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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De catechizandis rudibus

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Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)

8. Kapitel

12. Nachdrücklich muß ich dich aber auf folgende Tatsache hinweisen: Wenn ein in den freien Wissenschaften Gebildeter in deinen Einführungsunterricht kommt, der sich schon fest entschlossen hat, Christ zu werden, der also nur noch kommt, um diesen Schritt zu vollziehen, wird er mit größter Sicherheit große Teile unserer biblischen Bücher und unseres kirchlichen Schrifttums bereits kennen, und – ausgerüstet mit diesen Kenntnissen – nur gerade erscheinen, um an den Aufnahmezeremonien teilzunehmen.1 Leute dieser Art pflegen nämlich nicht erst in der Stunde, in der sie Christen werden, sondern schon vorher alle Fragen sorgsam zu prüfen und ihre innern Beweggründe mit möglichst vielen Gesprächspartnern gemeinsam zu erörtern. Bei ihnen sollte man sich also kurz fassen, ihnen nicht pedantisch eintrichtern wollen, was sie bereits wissen, sondern dies nur behutsam streifen, etwa mit den Worten, daß sie das und das vermutlich schon wissen. Auf diese Weise zählen wir im Vorbeigehen alles auf, was wir den Ungeschulten und Ungebildeten mühsam einprägen müssen. So bekommt jener Gebildete nicht im Schulmeisterton zu hören, was er bereits weiß; falls er aber etwas noch nicht kennt, kann er es zur Kenntnis nehmen, während wir es ihm als sicher bekannt kurz erwähnen. Gewiß ist es nicht unnütz, auch ihn nach den Beweggründen zu fragen, die in ihm den Willen aufkommen ließen, Christ zu sein. Wenn du den Eindruck gewinnst, daß er von den kanonischen Büchern oder auch von Werken empfehlenswerter kirchlicher Autoren dazu veranlaßt wurde, sprich zuerst kurz von diesen Büchern, lobe sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Vorzüge, einerseits wegen ihrer kanonischen S. 32 Autorität, andererseits wegen des Scharfsinns und der Sorgfalt ihrer Verfasser. Bei den kanonischen Schriften weise besonders darauf hin, wie hier ein Inhalt von bewundernswerter Tiefe in einen bescheidenen Stil eingekleidet ist, der aber für das Heil sehr förderlich ist; bei jenen anderen Schriften lege das Hauptaugenmerk auf den wohlklingenden, gleichsam gedrechselten Sprachstil, der sich – je nach Fähigkeit des einzelnen Schriftstellers – besonders für Personen eignet, die stolz auf ihre Bildung sind und gerade deswegen dafür eine Schwäche haben. Auf jeden Fall müssen wir den Zuhörer auch dazu bringen, uns seinen bevorzugten Autor anzugeben, uns zu sagen, mit welchen Werken er sich besonders tief beschäftigte, die dann in ihm den Willen aufkommen ließen, sich der Kirche anzuschließen. Wenn er darauf geantwortet hat, wollen wir ihm freudig Anerkennung aussprechen, falls uns jene Werke bekannt sind oder wir wenigstens aus herrschender kirchlicher Meinung wissen, daß sie von einem katholischen2 und namhaften Autor verfaßt wurden. Falls er aber auf die Schriften eines Häretikers gestoßen ist und – vielleicht ohne es zu wissen – etwas in seinem Herzen aufgenommen hat, was der wahre Glaube nicht billigt, und wenn er nun meint, dies sei katholische Lehre, dann müssen wir ihn gründlich darüber belehren, indem wir uns auf die Autorität der Gesamtkirche berufen und auf diejenige einzelner hochgelehrter Männer, die mit ihren Disputationen und Schriften3 in der vollen kirchlichen Wahrheit stehen. Indes boten selbst jene Autoren, die als Katholiken aus diesem Leben schieden und der Nachwelt Bedeutendes an christlichem Schrifttum hinterlassen haben, Angebern und Großtuern an nicht wenigen Stellen in ihren Werken Anlaß, eine Häresie abzuleiten und in Umgang zu setzen, sei es, daß sie S. 33 falsch interpretiert wurden, sei es – wie die menschliche Schwäche es nun einmal mit sich bringt –, daß ihre eigene Geistesschärfe nicht ausreichte, in tiefere Schichten der Wahrheit einzudringen, und daß sie durch den Schein der Wahrheit von der Wahrheit abgelenkt wurden.4 Darüber braucht man sich nicht zu verwundern, haben doch viele sogar aus den kanonischen Schriften, wo doch alles in höchst gesunder Klarheit formuliert ist, zahlreiche verderbliche Glaubenssätze hergeleitet und damit die Einheit der Kirchengemeinschaft zerstört; ich spreche hier nicht von jenen Erklären, die bei einzelnen Stellen der Hl. Schrift den Sinn, den der Autor hineinlegte, mißverstanden oder gar die zugrundeliegende Wahrheit5 – wenn es bloß das wäre, wer würde nicht gern nachsichtig sein gegenüber der menschlichen Schwachheit, wenn sie bereit ist, sich belehren zu lassen? – gemeint sind vielmehr jene Leute, die ihre verdorbenen und verdrehten Meinungen in unerbittlichem Starrsinn und hartnäckiger Überheblichkeit verteidigen.

