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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
4. Die Weltschöpfung ist nicht zeitlos, beruht aber auch nicht auf einem neuen Ratschluß Gottes in dem Sinne, als habe Gott nachmals etwas gewollt, was er vorher nicht gewollt hatte.
Von allem Sichtbaren ist die Welt das größte, von allem Unsichtbaren ist Gott das größte. Indes daß es eine Welt gibt, sehen wir, daß es einen Gott gibt, glauben wir. Daß aber Gott die Welt geschaffen hat, glauben wir am sichersten Gott selber. Wo haben wir ihn gehört? Wir einstweilen nirgends besser als in der Heiligen Schrift, wo sein Seher sagt1: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Aber war denn jener Seher dabei, als Gott Himmel und Erde schuf? Nein; aber die Weisheit Gottes war dabei2, durch die alles geschaffen worden ist, die „sich auch in heilige Seelen begibt, Freunde Gottes und Seher macht“3und ihnen ihre Werke ohne Wortgeräusch innerlich offenbart. Es sprechen zu diesen auch die Engel Gottes, „die immerdar das Angesicht des Vaters schauen“4und dessen Willen allen verkünden, denen sie ihn verkünden sollen. Einer von diesen war der Seher, welcher aussprach und Band 16, S. 589niederschrieb: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Und er ist ein Zeuge, der um so mehr verdient, daß wir durch ihn Gott glauben, als er in demselben Geist Gottes, in welchem er jene Tatsache als eine ihm zuteil gewordene Offenbarung erkannte, auch selbst unsern künftigen Glauben solange vorher ankündigte5.
Aber warum hat es Gott dem Ewigen gefallen, gerade damals Himmel und Erde zu erschaffen, während er sie vordem nicht erschaffen hat?6Will man mit diesem Einwand sagen, daß sich die Welt als ewig ohne jeglichen Anfang und demnach nicht als von Gott erschaffen darstelle7, so ist das eine Behauptung, die der Wahrheit schnurstracks zuwiderläuft und nur von Unverstand und Gottlosigkeit aufgestellt werden kann. Denn abgesehen von der Bezeugung durch prophetische Äußerungen, verkündet die Welt selbst gleichsam schweigend durch ihre streng gesetzmäßige Veränderlichkeit und Wandelbarkeit und durch die überaus schöne Erscheinungsform aller sichtbaren Dinge, daß sie erschaffen sei und daß sie nur von Gott dem unsagbar und unerreichbar großen und unsagbar und unerreichbar schönen erschaffen sein könne. Erkennt man dagegen Gott als Schöpfer an, spricht jedoch der Welt einen Anfang der Zeit nach ab und will man nur einen Anfang der Schöpfung nach gelten lassen8, so daß sie auf eine kaum vorstellbare Weise von jeher erschaffen wäre, so ist damit allerdings die Vorstellung einer zufälligen Planlosigkeit von Gott scheinbar ferngehalten, als wäre ihm plötzlich etwas ganz Neues in den Sinn gekommen, woran er früher nie gedacht hätte, nämlich die Welt zu erschaffen, und als wäre bei ihm ein neuer Willensentschluß Band 16, S. 590aufgetreten, während er doch in keiner Hinsicht wandelbar ist. Indes sehe ich nicht ab, wie diese Erklärung bei den übrigen erschaffenen Wesen Stich halten soll und namentlich bei der Seele; denn behauptet man von ihr, daß sie gleich ewig sei mit Gott9, so wird man auf keine Weise zu erklären vermögen, woher neue, die ganze Ewigkeit hindurch nicht gekannte Unseligkeit über sie gekommen sei10. Wollte man erwidern, daß bei ihr von jeher Unseligkeit und Glückseligkeit abgewechselt hätten11, so müßte man auch die Fortdauer des Wechsels in alle Zukunft annehmen. Dadurch gerät man aber in eine Ungereimtheit: Wenn nämlich die Seele ihre künftige Unseligkeit und Erniedrigung voraussieht, so kann sie bei solcher Voraussicht auch im Zustand der Glückseligkeit