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Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)
5. Kapitel
9. Auch die Strenge Gottes, welche die Herzen der Sterblichen ganz heilsam in Schrecken versetzt, müssen wir als Ausgangspunkt nehmen, um die Liebe aufzubauen. In seiner Freude, von dem geliebt zu werden, den er fürchtet, wird der Mensch so zwar den Mut haben, die Liebe zu erwidern, sich aber gleichzeitig davor hüten, dieser ihm entgegengebrachten Liebe sich unwürdig zu erweisen, selbst wenn er dies ungestraft tun könnte. In den seltensten Fällen, ja man kann sogar sagen nie, geschieht es, daß einer kommt und Christ werden will, wenn er nicht in irgendeiner Weise von der Furcht Gottes erschüttert ist. Will einer nämlich deshalb Christ werden, weil er sich davon einen Vorteil bei Menschen verspricht, denen er, wie er meint, nur so genehm ist, oder weil er bei anderen, deren Unwillen oder Feindschaft er fürchtet, Unannehmlichkeiten vermeiden möchte, so will dieser gar nicht Christ werden, sondern täuscht es nur vor. Glaube besteht ja nicht in äußerer Zurschaustellung, sondern in der Überzeugung des Herzens. Doch gar nicht selten wirkt dann die Barmherzigkeit Gottes durch die Tätigkeit des Katecheten, so daß der Hörer, vom Vortrag beeindruckt, nachher wirklich werden will, was er vorher nur vorzutäuschen beabsichtigte. Sobald sich dieser Wille in ihm kundtut, S. 26 wollen wir ihm zubilligen, daß er aus echtem Motiv heraus gekommen ist. Nun bleibt es uns freilich öfters verborgen, wann einer, den wir äußerlich schon anwesend sehen, auch mit seinem Herzen zu uns gelangt; aber auch in diesem Fall müssen wir in unserer Rede von der Voraussetzung ausgehen, daß er in wahrer Absicht gekommen ist, damit jener Wille in ihm überhaupt entstehen kann, falls er noch nicht vorhanden ist. Dieses Vorgehen ist auch dann nicht nutzlos, wenn der Wille bereits vorhanden ist; er wird dadurch in jedem Fall verstärkt, auch wenn wir nicht wissen, zu welcher Zeit und zu welcher Stunde er sich einstellte. Sicher ist es von Nutzen, wenn wir möglichst zum voraus bei Leuten, die ihn kennen, Erkundigungen einziehen, welches seine innere Einstellung ist, welche Beweggründe ihn veranlaßten, zu uns zu kommen, um ins Christentum aufgenommen zu werden. Fehlen Drittpersonen, von denen wir das erfahren können, müssen wir ihn selber befragen, um die Einleitung des Vortrags entsprechend seiner Antwort gestalten zu können.1 Wenn er aber in unlauterer Absicht an die Kirche herantrat, um Vorteile bei den Menschen zu erlangen oder Unannehmlichkeiten zu vermeiden, wird er in jedem Fall die Unwahrheit sagen. Dennoch wollen wir das, was er uns vorlügt, zum Ausgangspunkt des Vortrags machen, freilich nicht so, daß wir es als offensichtliche Lüge zurückweisen ; wir wollen vielmehr den in der Antwort gegebenen Grund für sein Kommen billigen und anerkennen, falls er einen Grund für sein Kommen genannt hat, der tatsächlich anerkennenswert ist, mag er nun stichhaltig oder nur vorgeschoben sein, und damit erreichen, daß es ihn reizt, nun auch so zu sein, wie er bisher nur scheinen wollte. Falls er aber eine Begründung angibt, die nicht zur Gesinnung eines Menschen paßt, der in den christlichen Glauben eingeführt werden möchte, S. 27 wollen wir ihn ganz höflich und mild als unerfahren und unwissend zurechtweisen und ihm hernach nur kurz und eindringlich den eigentlichen Sinn der christlichen Lehre aufzeigen und ins rechte Licht rücken, um nicht die Zeit, die für die darauffolgende historische Darstellung bestimmt ist, in Anspruch zu nehmen, und nicht den Fehler zu begehen, diese Lehre dem Hörer aufzudrängen, bevor er dafür innerlich vorbereitet ist. Und wir können auf diese Weise erreichen, daß er nun wirklich will, was er bisher aus Irrtum noch nicht wollte oder nur zum Schein wollte.
