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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Tractatus in Euangelium Iohannis Vorträge über das Johannes-Evangelium (BKV)
65. Vortrag

1.

Der Herr Jesus beteuert, er gebe seinen Jüngern ein neues Gebot, daß sie einander lieben. „Ein neues Gebot“, sagt er, „gebe ich euch, daß ihr einander liebet“. Bestand dieses Gebot nicht schon im alten Gesetze, wo geschrieben steht: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“?1 Warum also wird vom Herrn neu genannt, was sich als so alt erweist? Oder ist es deshalb ein neues Gebot, weil er uns den alten Menschen auszog und den neuen anzog? Es erneuert nämlich den Hörenden oder vielmehr den Gehorchenden zwar nicht jede, aber doch die Liebe, welche der Herr von der fleischlichen Liebe unterschied, indem er beifügte: „Wie ich euch geliebt habe“. Denn es lieben einander die Gatten und Gattinnen, die Eltern und Kinder, und was immer für eine andere menschliche Beziehung die Menschen miteinander verbindet, nicht zu reden von der schuldbaren und verdammungswürdigen Liebe, womit Ehebrecher und Ehebrecherinnen, Hurer und Huren einander lieben, und welche sonst noch nicht durch ein menschenwürdiges Band, sondern durch eine sträfliche Unsitte des menschlichen Lebens zusammengehalten werden. Ein neues Gebot also hat uns Christus gegeben, daß wir einander lieben, wie auch er uns geliebt hat. Diese Liebe erneuert uns, so daß wir neue Menschen sind, Erben des Neuen Bundes, Sänger des neuen Liedes. Diese Liebe, teuerste Brüder, hat ehemals auch die alten Gerechten, die Patriarchen und Propheten, S. 840 wie später die seligen Apostel erneuert; sie erneuert auch jetzt die Heiden und erzeugt und sammelt aus dem gesamten, über den ganzen Erdkreis verbreiteten Menschengeschlechte ein neues Volk, den Leib der neuerwählten Braut des eingeborenen Sohnes Gottes, von der es im Hohen Liede heißt: „Wer ist die, welche da weißschimmernd heraufsteigt?“2. Weißschimmernd nämlich, weil erneuert; wodurch sonst als durch das neue Gebot? Darum sind die Glieder in ihr füreinander besorgt, und wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied verherrlicht wird, freuen sich alle Glieder3. Denn sie hören und beobachten: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet“, nicht wie die sich lieben, die einander verderben, noch auch wie die Menschen sich lieben, weil sie Menschen sind, sondern wie sie sich lieben, weil „sie Götter sind und Söhne des Höchsten alle“4, damit sie Brüder seines eingeborenen Sohnes seien, indem sie einander mit jener Liebe lieben, womit er sie selbst geliebt hat, um sie hinzuführen zu jenem Ziele, das ihnen genüge, wo „ihr Verlangen mit Gütern gesättigt werden soll“5. Denn dann wird dem Verlangen nichts mangeln, wenn Gott alles in allem sein wird6. Dieses Ziel hat kein Ende. Niemand stirbt dort, wo niemand hinkommt, der nicht dieser Welt stirbt, nicht im Sinne des allgemeinen Todes, durch den die Seele den Leib verläßt, sondern im Sinne des Todes der Auserwählten, der auch beim Verweilen im sterblichen Fleische das Herz nach oben richtet. Von diesem Tode sagt der Apostel: „Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen“7. Deshalb heißt es vielleicht: „Die Liebe ist stark wie der Tod“8. Durch diese Liebe nämlich wird bewirkt, daß wir, noch in diesem vergänglichen Leibe weilend, dieser Welt sterben, und unser Leben mit Christus in Gott verborgen ist, ja diese Liebe selbst ist unser Tod für die Welt und für das Leben mit Gott. Denn wenn die Trennung der S. 841 Seele vom Leibe der Tod ist, wie soll die Loslösung unserer Liebe von der Welt kein Tod sein? Stark also wie der Tod ist die Liebe. Was ist stärker als sie, durch welche die Welt überwunden wird?


  1. Lev. 19, 18. ↩

  2. Hohesl. 8, 5; nach Sept. ↩

  3. 1 Kor. 12, 25 f. ↩

  4. Ps. 81, 6 [hebr. Ps. 82, 6]. ↩

  5. Ps. 102, 5 [hebr. Ps. 103, 5]. ↩

  6. 1 Kor. 15, 28. ↩

  7. Kol. 3, 3. ↩

  8. Hohesl. 8, 6. ↩

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Übersetzungen dieses Werks
Vorträge über das Johannes-Evangelium (BKV)

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