nicht glückselig sein; wenn sie sie aber nicht voraussieht und nicht von sich glaubt, sie werde einstmals erniedrigt und unselig, sondern immerfort glückselig sein, so ist sie auf Grund eines falschen Wahnes glückselig. Das ist doch das Unsinnigste, was man behaupten kann. Geht man dagegen von der Annahme aus, daß für die Seele zwar nach rückwärts durch unbegrenzte Zeiträume hindurch der Zustand der Unseligkeit mit dem der Glückseligkeit stets abgewechselt habe, daß sie nun aber in Zukunft, wenn sie befreit sei, nie mehr in Unseligkeit zurückfalle12, so ist immerhin soviel klar, daß die Seele niemals bis dahin wahrhaft glückselig gewesen sei, daß sie aber von da ab es zu sein beginne kraft einer neuen und untrüglichen Glückseligkeit. Und damit ist doch wohl zugegeben, daß ihr etwas Neues widerfahre und zwar etwas Großes und Herrliches, wie es ihr bis dahin die ganze Ewigkeit hindurch nie widerfahren ist. Stellt man nun in Abrede, daß Gott die Ursache dieser Veränderung von Ewigkeit her in seinen Ratschluß aufgenommen habe, so stellt man damit zugleich in Abrede, daß er der Urheber ihrer Seligkeit sei, was verruchte Gottlosigkeit ist; nimmt man dagegen an, gerade das Band 16, S. 591habe Gott in einem neuen Ratschluß festgesetzt, daß die Seele von nun an ewig glückselig sei, wie will man dann beweisen, daß ihm jene Wandelbarkeit, der man doch aus dem Wege gehen will, fremd sei? Es bleibt also (den Platonikern) wohl nur übrig zuzugeben, daß die Seele zeitlich erschaffen sei, aber weiterhin nie mehr zugrunde gehe, also wie die Zahl wohl einen Anfang, aber kein Ende nehme und demnach, wenn sie einmal die Mühseligkeiten gekostet habe, nach ihrer Befreiung davon nie mehr unselig sein werde; und das müssen sie doch eben für vereinbar halten mit der Unwandelbarkeit des göttlichen Ratschlusses. Also sollten sie sich auch nicht sträuben zu glauben, daß die Welt zeitlich entstehen konnte, ohne daß Gott bei ihrer Erschaffung seinen ewigen Willensratschluß geändert habe.
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Gen. 1,1. ↩
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Spr. 8, 27. ↩
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Weish. 7, 27. ↩
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Matth. 18, 10. ↩
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Wohl mit Bezug auf das sog. Protoevangelium Gen. 3, 15 oder auf die Segensverheißung im Samen Abrahams Gen. 22, 18. ↩
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Vgl. unten XI 21. ↩
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Augustinus scheint dabei zunächst an Epikur zu denken, den er in ähnlichem Zusammenhang im folgenden Kapitel ausdrücklich nennt. ↩
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Wie die Platoniker, vgl. oben X 31; aber auch Origenes, der sich die Welt anfangslos dachte im Hinblick auf Gottes Unveränderlichkeit, auf seine Güte, die niemals unbetätigt bleiben, auf seine Allmacht, die nie ohne Gegenstand der Herrschaft sein konnte. ↩
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Vgl. oben X 31. ↩
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Durch die Verbindung mit einem Leibe nämlich. ↩
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Hier wird auf die von den Platonikern angenommene Seelenwanderung Bezug genommen; vgl. oben X 30. ↩
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So Porphyrius; oben X 30 gegen Schluß. ↩
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput IV: De conditione mundi, quae nec intemporalis sit, nec nouo dei ordinata consilio, quasi postea uoluerit, quod ante noluerat.