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Die beiden Ausdrücke sermonis exordium und exordiendi aditum (in 10) betonen, wie sehr sich der Katechet um den Zugang zur Denkweise und zu den Erwartungen des Hörers bemühen muß. ↩
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Vom ersten katechetischen Unterricht (BKV)
5. Kapitel: Der Katechet suche sich darüber Klarheit zu verschaffen, aus welchen Beweggründen sich sein Schüler ihm naht
9. Auch auf dem Grunde der göttlichen Strafgerechtigkeit, wodurch das Herz der Sterblichen von einem ganz heilsamen Schrecken erschüttert wird, muß man die Liebe aufbauen, so daß der Schüler in seiner Freude darüber, daß er von dem nämlichen Gott, vor dem er sich fürchtet, geliebt wird, ihn auch wieder zu lieben wagt und sich scheut, dieser Liebe, die Gott zu ihm hegt, jemals mißfällig zu werden, selbst wenn es ungestraft geschehen könnte. Denn nur ganz selten, ja man kann schon sagen niemals ist es der Fall, daß jemand, der zu uns kommt um ein Christ zu werden, sich nicht irgendwie vor Gott fürchtet. Will aber einer nur deshalb Christ werden, weil er gewisse Vorteile von jemandem erhofft, dessen Wohlgefallen er auf andere Weise nicht erwerben zu können glaubt, oder weil er gewissen Unannehmlichkeiten entgehen möchte von Seiten solcher Leute, bei denen er Anstoß oder Feindschaft zu erregen fürchtet, so will er nicht so fast Christ als vielmehr bloß Scheinchrist werden. Denn der Glaube beruht nicht auf äußerlicher Höflichkeit, sondern auf gläubiger Herzenshingabe. Aber selbst in solchen Fällen greift gar oft die Barmherzigkeit Gottes vermittels des Katecheten ein, so daß der Betreffende infolge des S. 245Unterrichtes das nun im Ernste werden will, was er eigentlich nur zum Schein hatte auf sich nehmen wollen; und erst von dem Augenblick an, wo unserem Katechumenen dieser Entschluß kommt, sollen wir wirklich sein Kommen rechnen. Es ist uns zwar der Augenblick verborgen, wo der auch mit der Gesinnung des Herzens kommt, den wir körperlich in unserem Unterricht sehen, aber wir sollen mit ihm jederzeit so verfahren, daß der Entschluß [wirklich Christ zu werden] in ihm entsteht, selbst wenn er bis dahin in ihm noch nicht vorhanden ist. Denn das schadet nichts, daß er, falls er wirklich schon vorhanden wäre, durch ein derartiges Verfahren unsererseits noch gekräftigt wird, wenn wir auch nicht gerade Zeit und Stunde kennen, wo er entstanden ist. Übrigens ist es unter allen Umständen auch von Nutzen, über den Kandidaten bei den Leuten, die ihn kennen, womöglich schon vorher Erkundigungen einzuziehen, in welcher Gemütsverfassung er ist und was ihn veranlaßt hat, um Aufnahme ins Christentum nachzusuchen. Können wir derartige Aufschlüsse von anderen nicht erhalten, so soll man sogar ihn selber befragen, um aus seiner Antwort einen Ausgangspunkt für die Art unseres Vortrages erschließen zu können. Ist er allerdings in hinterhältiger Absicht gekommen, entweder um einen irdischen Vorteil zu erzielen oder um einen irdischen Schaden zu vermeiden, so wird er sich freilich aufs Lügen verlegen; aber gerade diese Lüge müssen wir dann zum Ausgangspunkt unserer Katechese nehmen, natürlich nicht so, daß man nun seine falschen Angaben mit Bestimmtheit einfach als Lüge zurückweist, sondern wenn er in reiner Absicht gekommen zu sein vorgibt — was an sich ja durchaus zu loben ist, ob er persönlich nun die Wahrheit gesprochen hat oder nicht —, so soll man die von ihm vorgeschützte Absicht loben und gut heißten und es dadurch soweit bringen, daß er Lust daran findet, das auch wirklich zu sein, was er nur zu scheinen wünschte. Gibt er aber eine andere Absicht an als eine solche, wie sie Katechumenen bei ihrer Aufnahme haben müssen, so soll man ihn in aller Sanftmut und Milde als einen Menschen zurechtweisen, der in der Angelegenheit unwissend und unkundig ist; dazu S. 246soll man ihm den Inbegriff der christlichen Lehre in seiner vollen Wahrheit vorstellen und rühmend nahelegen; dies tue man aber kurz und eindringlich, denn sonst nimmt man die Zeit, die für den folgenden [Haupt]-Vortrag notwendig ist, schon vorweg in Anspruch oder man begeht den Fehler, daß man diesen Vortrag schon hält, obwohl der Geist des Zuhörers dazu ja noch gar nicht vorbereitet ist: kurz, man muß ihn dazu bringen, das nun wirklich zu wollen, was bisher, sei es aus Irrtum oder aus Verstellung, noch keineswegs in seiner Absicht lag.