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Werke Gregor der Grosse (540-604) Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum Vier Bücher Dialoge (BKV)
Viertes Buch

XXXVIII. Kapitel: Bisweilen sehen Seelen, solange sie noch im Leibe sind, im Geiste ihre zukünftigen Peinen; vom Knaben Theodorus und vom Tode des Chrysaorius und eines Mönches aus Ikonium

Gregorius. Du mußt wissen, daß manchmal Seelen, während sie noch im Leibe sind, im Geiste ihre zukünftige Pein schauen, was bei einigen zu ihrer eigenen Errettung, bei anderen zur Erbauung derer geschieht, die davon hören. So war jener Theodor, von dem ich schon in den Homilien1 vor dem Volke gesprochen habe, ein sehr unruhiger Knabe; er folgte seinem Bruder mehr aus Zwang als freiwillig und trat in mein Kloster ein. Es war ihm sehr lästig, wenn jemand über sein Seelenheil mit ihm sprach; denn er konnte das Gute nicht bloß nicht tun, er konnte auch nichts davon hören. Mit Flüchen, Zorn und Spott äußerte er, er wolle niemals ein Ordensmann werden.2 Bei der Pest aber, die vor kurzem das Volk dieser Stadt zum großen Teil dahinraffte, wurde auch er von Unterleibsschmerzen befallen und kam zum Sterben. Als er in den letzten Zügen lag, kamen die Brüder zusammen, um ihm durch ihr Gebet beim Hinscheiden beizustehen. Die Extremitäten waren schon abgestorben und nur in der Brust war noch Lebenswärme. Je mehr das Hinscheiden nahte, um so inständiger beteten die Brüder für ihn. Da rief er ihnen plötzlich zu, mit lautem Schreien ihre Gebete unterbrechend: „Gehet weg, gehet weg; denn ein Drache muß mich verschlingen, eure Gegenwart hindert ihn daran! Meinen Kopf hat er schon im Rachen; machet Platz, damit er mich nicht weiter quäle, sondern tue, was doch geschehen soll! Wenn er S. 243 mich verschlingen muß, warum verhindert ihr das?” Da sagten die Brüder zu ihm: „Was sagst du da, Bruder? Bezeichne dich doch mit dem heiligen Kreuz!” Er aber schrie laut: „Ich möchte ja gern das Kreuzzeichen machen, aber ich kann nicht, weil die Schuppen des Drachen mich drücken!” Da die Brüder dieses hörten, warfen sie sich mit Tränen zur Erde und beteten mit noch größerer Inbrunst um seine Rettung. Und sieh, auf einmal ging es mit dem Kranken besser und er rief mit lauter Stimme: „Gott sei Dank! Sehet, der Drache, der mich verschlingen sollte, ist geflohen; er konnte nicht bleiben, euer Gebet hat ihn vertrieben. Leget Fürbitte ein für meine Sünden; denn ich bin bereit, jetzt ein Mönch zu werden und das Weltleben ganz zu verlassen!” Obwohl also, wie schon gesagt, seine Extremitäten bereits ganz abgestorben waren, blieb er doch am Leben erhalten und bekehrte sich aufrichtig zu Gott. Er mußte, nachdem die Änderung in ihm vor sich gegangen war, noch vieles leiden, bis seine Seele vom Leibe schied.

