V. 16.
Wir verstehen nicht, was ihr hinsichtlich der Traditoren behauptet, die ihr niemals überführen, denen ihr nie etwas nachweisen konntet. Ich will nicht davon reden, daß vielmehr eure Leute offenbar dieses Verbrechens für schuldig erfunden wurden und es auch eingestanden haben. Was geht uns die Last an, die ein anderer sich aufgeladen hat? Freilich, wo es möglich ist, möchten wir solche auf bessere Wege bringen, durch Zurechtweisung oder irgendein anderes Mittel, im Geiste der Sanftmut und mit der Sorgfalt der Liebe. Wo dies aber nicht möglich ist, da wollen wir, auch wenn die Notwendigkeit es erfordert, daß sie zum Heile der übrigen an den heiligen Sakramenten mit uns teilnehmen, doch an ihren Sünden keinen Anteil haben. Dies geschieht aber nur, wenn man zu ihnen sein Einverständnis gibt und sie begünstigt. Wir dulden sie also so in dieser Welt, die der Herr seinen Acker nennt und auf der die katholische Kirche bei allen Völkern verbreitet ist, wie man etwa das Unkraut unter dem Weizen oder die mit Getreide auf der Tenne der Einheit vermischte Spreu oder die in dem Netze des Wortes und des Sakramentes zugleich mit den guten Fischen eingeschlossenen schlechten Fische bis zur Zeit der Ernte, der Säuberung der Tenne oder der am Ufer zu vollziehenden Entleerung des Netzes duldet. Wir könnten sonst um ihretwillen auch den Weizen ausreißen oder gute Körner vor der Zeit aus der Tenne entfernen und so nicht dasjenige reinigen, was in die Scheune gebracht werden soll, sondern es den Vögeln zum Fräße vorwerfen; wir könnten S. 420 durch Spaltungen das Netz zerreißen und so im Bestreben, uns der schlechten Fische zu entledigen, in das Meer einer gefährlichen Zügellosigkeit hinaustreiben. Darum hat der Herr durch diese und ähnliche Gleichnisse die Duldsamkeit seiner Diener bestätigt, damit sie nicht in der Meinung, es könnten die Guten durch die Vermischung mit den Bösen sich eine Schuld zuziehen, aus menschlichen Rücksichten und unzulänglichen Gründen Spaltungen veranlassen, infolge deren die Schwachen zugrunde gehen oder zugrunde gerichtet werden. Wie sehr dies zu vermeiden ist, hat der göttliche Meister schon im voraus gezeigt, indem er das Volk hinsichtlich schlechter Vorgesetzten beruhigte und mahnte, daß niemand um ihretwillen sich vom Lehrstuhle des wahren Glaubens abwenden solle, weil er auch die Bösen zu guter Lehre zwingt. Denn nicht ihr Eigentum ist es, was sie aussprechen, sondern Gottes Wort, der die Lehre der Wahrheit an den Lehrstuhl der Einheit gebunden hat1. Darum sagt jener Wahrhafte, der die Wahrheit selbst ist, von den Vorgesetzten, die das ihnen eigene Böse tun und das von Gott stammende Gute aussprechen: „Was sie sagen, tuet; was sie aber tun, das tuet nicht; denn sie sagen nur, tun aber nicht“2. Er würde nicht sagen: „Was sie tun, das tuet nicht“, wenn es nicht offenbar Böses wäre, was sie tun.