Edition
ausblenden
Confessiones
Caput 8
Numquid aliquando aut alicubi iniustum est diligere deum ex toto corde et ex tota anima et ex tota mente, et diligere proximum tamquam te ipsum? itaque flagitia, quae sunt contra naturam, ubique ac semper detestanda atque punienda sunt, qualia Sodomitarum fuerunt. quae si omnes gentes facerent, eodem criminis reatu divina lege tenerentur, quae non sic fecit homines, ut hoc se uterentur modo. violatur quippe ipsa societas, quae cum deo nobis esse debet, cum eadem natura, cuius ille auctor est, libidinis perversitate polluitur. quae autem contra mores hominum sunt flagitia, pro morum diversitate vitanda sunt; ut pactum inter se civitatis aut gentis consuetudine vel lege firmatum nulla civis aut peregrini libidine violetur. turpis enim omnis pars universo suo non congruens. Cum autem deus aliquid contra morem aut pactum quorumlibet iubet, etsi nunquam ibi factum est, faciendum est; et si omissum, instaurandum; et si institutum non erat, instituendum est. si enim regi licet in civitate, cui regnat, iubere aliquid, quod neque ante illum quisquam nec ipse umquam iusserat, et non contra societatem civitatis eius obtemperatur, immo contra societatem non obtemperatur -- generale quippe pactum est societatis humanae oboedire regibus suis -- quanto magis deus regnator universae creaturae, cui ad ea quae iusserit sine dubitatione serviendum est! sicut enim in potestatibus societatis humanae maior potestas minori ad oboediendum praeponitur, ita deus omnibus. Item in facinoribus, ubi libido est nocendi, sive per contumeliam sive per iniuriam, et utrumque vel ulciscendi causa, sicut inimico inimicus, vel adipiscendi alicuius extra conmodi, sicut latro viatori, vel evitandi mali, sicut ei qui timetur, vel invidendo, sicut feliciori miserior aut in aliquo prosperatus ei, quem sibi aequari timet aut aequalem dolet, vel sola voluptate alieni mali, sicut spectatores gladiatorum aut inrisores aut inlusores quorumlibet. haec sunt capita iniquitatis, quae pullulant principandi et spectandi et sentiendi libidine, aut una aut duabus earum, aut simul omnibus, et vivitur male adversus tria et septem, psalterium decem chordarum, decalogum tuum, deus altissime et dulcissime. sed quae flagitia in te, qui non corrumperis? aut quae adversus te facinora, cui noceri non potest? sed hoc vindicas, quod in se homines perpetrant, quia etiam cum in te peccant, inpie faciunt in animas suas, et mentitur iniquitas sibi: sive corrumpendo ac pervertendo naturam suam, quam tu fecisti et ordinasti; vel inmoderate utendo concessis rebus vel in non concessa flagrando in eum usum, qui est contra naturam; aut rei tenentur, animo et verbis saevientes adversus te et adversus stimulum calcitrantes; aut cum diruptis limitibus humanae societatis, laetantur, audaces privatis conciliationibus aut diremptionibus, prout quidque delectaverit aut offenderit. Et ea fiunt, cum tu derelinqueris, fons vitae, qui es unus et verus creator et rector universitatis, et privata superbia diligitur in parte unum falsum. itaque pietate humili reditur in te; et purgas nos a consuetudine mala, et propitius es peccatis confitentium, et exaudis gemitus conpeditorum, et solvis a vinculis, quae nobis fecimus, si iam non erigamus adversus te cornua falsae libertatis, avaritia plus habendi et damno totum amittendi, amplius amando proprium nostrum quam te, omnium bonum.
