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Werke Zenon von Verona (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 1
Traktat III. Die Gerechtigkeit.

5.

Aber — was geht es uns an, was sie sagen? Einer der Unsern, ein hervorragender Mann, hat es ausgesprochen: „Gott weiß, daß die Gedanken der Menschen töricht sind."1 Sie sollen uns unsere Torheit lassen; sie mögen ihre Weisheit für sich behalten. Freilich unter den Anhängern solcher Weisheit sehe ich auch fast alle Christen, die es schon als vollkommene Gerechtigkeit betrachten, wenn man das eigene Gut schützt, das Gut des Nächsten nicht begehrt, die dabei das Gebot der wahren Weisheit unbeachtet lassen, das in den Worten ausgesprochen ist: „Wenn du vollkommen sein willst, so gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen; nimm dein Kreuz auf dich und komm und folge mir nach.“2Ich weiß nicht, was jemand dagegen einwenden könnte.3 Aber das eine weiß ich, daß keiner unter uns ist, der nicht allezeit darauf ausgeht, mehr zu bekommen, als er bisher hatte. Und wenn er das will, so handelt er schlechthin im Geiste der Habsucht, die eine Feindin der Gerechtigkeit ist. Ja daher kommt es, daß die Scheunen einiger weniger voll von Getreide sind, der Magen von S. 88 sehr vielen leer bleibt.4 Daher kommt es, daß die Maßpreise für das Volk noch schlimmer sind als der Mangel. Daher kommen Betrug, Falscheid, Raub, Streitigkeiten, Kriege, Tagtäglich geht man mit den Tränen des Nebenmenschen auf Gewinn aus; die Einziehung seiner Güter wird als geschäftliche Tüchtigkeit erklärt; und die Aneignung fremden Eigentums wird unter dem Vorwand der Wahrung eigener Interessen und der Wirtschaftlichkeit mit den pfiffigsten Beweisgründen betrieben, so daß derjenige, der keinen Verteidiger hat oder harmloser Natur ist, seines Eigentums auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen verlustig geht. Und das ist schlimmer als jeder Gewaltakt. Denn das, was mit Gewalt genommen wird, kann man zuweilen wieder zurückbekommen; aber was auf Grund von Anwendung von Gesetzesbestimmungen genommen wird, niemals mehr. Wer es will, mag sich solcher Gerechtigkeit rühmen; aber er soll es wissen, daß der Mensch, der sich mit der Armut des Nebenmenschen bereichert, ärmer ist als der Arme selbst. Wer möchte einen Menschen für gerecht halten, der seinen Vermögensvorteil höher schätzt als die Liebe? Der Motten, Kornwürmer, Würmer füttert, während Menschen Hunger und Blöße leiden? Der sogar das, was er hat, in seinem unglückseligen Geiz nicht nur andern nicht, sondern auch sich selbst nicht gönnt?


  1. Ps. 93,11. ↩

  2. Matth. 19, 21; Mark. 10, 21; Luk. 18, 22. Nach dem Texte der Ballerini: ... Et da pauperibus et tolle crucem tuam et veni et sequere me. Da die letzteren Worte sich an den angeführten Stellen nicht finden, schlägt Giuliari vor: Et da pauperibus et habebis thesaurum in coelis et veni et sequere me. Es liegt wohl eine aus dem Gedächtnis vorgenommene freie Verbindung der obigen Texte mit Matth. 16, 24; Mark. 8, 34; Luk. 9, 23 vor. ↩

  3. Nach Ballerini: De hoc nescio, quid possit quispiam promovere. (Giuliari: permovere.) ↩

  4. Vgl. die Schilderungen bei Ambrosius, De officiis III, 6. ↩

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