II. 3.
Ich muß also schließen, daß du mir absichtlich in beleidigender Weise hast antworten wollen, wenn du sichere Beweise hättest, daß jener Brief von mir herrühre. So erübrigt also auch nur — denn ich glaube nicht, daß du mich ohne Grund beleidigen wolltest —, daß ich meine Schuld erkenne, daß ich nämlich dich mit jenem Briefe beleidigt habe, der, wie ich eingestehen muß, von mir ist. Warum soll ich also gegen den Strom schwimmen, warum dich nicht vielmehr um Verzeihung bitten? „Ich beschwöre dich also bei der Sanftmut Christi“1, mir zu verzeihen, wenn ich dich beleidigt habe, und mir nicht durch gegenseitige Beleidigung Böses mit Bösem zu vergelten. Eine Beleidigung aber wird es für mich sein, wenn du mir meinen Fehler, mag ich ihn nun in Worten oder Werken begangen haben, nicht vorhältst. Denn wolltest du an mir tadeln, was keinen Tadel verdient, so würdest du dadurch mehr dich als mich beleidigen. Ferne aber bleibe es deinem S. 266 Charakter und deinem heiligen Streben, daß du in beleidigender Absicht etwas an mir mit boshafter Zunge rügst, was nach deiner innersten Überzeugung nicht tadelnswert ist. Tadle also entweder in wohlwollender Gesinnung, wenn auch der, den du für tadelnswert hältst, ohne Schuld ist, oder beruhige den mit väterlicher Liebe, den du doch nicht von dir forttreiben kannst. Es ist ja möglich, daß etwas dir anders vorkommt, als es sich in Wahrheit verhält, und trotzdem deine Handlungen in Harmonie mit der christlichen Liebe sind. Ich werde deinen freundschaftlichen Tadel mit größtem Dank annehmen, wenn auch keinen Tadel verdient, was mit guten Gründen verteidigt werden kann. Im anderen Falle aber2 werde ich sowohl deine Güte als meine Schuld erkennen; soweit der Herr hierzu die Gnade verleiht, werde ich dort als dankbar, hier als belehrt mich erweisen.