XXX. Kapitel: Von einer arianischen Kirche in Rom, die für den katholischen Gottesdienst eingeweiht wurde
Ich möchte nun auch nicht das Ereignis mit Stillschweigen übergehen, das Gottes Güte vor zwei Jahren hier in Rom zur Verurteilung der arianischen Irrlehre geschehen ließ. Das, was ich erzähle, hat teils das Volk miterlebt, teils haben es die Priester und die Kirchendiener mit angehört und mit angesehen. Es wurde nämlich beschlossen, in die in der Subura-Region1 gelegene arianische Kirche, die bis vor zwei Jahren gesperrt war, Reliquien der hl. Märtyrer Stephanus und Agatha zu übertragen und die Kirche für den katholischen Kult wieder einzuweihen; und so geschah es auch. Wir kamen also mit einer großen Menge Volkes dorthin und betraten unter Lobgesängen auf den allmächtigen Gott die Kirche. Während nun in derselben bereits das Hochamt gehalten wurde und während wegen der Beschränktheit des Raumes die Menge sich drängte, fühlten plötzlich S. 162 einige von denen, die außerhalb des Heiligtums2 standen, daß zwischen ihren Füßen ein Schwein hin- und herlief. Während jeder es fühlte und den Nachbar darauf aufmerksam machte, suchte das Schwein die Kirchentüre zu erreichen, und setzte alle, an denen es vorbeilief, in Verwunderung; niemand aber konnte es sehen, obwohl sie es alle fühlten. Das hat Gottes Güte deshalb geschehen lassen, damit alle erkannten, daß der unreine Geist seinen Wohnsitz verlassen müsse. Nach Vollendung des Hochamtes entfernten wir uns, aber noch in derselben Nacht entstand auf dem Dache dieser Kirche ein großes Geräusch, als ob jemand hin und her irre. In der darauffolgenden Nacht wurde das Geräusch immer stärker; plötzlich aber krachte es so schrecklich, als ob die ganze Kirche von Grund aus zerstört würde. Darauf wurde es stille und keine Beunruhigung von Seiten des Urfeindes wurde mehr bemerkt. Aber der von ihm verursachte schreckliche Lärm deutete an, wie er nur notgezwungen die Stätte verließ, die er so lange im Besitz gehabt hatte. Wenige Tage darnach schwebte bei vollkommen heiterem Wetter eine Wolke vom Himmel auf den Altar der Kirche herab, hüllte ihn wie mit einem Schleier ein und erfüllte die ganze Kirche mit solch ehrfürchtigem Schauer und mit so süßem Wohlgeruch, daß niemand durch die offenstehenden Türen einzutreten wagte. Auch der Priester, die Kirchendiener und die, welche zur Feier des Hochamts gekommen waren, sahen das Ereignis, vermochten aber durchaus nicht hineinzugehen und atmeten die Süßigkeit des wunderbaren Wohlgeruches ein. Als am andern Tage die Ampeln ohne Licht waren, entzündeten sie sich an einem von Gott gesandten Lichte. Wiederum nach einigen Tagen war es, daß der Mesner nach dem Hochamte die Ampeln auslöschte und die Kirche verließ. Als er aber kurz dar auf dieselbe wieder betrat, fand er, daß die Ampeln, die S. 163 er doch ausgelöscht hatte, brannten. Er dachte, er müsse sie nicht ganz ausgelöscht haben, löschte sie nun mit aller Sorgfalt aus und schloß beim Hinausgehen auch die Kirche mit aller Sorgfalt zu. Als er aber nach Verlauf von drei Stunden zurückkehrte, brannten die ausgelöschten Ampeln schon wieder, so daß diesem Brennen deutlich zu entnehmen war, der Ort sei aus der Finsternis zum Lichte gekommen.
Petrus. Obwohl wir uns in großer Trübsal befinden, so sind doch die staunenswerten Wunder, die ich da höre, ein Beweis dafür, daß unser Schöpfer uns nicht ganz verlassen hat,
Gregorius. Ich hatte mir zwar vorgenommen, nur solches zu erzählen, was in Italien geschehen; vielleicht wünschest du aber doch, daß wir, um die Verdammung der arianischen Irrlehre darzutun, in unserer Erzählung uns nach Spanien hinüberbegeben und von da über Afrika nach Italien zurückkehren?
Petrus. Schlage irgendeinen Weg ein, wie es dir beliebt; denn mit Freuden lasse ich mich hin- und zurückführen.
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Die Subura war ein vom niedrigen Volk sehr dicht bewohnter Stadtteil unweit des Trajansforums. Die hier erwähnte Kirche wurde ca. 460 von Ricimer erbaut und von Gregor dem Großen aufs neue geweiht; heute heißt sie Sant’ Agata dei Goti in Suburra. ↩
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d.i. außerhalb des Presbyteriums, das die Laien nicht betreten durften ↩