5.
Ich weiß freilich, was du hierauf antworten könntest. Du könntest sagen: „Du sprichst so, als ob ich von dir einen weitläufigen Lobesbrief gewünscht hätte.“ Bei Gott, daran habe ich nicht gedacht! Aber dein Brief, der so überfließt von meinem Lobe — ich lasse dahingestellt, ob von wahrem oder falschem Lobe —, hat mich aufgefordert, dich auch gegen deinen Willen zu tadeln. Denn wenn du gewollt hast, daß ich etwas anderes schreibe, so trugst du Verlangen, daß ich dir etwas schenke, nicht aber, daß ich meine Schuld bezahle. Die Ordnung der Gerechtigkeit aber erfordert, daß wir zuerst die Schuld bezahlen und erst dann dem, dem wir eine Schuld erstatten mußten, etwas schenken, wofern uns das beliebt. Denn obwohl du gewünscht hast, daß ich dir so schreibe, wie es mir gerade aus dem Herzen kommt, so ist es doch bei genauerer Erwägung der Gebote des Herrn mehr eine Wiedererstattung als ein Geschenk, da wir niemandem etwas schulden sollen außer der gegenseitigen Liebe. Denn gerade die Liebe erfordert es als pflichtmäßige Dienstleistung, daß wir im Dienste der brüderlichen Liebe denjenigen nach Kräften unterstützen, der auf die rechte Weise von uns unterstützt sein will. Aber, mein Bruder, du wirst wohl auch wissen, wie viele Arbeiten ich unter den Händen habe, für die mir wegen der verschiedenen Sorgen, die unser Amt notwendig mit sich bringt, nur sehr spärliche Zeittröpflein zufließen. Wollte ich nun diese anderen Dingen zuwenden, so würde mir dies als Pflichtverletzung erscheinen.