38. Kapitel: Die Wissenschaft der Mathematik stammt nicht aus menschlicher Erfindung, sondern von der Natur der Dinge und wurde von den Menschen nur aufgefunden
56. Daß die Wissenschaft der Mathematik von den Menschen nicht selbst erfunden, sondern von ihnen nur entdeckt und aufgefunden worden ist, das sieht der größte Schwachkopf ein. Die erste Silbe des Wortes „Italien“, welche die Alten noch kurz aussprachen, wurde einfach deshalb lang, weil es eben (der Dichter) Vergil so wollte: [nicht so bei der Mathematik]. Denn beim besten Willen kann niemand machen, daß dreimal drei nicht neun sei, oder daß es kein Quadrat sei, oder daß es im Verhältnis zur Dreizahl nicht das Dreifache, im Verhältnis zur Sechszahl nicht das Einundeinhalbfache sei, oder daß es nicht von einer (ganzen) Zahl das Doppelte sei, weil ja die ungeraden Zahlen keine (gerade) Hälfte haben. Ob man nun die Zahlen an sich (arithmetisch) betrachtet oder ob man sie auf die Gesetze der Geometrie, der Töne oder anderer Bewegungen anwendet: immer haben sie unveränderliche Gesetze, die nicht von Menschen erfunden, sondern nur durch den Scharfsinn heller Köpfe gefunden worden sind. \<ergänzt!>
57. Gar mancher hat an all diesen Dingen so sehr seine Freude gewonnen, daß er unter unerfahrenen Menschen mit seinem Wissen prahlen will, statt daß er lieber untersuchte, woher denn das Wahre stammt, das er nur als wahr fühlt, und woher denn das, was er als unveränderlich begreift, nicht bloß wahr, sondern auch unveränderlich ist. Wenn er nun so von der Körpergestalt zum Menschengeist aufsteigt und dann sieht, daß auch dieser veränderlich ist, weil er bald gelehrt, bald ungelehrt zwischen die unveränderliche Wahrheit über S. 101ihm und all die anderen veränderlichen Dinge unter ihm gestellt ist, dann muß er alles auf die Ehre und Liebe des einen Gottes beziehen, den er als Urheber aller Dinge kennt. (Tut er das nicht,) dann mag er zwar als gelehrt erscheinen, weise kann er aber keineswegs sein.