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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
26. Der Kult der Großen Mutter in seiner Schändlichkeit.
Ebenso wenig wollte sich Varro äußern über die Lustknaben, die man der Großen Mutter weihte aller Schamhaftigkeit von Männern und Frauen zum Trotz, Band 1, S. 371wie sie unlängst noch mit salbentriefenden Haaren, blaß gefärbten Gesichtern, schlaffen Gliedern und weibischem Gang in den Straßen und Gassen Karthagos selbst von Kleinkrämern den Unterhalt für ihr schändliches Leben heischten; ich erinnere mich wenigstens nicht, daß ich davon bei ihm irgendwo gelesen hätte. Da ging ihm die Deutung aus, errötend wandte sich das bessere Selbst ab und die Sprache versagte. Alle ihre Göttersöhne ließ die Große Mutter hinter sich zurück nicht an Größe der Göttlichkeit, sondern der Schlechtigkeit. Diesem Ungeheuer kann man nicht einmal die Ungeheuerlichkeit des Janus zur Seite stellen. Der zeigte in seinen Bildnissen lediglich Mißgestalt, sie dagegen in ihrem Kulte mißgestaltete Grausamkeit; er hat an seinen steinernen Bildnissen überflüssige Glieder, sie verursacht an Menschen den Verlust von Gliedern. Solche Schändlichkeit wird selbst durch die zahlreichen und schweren Hurereien Jupiters nicht überboten. Er hat, abgesehen von seinen Weiberverführungen, doch nur durch seinen Ganymed dem Himmel Schmach angetan; diese hat durch eine Unzahl von gewerbsmäßigen und öffentlichen Lustknaben die Erde besudelt und dem Himmel Unrecht getan. Den Saturnus etwa könnte man ihr in dieser Gattung schändlichster Grausamkeit gleichstellen oder noch überordnen, von dem berichtet wird, daß er seinen Vater entmannt habe; allein bei den Saturnusfeiern konnten Menschen wohl von fremder Hand getötet werden, daß sie sich aber mit eigener Hand verstümmelt hätten, kam nicht vor. Er hat seine Kinder verschlungen, wie die Dichter erzählen, und die Physiker geben der Erzählung eine Auslegung, die ihnen paßt; wie die Geschichte verrät, hat er sie getötet; aber die Römer haben die Gepflogenheit der Punier, ihm ihre Kinder zu opfern, nicht übernommen. Dagegen hat diese Große Göttermutter die Kastraten auch in die römischen Tempel gebracht und erhielt diesen grausamen Brauch aufrecht, da man glaubte, sie erhöhe die Mannhaftigkeit der Römer, wenn sie die Männer um ihre Mannheit bringe. Was bedeuten im Vergleich zu solchem Greuel die Diebstähle Merkurs, die Frechheit der Venus, die Hurereien und Schandtaten der übrigen Band 1, S. 372Götter, die wir aus den Büchern vorführen würden, wenn sie nicht tagtäglich in den Theatern besungen und in Tänzen dargestellt würden? Was ist das alles im Vergleich zu dem entsetzlichen Greuel, groß genug nur eben für die Große Mutter? Zumal da man sagt, die Dichter hätten diese Schandtaten nur erfunden, als ob sie auch das erfunden hätten, daß sie den Göttern genehm und willkommen sind. Mag es also immerhin Keckheit und Ausgelassenheit der Dichter sein, daß man Schandtaten von Göttern besingt und aufzeichnet; aber daß sie auf Befehl und unausweichliche Forderung der Gottheiten unter die göttlichen Dinge und unter die Ehrenbezeigungen für Götter aufgenommen wurden, dies Verbrechen fällt den Göttern zur Last, ja gerade dadurch bekennen sie sich als Dämonen und führen die Unseligen in die Irre. Dagegen ist es keine Erfindung der Dichter, wenn die Göttermutter durch die Weihe Verschnittener verehrt zu werden verdiente, sie haben vielmehr vorgezogen, dies zu verabscheuen, statt zu besingen. Und diesen auserlesenen Göttern sollte sich jemand weihen, um nach dem Tode glückselig zu leben, da man, ihnen geweiht, vor dem Tode nicht ehrbar zu leben vermag, so scheußlichem Aberglauben ergeben und unreinen Dämonen verknechtet? Aber das alles, heißt es, hat ja eine Beziehung zur Welt1! Nicht vielmehr zum Unreinen2? Übrigens, was von all dem, was sich offenkundig in der Welt befindet, ließe sich nicht in Beziehung bringen zur Welt? Allein was wir suchen, ist ein Geist, der, in der wahren Religion begründet, nicht die Welt als seinen Gott anbetet, sondern sie preist im Hinblick auf Gott als das Werk Gottes und, vom Schmutz der Welt gereinigt, rein [mundus]zu Gott vordringt, der die Welt [mundum]erschaffen hat.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XXVI: De turpitudine sacrorum Matris Magnae.
