XII. Kapitel: Von Fulgentius,1 Bischof von Otricoli
Das Wunder, das ich von der Teilung des Regens erzählt habe, zeigte sich auch zu Ehren eines andern Bischofs. Ein alter Kleriker, der noch lebt, bezeugt, er sei dabei zugegen gewesen, und erzählt es also: Ful gentius, Bischof von Otricoli, hatte den grausamen König Totila ganz und gar gegen sich. Als dieser sich mit seinem Heere jenen Gegenden näherte, ließ es sich der Bischof angelegen sein, ihm durch seine Kleriker Ehrengeschenke zu übersenden und womöglich seine Zorneswut durch Gaben zu besänftigen. Sobald er aber die Geschenke sah, gab er seiner Verachtung Ausdruck und befahl seinen Leuten voll Zorn, den Bischof aufs stärkste zu fesseln und für ein Verhör in Gewahrsam zu halten. Die wilden Goten, die Knechte seiner Grausamkeit, nahmen den Bischof gefangen, stellten sich um ihn herum und befahlen ihm, an einem und demselben Platz stehen zu bleiben; sie beschrieben ihm auf dem Boden einen Kreis, über den er unter keinen Umständen seinen Fuß hinaussetzen durfte. Wie der Diener Gottes so, von den Goten umringt und in den Kreis festgebannt, eine brennende Sonnenhitze ausstehen mußte, brachen plötzlich Blitz und Donner los und es strömte ein so starker Regen nieder, daß seine Wächter das Übermaß des Regens nicht mehr aushalten konnten. Und obwohl eine große Überschwemmung entstand, fiel doch innerhalb des Kreises, in dem der Mann Gottes Fulgentius stand, nicht ein einziger Regentropfen. Als man hiervon dem grausamen König Meldung machte, verwandelte sich sein wilder Sinn in große Ehrfurcht S. 125 gegen denjenigen, nach dessen Bestrafung er vorher voll unersättlicher Wut gedürstet hatte. So wirkt der allmächtige Gott gegen die stolzen Gemüter fleischlich gesinnter Menschen Wunder seiner Macht durch verachtete Männer, auf daß die Wahrheit den Nacken derer, die sich stolz gegen ihre Gebote erheben, durch die Demütigen beuge.
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sein Fest am 21. Mai ↩