Übersetzung
ausblenden
Bekenntnisse
8. Von der Sünde.
Ist es etwa irgendwann oder irgendwo unrecht, "Gott zu lieben aus seinem ganzen Herzen, aus seiner ganzen Seele, aus seinem ganzen Gemüte" und "den Nächsten wie sich selbst"?1 Und deshalb sind auch Verbrechen gegen die Natur wie die der Sodomiten immer und überall verabscheuungswürdig und strafbar. Wenn auch alle Völker solche Sünden begingen, alle S. 52 würden doch gleicher Sündenschuld anheimfallen infolge des göttlichen Gesetzes, das die Menschen nicht zu solchem Verkehre geschaffen hat. Es wird ja auch die Gemeinschaft, die uns mit Gott verknüpfen soll, verletzt, wenn eben die Natur, die er geschaffen, durch verkehrte Begierde befleckt wird. Vergehungen aber gegen menschliche Sitten müssen in Anbetracht der Verschiedenheit eben dieser Sitte vermieden werden, damit nicht das feste innere Gefüge einer Stadt oder eines Reiches, das auf Herkommen oder Gesetz beruht, durch irgendeines Bürgers oder Fremden Willkür zerrissen werde. Denn schändlich ist jeder Teil, der sich in Widerspruch zu seinem Ganzen setzt. Wenn aber Gott etwas gegen Sitte oder Herkommen irgendeines Volkes befiehlt, so muß es geschehen, auch wenn es dort noch nie geschehen wäre, es muß erneuert werden, wenn es bisher unterlassen war, und eingeführt, wenn es bisher noch nicht eingeführt war. Denn wenn es einem Könige erlaubt ist, in dem Staate, über den er herrscht, etwas zu befehlen, was vor ihm niemand und er selbst vorher noch niemals befohlen hatte, und wenn der Gehorsam gegen seine Befehle eine Forderung des Staatsrechtes ist, Ungehorsam aber eine Rechtsverletzung bedeutet - erste Forderung jeglichen menschlichen Gemeinschaftslebens ist der Gehorsam gegen das Oberhaupt der Gemeinschaft -, um wieviel mehr muß man sich Gott, dem Beherrscher der ganzen Schöpfung, ohne Bedenken allen seinen Befehlen gegenüber unterwerfen! Wie nämlich in der menschlichen Gesellschaft die höhere Macht der niederen übergeordnet ist und ihr Befehle erteilt, so Gott uns allen.
Dasselbe gilt von den Verbrechen, bei denen die Begierde zu schaden waltet, sei es durch Beschimpfung, sei es durch Tätlichkeit, und zwar entweder aus Rachsucht bei persönlicher Feindschaft, oder um einen äußeren Vorteil zu erreichen, wie bei Räuber und Wandersmann, oder um einem Übel zu entgehen, wie wenn man dem einen Schaden zufügt, den man fürchtet oder aus Neid, wenn der Ärmere den Reicheren beneidet oder der irgendwie Erfolgreiche fürchtet, ein anderer könne ihm gleichkommen, oder es zu seinem Schmerze erfahren muß, daß er ihm schon gleichkommt, oder durch bloße S. 53 Lust an fremdem Leid wie die Zuschauer bei den Gladiatorenkämpfen oder die, die andere verhöhnen und verlachen. Das sind die Hauptsünden, die hervorgehen aus der Hoffart des Lebens, der Augenlust und der Fleischeslust, aus der einen oder aus zweien oder aus allen dreien zugleich; so wird gesündigt gegen die heilige Drei und die heilige Sieben, gegen den zehnsaitigen Psalter deiner zehn Gebote, o höchster und süßester Gott. Doch wie? Kann man dich beleidigen, den kein Leid trifft, Verbrechen gegen dich begehen, der über jede Schädigung erhaben ist? Aber du bestrafst, was die Menschen wider sich verbrechen, weil sie mit der Sünde gegen dich zugleich auch einen Frevel gegen ihre eigenen Seelen begehen, und ihre Bosheit bekriegt sich selbst, indem sie ihre Natur, welche du gebildet und geordnet, verderben und verkehren oder von unerlaubten Dingen einen zügellosen Gebrauch machen oder von Begier nach Unerlaubtem entbrennen, „nach einem Genuß, der wider die Natur ist“2; oder sie sündigen, indem sie in Gedanken und Worten gegen dich wüten und „wider den Stachel ausschlagen“3; oder sie durchbrechen die Schranken menschlicher Gesellschaftsordnung und haben dann in frechem Trotze ihre Freude an Parteitreiben oder Klassenhaß, wie es ihnen gerade gefällt oder mißfällt. Und dies alles geschieht, wenn man dich verläßt, o Quelle alles Lebens, der du der einzige und wahre Schöpfer und Lenker des Weltalls bist, und dafür in selbstsüchtigem Hochmute seine Liebe auf Teile richtet, was doch grundfalsch ist. Daher kehrt man auch nur in demütiger Frömmigkeit zu dir zurück, und dann reinigst du uns von böser Gewohnheit, schenkst deine Gnade denen, die ihre Sünde reuig bekennen, erhörst die Seufzer der Gefesselten und lösest die Ketten, die wir uns selbst geschmiedet haben, wenn wir nicht mehr die Hörner falscher Freiheit gegen dich erheben aus Gier, mehr zu besitzen, wobei wir aber Gefahr laufen, alles zu verlieren, da wir unser eigen Ich mehr lieben als dich, du Gut aller. S. 54