Itemque de mollibus eidem Matri Magnae contra omnem uirorum mulierumque uerecundiam consecratis, qui usque in hesternum diem madidis capillis facie dealbata, fluentibus membris incessu femineo per plateas uicosque Carthaginis etiam a propolis unde turpiter uiuerent exigebant, nihil Varro dicere uoluit nec uspiam me legisse commemini. defecit interpretatio, erubuit ratio, conticuit oratio. uicit Matris Magnae omnes deos filios non numinis magnitudo, sed criminis. huic monstro nec Iani monstrositas conparatur. ille in simulacris habebat solam deformitatem, ista in sacris deformem crudelitatem; ille membra in lapidibus addita, haec in hominibus perdita. hoc dedecus tot Iouis ipsius et tanta stupra non uincunt. ille inter femineas corruptelas uno Ganymede caelum infamauit; ista tot mollibus professis et publicis et inquinauit terram et caelo fecit iniuriam. Saturnum fortasse possemus huic in isto genere turpissimae crudelitatis siue conferre siue praeferre, qui patrem castrasse perhibetur; sed in Saturni sacris homines alienis manibus potius occidi quam suis abscidi potuerunt. deuorauit ille filios, ut poetae ferunt, et physici ex hoc interpretantur quod uolunt; ut autem historia prodit, necauit; sed quod ei Poeni suos filios sacrificati sunt, non recepere Romani. at uero ista Magna deorum Mater etiam Romanis templis castratos intulit atque istam saeuitiam moremque seruauit, credita uires adiuuare Romanorum exsecando uirilia uirorum. quid sunt ad hoc malum furta Mercurii, Veneris lasciuia, stupra ac turpitudines ceterorum, quae proferremus de libris, nisi cottidie cantarentur et saltarentur in theatris? sed haec quid sunt ad tantum malum, cuius magnitudo Magnae Matri tantummodo conpetebat? praesertim quod illa dicuntur a poetis esse conficta, quasi poetae id etiam finxerint, quod ea sint dis grata et accepta. ut ergo canerentur uel scriberentur, sit audacia uel petulantia poetarum; ut uero diuinis rebus et honoribus eisdem imperantibus et extorquentibus numinibus adderentur, quid est nisi crimen deorum, immo uero confessio daemoniorum et deceptio miserorum? uerum illud, quod de abscisorum consecratione Mater deum coli meruit, non poetae confinxerunt, sed horrere magis quam canere maluerunt. his ne dis selectis quisquam consecrandus est, ut post mortem uiuat beate, quibus consecratus ante mortem honeste non potest uiuere, tam foedis superstitionibus subditus et inmundis daemonibus obligatus? sed haec omnia, inquit, referuntur ad mundum. uideat ne potius ad inmundum. quid autem non potest referri ad mundum, quod esse demonstratur in mundo? nos autem animum quaerimus, qui uera religione confisus non tamquam deum suum adoret mundum, sed tamquam opus dei propter deum laudet mundum, et mundanis sordibus expiatus mundus perueniat ad deum, qui condidit mundum.