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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Confessiones Bekenntnisse
Neuntes Buch

8. Bekehrung des Evodius. Tod seiner Mutter. Wie diese erzogen worden.

„Du, der du die Einträchtigen in einem Hause wohnen läßt“1, du hast uns auch den Evodius, einen jungen Mann aus unserer Vaterstadt, zugesellt. Er hatte Dienste als geheimer Kurier getan, hatte sich eher als wir zu dir bekehrt und sich taufen lassen; dann hatte er den Dienst des Kaisers verlassen und sich zu deinem gegürtet. Wir S. 200 waren beisammen und wollten in heiligem Entschlusse unser Leben gemeinsam der Frömmigkeit weihen. Wir suchten nach einem Orte, an dem wir zusammen am besten dir dienen könnten: so kehrten wir zusammen nach Afrika zurück. Als wir in Ostia am Tiber waren, starb die Mutter. Vieles übergehe ich, weil ich viel Eile habe. Nimm meine Bekenntnisse und meine Danksagungen entgegen, mein Gott, auch wenn ich so viele Dinge mit Stillschweigen übergehe. Aber nicht will ich mit Stillschweigen übergehen, was sich aus meiner Seele ringt über deine Dienerin, die mich geboren hat dem Fleische nach, damit ich zum irdischen Leben, und im Geiste, damit ich zum geistigen Leben geboren würde. Nicht ihre, sondern deine Gaben in ihr will ich preisen. Denn sie hatte sich ja nicht selbst erschaffen oder erzogen; du hast sie erschaffen, und weder Vater noch Mutter wußten, was aus ihrem Kinde werden würde. Es unterwies sie in deiner Furcht die Zucht Jesu Christi, das Walten deines einzigen Sohnes in einem gläubigen Hause, das ein gutes Glied deiner Kirche war. Doch rühmte sie, was ihre Erziehung betrifft, nicht so sehr die Sorgfalt ihrer Mutter, sondern vielmehr die einer hochbetagten Dienerin, die schon ihren Vater als Kind auf den Armen getragen hatte, wie eben heranwachsende Mädchen kleinere Kinder auf dem Rücken zu tragen pflegen. Aus diesem Grunde wie wegen ihres Alters und ihres vorzüglichen Charakters stand sie in dem christlichen Hause in gebührenden Ehren. Daher hatte man ihr auch die Obhut über die Töchter des Hauses übertragen, die sie ebenso sorgfältig führte; bei ihrer Zurechtweisung wußte sie, wenn es nottat, heilige Strenge und Ernst, bei ihrer Unterweisung weise Besonnenheit anzuwenden. Denn außerhalb der Stunden, wo sie am Tische der Eltern ein mäßiges Mahl einnahmen, ließ sie sie, auch wenn sie heftigen Durst empfanden, nicht einmal Wasser trinken, um übler Gewohnheit vorzubeugen; dann fügte sie gewöhnlich das wahre Wort hinzu: „Jetzt trinket ihr Wasser, weil euch Wein nicht zur Verfügung steht; seid ihr erst einmal verheiratet und Herrinnen über Küche und Keller, werdet ihr das Wasser verachten, aber die Gewohnheit zu trinken wird fortdauern.“ S. 201 Durch solche Art der Belehrung und die Entschiedenheit ihres Befehls zügelte sie die Gier des zarten Alters und gewöhnte die Mädchen, auch im Durste bescheiden Maß zu halten, daß sie kein Verlangen nach dem empfanden, was sich nicht ziemte.

Und dennoch hatte sich bei meiner Mutter, deiner Dienerin, wie sie mir erzählte, Lust am Weintrinken eingestellt. Denn als sie, noch ein nüchternes Mädchen, von ihren Eltern der Sitte gemäß den Befehl erhielt, Wein aus dem Fasse zu holen, schlürfte sie, bevor sie den Wein in die Flasche goß, aus der Schöpfkelle mit gespitzten Lippen ein wenig Wein; mehr konnte sie nicht, denn es widerstrebte ihr. Auch tat sie es nicht aus Trunksucht, sondern aus jugendlichem Übermut, der sich in allerhand kindischen Streichen Luft macht und nur von Erwachsenen niedergehalten werden kann. Doch da sie zu dem geringen Quantum täglich ein geringes Quantum hinzufügte, so war es ihr - „wer Kleinigkeiten verachtet, kommt allmählich zu Fall“2 - so zur Gewohnheit geworden, daß sie nun schon fast volle Gläser gierig austrank. Wo war da jene kluge Alte und ihr strenges Verbot? Hätte sie etwas gegen das schleichende Laster vermocht, wenn deine heilende Hilfe, o Herr, nicht über uns wachte? Denn als Vater und Mutter und Erzieher nicht zugegen waren, warst du zugegen; du hast uns geschaffen, du berufst uns und wirkst auch durch verkehrte Menschen etwas Gutes zum Heile der Seele. Was hast du damals getan, mein Gott? Woher ihr Heilung verschafft? Woher Gesundung? Hast du nicht nach dem geheimnisvollen Ratschluß deiner Vorsehung ein spitzes, scharfes Scheltwort aus der Seele einer andern zu dem Messer der Heilung gemacht und mit einem Schnitte jene Fäulnis weggeschnitten? Die Magd nämlich, die mit ihr gewöhnlich zum Faß ging, geriet mit ihrer jungen Herrin unter vier Augen in Streit, wie es so vorkommt, warf ihr ihr Vergehen vor und schalt sie beleidigend eine Weinsäuferin. Dieser Stachel traf; sie ging in sich, verdammte sofort ihren häßlichen Fehler und legte ihn ab. S. 202 Wie oft schmeichelnde Freunde verderben, so bessern uns oft schmähende Feinde. Du aber vergiltst ihnen nicht nach dem, was du durch sie tust sondern nach dem, was sie beabsichtigen. Denn jene Magd wollte im Zorne ihre junge Herrin reizen, nicht etwa von ihrem Fehler heilen, und zwar heimlich, entweder weil Ort und Zeit des Streites es so mit sich brachten oder weil sie durch eine späte Anzeige sich selbst in ein schiefes Licht gebracht hätte. Aber du, o Herr, du Lenker des Himmels und der Erde, der du zu deinen Zwecken aufregst die Gewässer der Tiefe und ordnest den stürmischen Lauf der Zeiten, du hast auch die Seele dieser durch die Seelenkrankheit einer anderen geheilt; und niemand, der es hört, soll es seiner Macht zuschreiben, wenn sein Wort den bessert, den er bessern will.


  1. Ps. 67,7. ↩

  2. Sir. 19,1. ↩

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