor der Grosse (540-604) Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum Vier Bücher Dialoge (BKV)
Viertes Buch

X. Kapitel: Vom Hinscheiden der Seele des Abtes Spes

Als ich noch im Kloster war, erfuhr ich von einem sehr ehrwürdigen Mann, was ich jetzt erzähle. Er sagte nämlich, daß ein ehrwürdiger Abt namens Spes in Cample,1 ungefähr sechs Meilen von der alten Stadt Nursia2 entfernt, ein Kloster gründete. Diesen bewahrte der allmächtige und barmherzige Gott durch eine Heimsuchung vor der ewigen Pein und wandte ihm in seiner Fügung Strenge und Gnade im höchsten Grade zu; und wie sehr er ihn liebte, als er ihn heimsuchte, zeigte er später, als er ihn vollkommen heilte. Durch einen Zeitraum von vierzig Jahren hindurch hüllte er nämlich seine Augen in die Finsternis ununterbrochener Blindheit und ließ ihn nicht das mindeste sehen. Aber da niemand bei den Schlägen des Herrn bestehen kann, wenn die Gnade mangelt, und weil derselbe barmherzige Vater, der die Strafe verhängt, auch Geduld spendet, wird die Sünde unserer Ungeduld wegen noch größer. Beklagenswerterweise kommt es demnach dazu, daß unsere Schuld gerade dadurch sich vermehrt, wovon sie ein Ende hätte erhoffen sollen. Darum sieht Gott unsere Schwachheit an und mischt unter seine Geißeln seine väterliche Fürsorge und ist seinen auserwählten Kindern gegenüber barmherziglich gerecht in seiner Züchtigung, um sich ihrer später gerechtiglich zu erbarmen. Deshalb ließ er den ehrwürdigen Greis nie des inneren Lichtes entbehren, solange er ihn in äußere Finsternis hüllte. Während er unter dieser körperlichen Zuchtrute schmachtete, genoß er durch den Schutz des Heiligen Geistes Trost in seinem Herzen. Als er volle vierzig Jahre blind gewesen, gab ihm der Herr das Augenlicht wieder und kündigte ihm seinen nahe bevorstehenden Tod an; auch ermahnte er ihn, in den umliegenden Klöstern das Wort des ewigen Lebens zu S. 199 verkündigen, damit er nach Empfang des leiblichen Lichtes den umwohnenden Brüdern beim Besuch das Licht des Herzens entzünde. Sogleich gehorchte er dem Befehl, besuchte ringsum die Klöster und predigte den Brüdern die Lebensvorschriften, die er durch Ausübung erlernt hatte. Als die Unterweisung zu Ende war, kehrte er am fünfzehnten Tag wieder in sein Kloster zurück, rief dort die Brüder zusammen und empfing in ihrer Mitte stehend das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, sang die heiligen Psalmen mit ihnen und unter dem Psalmengesang gab er ins Gebet vertieft seinen Geist auf. Alle Brüder, die zugegen waren, sahen, wie eine Taube aus seinem Munde ausging, die beim offenen Dach der Kapelle hinausflog und vor den Augen der Brüder gen Himmel eilte. Wir müssen annehmen, daß seine Seele deswegen in Gestalt einer Taube erschienen ist, weil der allmächtige Gott durch diese Gestalt zu erkennen geben wollte, mit welch großer Herzenseinfalt ihm dieser Mann gedient hatte.


  1. Campoli ↩

  2. Norcia ↩

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