6.
Aber was sollen die Worte bedeuten: „Denn noch war der Geist nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“? Der Sinn ist klar. Denn nicht war der Geist Gottes der nicht, der bei Gott war; aber er war noch nicht in denjenigen, welche an Jesus geglaubt hatten. Denn so verfügte es der Herr Jesus, ihnen den Geist, von dem wir sprechen, erst nach der Auferstehung zu geben, und zwar nicht ohne Grund. Und vielleicht wird er, wenn wir suchen, gewähren, daß wir es finden, und wenn wir klopfen, öffnen, daß wir eintreten. Die Frömmigkeit klopft, nicht die Hand, wiewohl auch die Hand klopft, wenn sie von den Werken der Barmherzigkeit nicht abläßt. Was ist also der Grund, warum der Herr Jesus Christus beschloß, erst nach seiner Verherrlichung den Heiligen Geist zu geben? Bevor wir das, so gut wir können, sagen, ist zur Beseitigung eines jeden Bedenkens zu untersuchen, wie denn der Geist in den heiligen Menschen nicht gegeben war, da doch von dem neugeborenen Herrn selbst im Evangelium zu lesen ist, es habe ihn Simon im Heiligen Geiste erkannt, es habe ihn auch die Witwe Anna, die Prophetin erkannt1, es habe ihn Johannes selbst erkannt, der ihn taufte2; vom Heiligen Geiste erfüllt, hat Zacharias vieles gesagt3; den Heiligen Geist bekam auch Maria, um den Herrn zu empfangen4. Wir haben also viele vorausgehende Anzeichen des Heiligen Geistes, ehe der Herr in der Auferstehung seines Fleisches verherrlicht wurde. Denn nicht einen andern Geist hatten auch die Propheten, welche den kommenden Christus vorausverkündeten. Allein ein gewisses Maß dieser Verleihung sollte eintreten, das sich früher auf keinen Fall gezeigt hatte; S. 509 davon ist hier die Rede. Denn nirgends liest man früher, daß Menschen versammelt waren, den Heiligen Geist empfingen und in den Sprachen aller Völker redeten. Nach seiner Auferstehung aber, da er zum ersten Male seinen Jüngern erschien, sprach er zu ihnen: „Empfanget den Heiligen Geist“. Von diesem also heißt es: „Noch war der Geist nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“. „Und er hauchte in ihr Angesicht“5, der da durch einen Hauch den ersten Menschen ins Leben rief und vom Staube erhob, ein Hauch, durch den er den Gliedern die Seele gab6. Er deutete dadurch an, er sei es, der in ihr Angesicht hauchte, damit sie vom Schmutze sich erheben und den schmutzigen Werken entsagen sollten. Da erst, nach seiner Auferstehung, die der Evangelist Verherrlichung nennt, gab der Herr seinen Jüngern den Heiligen Geist. Nachdem er dann vierzig Tage mit ihnen verkehrt hatte, wie die Apostelgeschichte zeigt, fuhr er in den Himmel auf, was die Apostel sahen und als Augenzeugen berichteten7. Nach Verlauf von zehn Tagen sandte er am Pfingstfeste von oben her den Heiligen Geist. Und nachdem die an einem Orte Versammelten, wie gesagt, denselben empfangen hatten, redeten sie, von ihm erfüllt, in den Sprachen aller Völker8.