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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Confessiones Bekenntnisse
Zehntes Buch

37. Vom Eindrucke, den Menschenlob auf ihn macht.

Versuchungen dieser Art, o Herr, stellen uns täglich, stellen uns unaufhörlich auf die Probe. Der tägliche Prüfungsofen für uns ist die menschliche Zunge. Du verlangst von uns auch in ihrem Bereiche Enthaltsamkeit: gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst. Du kennst in dieser Beziehung das Seufzen meines Herzens zu dir und die Tränenströme meiner Augen. Ich selber vermag gar nicht leicht einzusehen, in welchem Grade ich von jener Pest rein geworden, und fürchte gar sehr meine verborgenen Sünden, die deine Augen kennen, die meinen aber nicht. Denn in allen anderen Versuchungen ist die Möglichkeit vorhanden, mich zu erforschen, bei dieser aber kann ich es fast gar nicht. Denn wieweit ich es gebracht habe in der Kraft, meinen Geist von Fleischeslust und überflüssiger Wißbegierde zurückzuhalten, wird mir deutlich, wenn ich frei davon bin, sei es infolge meines Willens oder ihrer Abwesenheit. Denn dann frage ich mich, ob mir die Entbehrung mehr oder minder beschwerlich als früher fällt. Was aber die Reichtümer anbetrifft, die man deshalb erstrebt, daß man mit ihnen allen drei Leidenschaften oder zweien davon oder auch nur einer frönen könne, so können sie S. 261 ja aufgegeben werden, wenn der Geist anders nicht wahrnehmen kann, ob er ihren Besitz verachtet, damit er sich prüfe, Was aber müßten wir tun, um zu erproben, ob wir des Lobes entbehren könnten? Etwa ein so schlechtes, so verdorbenes, so verruchtes Leben führen, daß jeder, der uns kennt, sich mit Abscheu von uns wegwendet? Könnte man größeren Wahnsinn aussprechen oder erdenken? Wenn dagegen das Lob der Begleiter eines guten Lebens und guter Werke zu sein pflegt, ja sein muß, so soll man ebensowenig wie auf das gute Leben auch auf die Begleitung selbst verzichten. Und doch erkenne ich, ob ich etwas gleichmütig oder ungern entbehre, nur dann, wenn es nicht vorhanden ist.

Was also soll ich dir, o Herr, von Versuchungen solcher Art bekennen? Soll ich leugnen, daß Lobsprüche mich erfreuen? Nein; aber mehr als das Lob erfreut mich die Wahrheit. Denn wenn man mir die Wahl ließe, ob ich lieber von allen Menschen wegen meiner Leidenschaften oder vielfachen Irrtümer gelobt oder wegen meiner Entschiedenheit und meines unentwegten Festhaltens an der Wahrheit getadelt werden wollte ich wüßte, was ich wählen würde. Ich würde ja gern darauf verzichten, daß Beifall aus fremdem Munde die Freude am Guten, die ich selbst in mir empfinde, noch vermehrt; aber er vermehrt sie, ich gestehe es, ja noch mehr, Tadel stimmt sie herab. Und drückt mich nun diese meine Armseligkeit danieder, so schleicht sich sofort mir eine Entschuldigung ein; du, Herr, kennst ihren Wert, mich läßt sie im Zweifel. Denn weil du uns nicht nur Enthaltsamkeit geboten, d. h. uns befohlen hast, von welchen Dingen wir unsere Liebe fernhalten sollen, sondern auch Gerechtigkeit, d. h. uns hingewiesen hast, auf welche Dinge wir unsere Liebe übertragen sollen, und weil du ferner willst, daß wir nicht nur dich allein, sondern auch unseren Nächsten lieben, so scheint es mir gar oft, daß ich mich über den Fortschritt oder die Hoffnung des Nächsten freue, während mich nur sein einsichtiges Lob erfreut, oder ich glaube, daß mich sein Unrecht betrübt, wenn ich etwas tadeln höre, was er nicht versteht oder was in Wahrheit gut ist. Denn mitunter betrübt mich auch das mir gespendete Lob, wenn S. 263 an mir gelobt wird, worin ich selbst mir mißfalle, oder wenn man unbedeutende und geringe Vorzüge höher als billig schätzt. Aber wiederum frage ich: woher weiß ich, ob meine Gesinnung nicht darin ihren Grund hat, weil ich nicht will, daß der, der mich lobt, anderer Meinung ist über mich selbst, aber nicht, weil mir sein Nutzen am Herzen liegt, sondern weil mir das Gute, was mir an mir gefällt, noch mehr Freude macht, wenn es auch einem anderen gefällt? Denn gewissermaßen werde ich nicht gelobt, wenn mein Urteil über mich nicht gelobt wird, wenn man nämlich entweder das lobt, was mir mißfällt, oder in höherem Maße, was mir nur mäßig gefällt. Bin ich mir also hierüber nicht im Zweifel?

Sieh, in dir, o Wahrheit, sehe ich, daß mich die mir gespendeten Lobsprüche nicht meinetwegen, sondern wegen des Nutzens des Nächsten bewegen sollen. Ob das aber bei mir der Fall ist, weiß ich nicht. Hierin kenne ich mich weniger als du. Ich beschwöre dich, o mein Gott, offenbare mich mir selbst, damit ich meinen Brüdern, die für mich beten wollen, die Wunden bekenne, die ich an mir vorfinde. Noch einmal und mit noch größerer Sorgfalt will ich mich fragen: Wenn ich bei dem mir gespendeten Lobe das Wohl des Nächsten im Auge habe, warum macht es denn weniger Eindruck auf mich, wenn ein anderer mit Unrecht getadelt wird als wenn dies mir geschieht? Warum nagt die Schmähung mehr an mir, die mir zugefügt wird, als wenn sie in meiner Gegenwart ebenso ungerecht einen anderen trifft? Oder weiß ich etwa auch dieses nicht? Betrüge ich mich etwa letzten Endes gar selbst und übe vor dir keine Wahrheit, weder im Herzen noch mit der Zunge? Solchen Unverstand halte fern von mir, o Herr, „damit mein Mund mir nicht des Sünders Öl sei, mein Haupt damit zu salben“1.


  1. Ps. 140,5. ↩

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