Chrysaorius war, wie mir sein Vetter, der oben3 erwähnte Probus, oft erzählte, zwar ein Mann von großer Weltgewandtheit, aber ebenso reich an Lastern wie an zeitlichen Gütern, stolz, den Wollüsten ergeben und voll von Habsucht im Erwerb von zeitlichen Gütern. Der Herr beschloß, so vielem Bösen ein Ende zu machen, und schickte ihm eine tödliche Krankheit. Als sein letztes Stündlein herannahte und er schon im Sterben lag, sah er abscheuliche, pechschwarze Geister vor sich stehen und ihm fürchterlich drohen, sie würden ihn mit in die Hölle nehmen. Er begann zu zittern, zu erblassen und in Schweiß auszubrechen und bat mit lauter Stimme um Aufschub und rief seinen Sohn Maximus, den ich, selbst schon Mönch, im Mönchsgewand gesehen habe. Laut und geängstigt schrie er: „Maximus, komm doch! Ich habe dir gewiß nie etwas Böses getan, nimm mich in deinen Schutz!” Der erschrockene Maximus erschien alsbald, S. 244 und trauernd und klagend kam die ganze Familie zusammen. Die bösen Geister aber, die ihm so schrecklich zusetzten, sahen sie nicht, sondern merkten deren Gegenwart nur durch die Verwirrung, die Blässe und die Angst des Sterbenden, den sie mit sich fortschleppen wollten. Aus Furcht vor den entsetzlichen Gestalten wälzte er sich im Bette hin und her; lag er auf der linken Seite, so konnte er ihren Anblick nicht ertragen, wandte er sich gegen die Wand, so waren sie auch da. Als er in diesen Ängsten keine Möglichkeit einer Rettung mehr sah, rief er mit lauter Stimme: „Gebt mir Frist nur bis morgen! Frist nur bis morgen!” Aber während er so schrie, verschied er. Hier ist es wohl ersichtlich, daß er um unsert-, nicht um seinetwillen diese Erscheinung gehabt hat, damit sie uns nütze, auf die die göttliche Geduld noch langmütig wartet. Denn was nützte es ihm, daß er vor seinem Tode die entsetzlichen Geister sah und um Aufschub bat, da er den Aufschub doch nicht erhielt?

Gerade jetzt weilt bei uns der isaurische Priester Athanasius, welcher erzählt, es habe sich, als er in Ikonium war, etwas Schreckliches ereignet. Dort befindet sich nämlich, wie er sagt, ein Kloster, welches das Galatische genannt wird, und in demselben lebte ein Mönch, der große Hochachtung genoß. Er galt als sittlich hochstehend und gerecht in all seinem Tun; aber wie das Ende zeigte, war die Wirklichkeit ganz anders als der Schein. Denn während er sich den Anschein gab, als faste er mit den Brüdern, nahm er heimlich etwas zu sich. Die Brüder aber wußten nichts von diesem seinem Fehler. Es befiel ihn indes eine Krankheit, und er kam dem Ende nahe. Als er schon im Sterben lag, ließ er alle Brüder, die im Kloster zugegen waren, zu sich kommen. Sie waren der Meinung, sie würden beim Tode eines solchen Mannes etwas Großes und Erfreuliches von ihm zu hören bekommen. Aber trauernd und zitternd mußte er ihnen offenbaren, was für einem Feinde er bei seinem Scheiden übergeben werde. Er sagte nämlich: „Als ihr meintet, S. 245 ich faste mit euch, da habe ich verstohlens gegessen, und seht, jetzt bin ich einem Drachen überantwortet, der mich verschlingen muß; seinen Schweif hat er schon um meine Knie und um die Füße gewunden und seinen Kopf steckt er in meinen Mund, um mir die Seele herauszuziehen.” Kaum hatte er dies gesagt, starb er, und es war ihm keine Zeit mehr gegeben, sich durch Buße von dem Drachen, den er geschaut, zu befreien. Offenbar sah er dies nur zum Nutzen derer, die es hörten, da er den Feind, dem er überliefert wurde, zwar kund gab, ihm aber nicht entrann.

Petrus. Belehre mich, bitte, ob es nach dem Tode ein Fegfeuer gibt!


  1. Hom. 19, 7, und Hom. 38, 16, Migne, P. L. LXXVI, 1158 und 1292 ↩

  2. Er hielt sich im Kloster als Gast auf ... und konnte das Kloster nicht verlassen, da er nicht wußte, was er sonst anfangen oder wovon er leben sollte. Ebd. 1158. ↩

  3. IV. Buch, 12. Kap. ↩

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