Visibilium omnium maximus mundus est, inuisibilium omnium maximus deus est. sed mundum esse conspicimus, deum esse credimus. quod autem deus fecerit mundum, nulli tutius credimus quam ipsi deo. ubi eum audiuimus? nusquam interim non melius quam in scripturis sanctis, ubi dixit propheta eius: in principio fecit deus caelum et terram. numquidnam ibi fuit iste propheta, quando fecit deus caelum et terram? non; sed ibi fuit sapientia dei, per quam facta sunt omnia, quae in animas sanctas etiam se transferens amicos dei et prophetas constituit eisque opera sua sine strepitu intus enarrat. loquuntur eis quoque angeli dei, qui semper uident faciem patris uoluntatemque eius quibus oportet adnuntiant. ex his unus erat iste propheta, qui dixit et scripsit: in principio fecit deus caelum et terram. qui tam idoneus testis est, per quem deo credendum sit, ut eodem spiritu dei, quo haec sibi reuelata cognouit, etiam ipsam fidem nostram futuram tanto ante praedixerit. sed quid placuit aeterno deo tunc facere caelum et terram, quae antea non fecisset? qui hoc dicunt, si mundum aeternum sine ullo initio et ideo nec a deo factum uideri uolunt, nimis auersi sunt a ueritate et letali morbo inpietatis insaniunt. exceptis enim propheticis uocibus mundus ipse ordinatissima sua mutabilitate et mobilitate et uisibilium omnium pulcherrima specie quodammodo tacitus et factum se esse et nonnisi a deo ineffabiliter atque inuisibiliter magno et ineffabiliter atque inuisibiliter pulchro fieri se potuisse proclamat. qui autem a deo quidem factum fatentur, non tamen eum temporis uolunt habere sed suae creationis initium, ut modo quodam uix intellegibili semper sit factus, dicunt quidem aliquid, unde sibi deum uidentur uelut a fortuita temeritate defendere, ne subito illi uenisse credatur in mentem, quod numquam ante uenisset, facere mundum, et accidisse illi nouam uoluntatem, cum in nullo sit omnino mutabilis: sed non uideo quomodo eis possit in ceteris rebus ratio ista subsistere maximeque in anima, quam si deo coaeternam esse contenderint, unde illi acciderit noua miseria, quae numquam antea per aeternum, nullo modo poterunt explicare. si enim alternasse semper eius miseriam et beatitudinem dixerint, necesse est dicant etiam semper alternaturam; unde illa eos sequetur absurditas, ut etiam cum beata dicitur in hoc utique non sit beata, si futuram suam miseriam et turpitudinem praeuidet; si autem non praeuidet nec se turpem ac miseram fore, sed beatam semper existimat, falsa opinione sit beata; quo dici stultius nihil potest. si autem semper quidem per saecula retro infinita cum beatitudine alternasse animae miseriam putant, sed nunc iam de cetero, cum fuerit liberata, ad miseriam non esse redituram, nihilominus conuincuntur numquam eam fuisse uere beatam, sed deinceps esse incipere noua quadam nec fallaci beatitudine; ac per hoc fatebuntur accidere illi aliquid noui, et hoc magnum atque praeclarum, quod numquam retro per aeternitatem accidisset. cuius nouitatis causam si deum negabunt in aeterno habuisse consilio, simul eum negabunt beatitudinis eius auctorem, quod nefandae inpietatis est; si autem dicent etiam ipsum nouo consilio excogitasse, ut de cetero sit anima in aeternum beata, quomodo eum alienum ab ea, quae illis quoque displicet, mutabilitate monstrabunt? porro si ex tempore creatam, sed nullo ulterius tempore perituram, tamquam numerum, habere initium, sed non habere finem fatentur, et ideo semel expertam miserias, si ab eis fuerit liberata, numquam miseram postea futuram: non utique dubitabunt hoc fieri manente incommutabilitate consilii dei. sic ergo credant et mundum ex tempore fieri potuisse, nec tamen ideo deum in eo faciendo aeternum consilium uoluntatemque mutasse.