XXIII. Kapitel: Von dem Abte auf dem Berge bei Palestrina und von seinem Presbyter
Gregorius. Über der Stadt Palestrina erhebt sich ein Berg, auf welchem das Kloster zum heiligen Apostel S. 152 Petrus für gottgeweihte Männer liegt. Als ich noch im Kloster war, habe ich zufällig durch diese von dem großen Wunder gehört, das ich jetzt erzähle, und das die Mönche jenes Klosters als sicher bezeugten. In jenem Kloster lebte nämlich ein Abt von verehrungswürdigem Lebenswandel, der einen Mönch heranbildete und zu ehrfurchtgebietender Tugend brachte. Da er ihn in der Furcht des Herrn erstarkt sah, ließ er ihn in seinem Kloster zum Priester weihen. Nach der Ordination wurde dem Mönch in einer Offenbarung mitgeteilt, daß sein Tod nicht mehr ferne sei. Da bat er den erwähnten Abt des Klosters um die Erlaubnis, sich ein Grab bereiten zu dürfen. Jener antwortete: „Ich werde zwar vor dir sterben, jedoch gehe hin und bereite dir dein Grab, wie du es wünschest!” Er ging also hin und richtete es her. Nach wenigen Tagen kam der greise Abt, von einem Fieber befallen, zum Sterben und befahl dem Priester, der ihm beistand: „Lege mich in dein Grab!” Da dieser erwiderte: „Du weißt doch, daß ich dir bald nachfolgen werde und daß es uns beide nicht aufnehmen kann”, entgegnete der Abt: „Tue nur, was ich dir gesagt habe; denn dein Grab faßt uns beide!” Er starb also und wurde in das Grab gelegt, das sich der Priester hergestellt hatte. Bald beschlich auch den Priester ein körperliches Siechtum, welches immer mehr zunahm und rasch seinem Leben ein Ende machte. Als die Brüder seinen Leichnam zu Grabe trugen, das er sich bereitet hatte, sahen alle Anwesenden am offenen Grabe, daß kein Platz mehr vorhanden sei, wohin man ihn legen könnte, weil der Leichnam des Klosterabtes, der vorher da begraben worden war, das ganze Grab einnahm. Als die Brüder, die den Leichnam des Priesters trugen, sahen, daß sich der Beerdigung ein Hindernis entgegenstellte, rief einer aus: „O Vater, was ist’s? Du hast gesagt, daß dies Grab euch beide aufnehmen könne!” Bei diesem Rufe drehte sich plötzlich vor aller Augen die Leiche des Abtes, die früher hier S. 153 beigesetzt worden war und auf dem Rücken lag, auf die Seite und machte im Grabe einen Platz frei zur Beerdigung der Leiche des Priesters. So erfüllte er tot, was er lebend versprochen, daß nämlich jener Ort sie beide fassen werde. Da dies aber, wie gesagt, bei der Stadt Palestrina im Kloster des heiligen Apostels Petrus geschehen ist, willst du dann vielleicht auch etwas hören von den Wächtern seiner Kirche hier zu Rom, wo sein hochheiliger Leib begraben liegt?
Petrus. Freilich will ich, und ich bitte sehr darum.