Mit einem solchen Hörer, der nicht als »Ungebildeter«, sondern als Mann mit erlesener Bildung, die er aus den Werken der Gelehrten gewonnen hat, sich der Gemeinschaft des christlichen Volkes anschließen will, sind alle diese Fragen in der Form eines vorsichtigen Gesprächs zu behandeln. Die Lehrautorität, die ihn vor den Irrwegen der Selbstüberhebung bewahren soll, wollen wir nur so weit in Anspruch nehmen, als es seine Demut, die ihn hierherführte, nach unserem Empfinden bereits jetzt zuläßt.

Alles übrige aber, was wir zum Thema »Glauben« darzustellen S. 34 und zu erörtern haben oder zum Thema »Lebensführung« oder zum Thema »Versuchungen«, wollen wir in der oben genannten Weise nur kurz streifen und es nach der Richtschnur der Heilslehre 6auf jenen Weg ausrichten, der das alles weit überragt.7


  1. Durch die Aufnahmezeremonien wird man Christ (catechumenus christianus), aber noch nicht Vollmitglied der Kirche (fidelis christianus). ↩

  2. Catholicus meint hier und im folgenden : rechtgläubig sein, zur weltumspannenden Kirche gehören. ↩

  3. Es ist nicht klar, ob mit disputationibus et scriptionibus kontrovers- theologische Schriften und theologische Traktate oder mündliche und schriftliche Äußerungen gemeint sind. ↩

  4. Wahrscheinlich eine Anspielung auf Origenes, der um 400 verurteilt wird. Vgl. Brief des Consentius an Augustinus Ep. 12,11 ; dazu: N. Brox*, Consentius über Origenes: VigChr 36 (1982) 141-144. ↩

  5. Augustinus diskutiert die Unterscheidung voluntas auctoris (die vom Schriftsteller gemeinte Textwahrheit, die durch Exegese annähernd eruiert werden kann) und veritas (die den Text trägt, letztlich Gott, und die vom Buchstaben nie voll eingefangen werden kann) in den Büchern 12 und 13 der Konfessionen. ↩

  6. Vgl. 1 Tim 1,10; 2 Tim 4,3; Tit 1,9 und 2,1. ↩

  7. Vgl. 1 Kor 12,31. ↩

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Vom ersten katechetischen Unterricht (BKV)

8. Kapitel: Wie die Katechese für gebildete Taufbewerber einzurichten sei

12. Folgendes darf aber ja nicht übersehen werden: wenn ein Mann von wissenschaftlicher Bildung, der sich S. 250entschlossen hat, ein Christ zu werden, in deinen Unterricht kommt, um seinen Entschluß in die Tat umzusetzen, so ist das der heikelste Punkt, daß solche Leute schon das eine oder andere aus unseren Schriften und unserer Literatur kennen und es ihnen bei ihrer Kenntnis nur noch um Zulassung zu den Sakramenten zu tun ist. Solche Menschen pflegen nämlich nicht erst in dem Augenblick, wo sie Christ werden, sondern schon vorher alles ernstlich zu untersuchen und sich über das, was ihnen Herz und Sinn bewegt, mit anderen gründlich auszusprechen. Bei ihnen muß man sich darum kurz fassen und darf ihnen nicht zudringlich einzuprägen suchen, was sie bereits kennen, sondern man muß ihnen mit zurückhaltender Mäßigung einfach mitteilen, dieses und jenes sei, wie sie ja schon wüßten, unsere Glaubenslehre; so zählt man dann nur rasch all das auf, was man bei noch gar nicht eingeweihten und ungebildeten Leuten weitläufig erörtern muß: so bekommt dann der Gebildete das, was er schon weiß, nicht erst wie von seinem Meister zu hören, das aber, was er noch nicht weiß, lernt er doch auch kennen, weil wir es in der Voraussetzung, er habe schon Kenntnis davon, [wenigstens flüchtig] erwähnen. Aber auch bei einem solchen Kandidaten ist die Frage nach den Beweggründen seiner Bekehrung zum Christentum nicht unangebracht: sieht man, daß er durch die Lektüre, sei es der kanonischen Schriften oder anderer guter Abhandlungen, dazu veranlaßt worden ist, so kann man zu Beginn über diese Bücher etwas Rühmliches sagen, wie sie es gerade nach dem Grade ihres kanonischen Ansehens und nach dem Geschick und der Umsicht ihrer Ausleger verdienen; vor allem kann man an den kanonischen Schriften die köstlichste Einfachheit in Verbindung mit der wunderbaren Tiefe [der Gedanken] hervorheben, während man an den anderen Schriften den jedem einzelnen Werk eigenen Stil in seiner klangvollen und abgerundeten Ausdrucksweise gerade für Eingebildetere und darum auch Schwächere als recht passend erklärt.

