6.
Doch sollst du nicht dem Irrtume erliegen, daß die von Adam ererbte Verschuldung nur gelöst werden könne, wenn die Kinder von den Eltern zum Empfang der Gnade Christi gebracht werden. Denn du schreibst: „Wie die Eltern die Schuld tragen an ihrer Strafe, so sollen die Kinder auch ebenso durch den Glauben der Eltern gerechtfertigt werden.“ Aber du siehst doch, daß viele nicht von ihren Eltern, sondern von irgendeinem Fremden zur Taufe gebracht werden, wie zum Beispiel Sklavenkinder von den Herren ihrer Eltern. Und mitunter werden die Kinder nach dem Tode ihrer Eltern von jenen zur Taufe gebracht, die gerade imstande waren, ihnen eine solche Barmherzigkeit zu erweisen. Bisweilen werden auch Kinder, die von ihren Eltern herzlos ausgesetzt wurden, damit sich irgend jemand ihrer annehme, von gottgeweihten Jungfrauen aufgelesen und zur Taufe gebracht; diese haben sicherlich keine eigenen Kinder und wollen auch keine haben1. S. 401 Du siehst also, daß es hier nicht anders zugeht als im Evangelium, wo auf die Frage des Herrn, wer der Nächste des von den Räubern verwundeten und halbtot am Wege Verlassenen gewesen sei, geantwortet wurde: „Der, der Barmherzigkeit an ihm geübt hat“2.
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Wie man aus dem ganzen Briefe, vorzüglich aber aus dieser Stelle ersieht, war wenigstens zur Zeit des hl. Augustinus das Institut der Taufpaten noch keineswegs ausgebildet, jedoch bereits im Entstehen begriffen. Für gewöhnlich brachten die Eltern ihre Kinder selbst zur Taufe und legten in ihrem Namen das Taufgelübde ab. ↩
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Luk. 10, 37. ↩