Jedenfalls muß man aus dem Kandidaten auch herauszubringen suchen, welche Schriftsteller er am meisten gelesen und zu welchen Werken er eine S. 251besondere Vorliebe gefaßt hat und wie in ihm so der Entschluß gereift sei, sich der Kirche anschließen zu wollen. Hat er uns hierüber Auskunft gegeben, so wollen wir freudig unsern Beifall äußern, falls wir diese Bücher selber kennen oder wenigstens aus dem Ruf, den sie in der Kirche genießen, wissen, sie seien von einem angesehenen Katholiken verfaßt. Ist er aber auf häretische Bücher gestoßen und hat er dadurch häretische Ansichten, die der wahre Glaube verwirft, aus Unwissenheit als katholische Lehre fest in sich aufgenommen, so muß er nachdrücklich darüber belehrt werden. Dabei stütze man sich auf die Autorität der allgemeinen Kirche, sowie auf die Schriften und Abhandlungen der bedeutendsten Gelehrten, die im Lichte der kirchlichen Wahrheit erblühten. Freilich ist es auch schon vorgekommen, daß solche Leute, die selber als [gute] Katholiken aus dieser Welt schieden und die der Nachwelt Werke christlichen Inhaltes hinterließen, teils deshalb, weil einzelne Stellen ihrer Schriften falsch aufgefaßt wurden, teils auch, weil sie selbst, wie es die menschliche Schwachheit nun einmal mit sich bringt, aus Mangel an Scharfsinn nicht tief genug in ihren Gegenstand eindrangen und durch den Schein der Wahrheit selber an der Wahrheit irre wurden, für wissensstolze und freche Menschen Veranlassung waren, irgendeine Irrlehre zu erdenken und unter die Leute zu bringen. Dies darf uns auch gar nicht wundernehmen, haben ja doch viele sogar auf Grund der kanonischen Schritten, die doch gewiß die reinste Wahrheit enthalten, eine Menge verderblicher Lehren unter Zerstörung der kirchlichen Einheit aufgebracht; das taten sie nicht in der Weise, daß sie einzelnem einen anderen Sinn unterlegten, als es die Verfasser selbst verstanden hatten und als es der Wahrheit entspricht — denn wäre es bloß dies, wer wollte das nicht gerne der menschlichen Schwachheit nachsehen, die sich ja für Belehrung zugänglich erweist —, sondern sie machten es so, daß sie ihre verkehrten und falschen Meinungen mit der äußersten und hartnäckigsten Anmaßung verteidigten. All diese Punkte sind mit dem, der sich nicht als Idiote, wie man zu sagen pflegt, sondern als S. 252wissenschaftlich gebildeter Mann zur Aufnahme [in die christliche Gemeinschaft] meldet, in maßvoller Besprechung zu erörtern; dabei darf man sein Ansehen als Lehrer nur soweit geltend machen — will man ihn nicht ein verkehrtes, anmaßendes Verfahren fühlen lassen — als es die Demut, die ihn zu uns geführt hat, zuzulassen scheint. Das Übrige aber muß man nach den Regeln einer vernünftigen Methodik in der von uns angegebenen Weise schnell durchgehen und stets auf das schon bezeichnete, alles überragende Ziel beziehen, ob wir uns in unserem Vortrag nun über Glaubenslehren oder über Sittenregeln und Versuchungen verbreiten.

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