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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
25. Die Dreiteilung der Philosophie.
Deshalb, so viel ich sehe, haben die Philosophen die Lehre von der Weisheit für dreiteilig erklärt oder, genauer, konnten sie darauf kommen, daß sie dreiteilig sei (denn sie haben das nicht eingeführt, sondern es vielmehr so vorgefunden), in der Weise, daß der eine Teil als Physik, der zweite als Logik, der dritte als Ethik bezeichnet werden kann1. Nicht als würde daraus folgen, daß man bei dieser Dreiheit irgend gottgemäß über die Dreifaltigkeit gedacht hätte, obwohl der erste, der diese Einteilung entdeckt und empfohlen hat, Plato gewesen sein soll, dem kein anderer denn Gott als Urheber aller Wesen, als Spender der Einsicht und als Quell der Liebe galt, durch die ein gutes und glückliches Leben bewirkt wird. Aber immerhin, so verschieden auch die Ansichten sein mögen über die Natur der Dinge, über die Methode der Wahrheitsforschung und über das höchste Gut, zu dem wir all unser Handeln in Beziehung setzen sollen, so dreht sich doch ihr ganzes Bemühen um diese drei großen und allgemeinen Fragen. Obwohl sonach die mannigfachste Band 16, S. 625Meinungsverschiedenheit besteht darüber, woran man sich in jeder dieser Fragen zu halten habe, so ist doch niemand darüber im Zweifel, daß es überhaupt eine Ursache der Natur, eine Form der Wissensvermittlung und ein letztes Ziel des Lebens gebe. Drei Dinge sind es auch, auf die es bei jedem menschlichen Künstler ankommt, damit er etwas zustande bringt: natürliche Anlage, Theorie und praktische Übung; die natürliche Anlage ist an der Geisteskraft, die Theorie am Wissen, die Übung an der Frucht zu erkennen. Ich weiß wohl, daß genau genommen die Frucht Gegenstand des Genusses, die Übung Sache des Gebrauches ist und zwischen beiden der Unterschied zu obwalten scheint, daß wir von einer Sache sagen: „Wir genießen sie“, wenn sie uns durch sich selbst, nicht durch ihre Beziehung auf etwas anderes ergötzt; dagegen: „Wir gebrauchen sie“, wenn wir sie einer andern Sache wegen fordern (daher muß man die zeitlichen Dinge mehr gebrauchen als genießen, damit wir die ewigen zu genießen verdienen; nicht wie verkehrte Leute, die das Geld genießen, Gott aber nur gebrauchen wollen; sie wenden das Geld nicht an im Hinblick auf Gott, sondern wenden sich an Gott im Hinblick auf das Geld). Jedoch nach einer ganz gebräuchlich gewordenen Redeweise „gebrauchen wir die Früchte“ und „genießen wir die Gebrauchsmittel“. Man spricht ja auch im eigentlichen Sinne von Feldfrüchten, deren wir uns alle doch gewiß nur zeitlich bedienen. In diesem herkömmlichen Sinne also möchte ich das Wort „Übung, Gebrauch“ angewendet wissen, wenn von den drei Dingen die Rede ist, die, wie erwähnt, beim Menschen in Betracht kommen: Naturanlage, Theorie, Übung. Durch solche Wahrnehmung sind die Philosophen darauf gekommen, daß ihre auf Begründung eines glücklichen Lebens gerichtete Wissenschaft dreiteilig sei: Naturlehre im Hinblick auf die Naturanlage, Vernunftlehre im Hinblick auf Theorie und Methodik, Sittenlehre im Hinblick auf die Ausübung. Stammte demnach unsere Natur von uns selbst, so hätten wir sofort auch unsere Weisheit selbst erzeugt und brauchten uns nicht zu bemühen, sie uns erst anzueignen auf dem Wege der Theorie, d. i. durch Lernen von anderen; und unser Band 16, S. 626Streben, nähme es von uns seinen Ausgang, würde, auf uns bezogen, zu einem glücklichen Leben hinreichen und bedürfte keines anderen Gutes, zum Genuß zu gelangen; so aber, da unsere Natur ihr Dasein Gott verdankt, brauchen wir ihn ebenso gewiß als Lehrer, um das Wahre einzusehen, und nicht minder, um glücklich sein zu können, als Spender des innigsten Behagens.
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Namen, für die die lateinischen Bezeichnungen durch zahlreiche Schriften bereits eingebürgert sind, so daß man von philosophia naturalis, rationalis und moralis spricht, von denen schon im achten Buche [Oben Band 1, S. 391-93; 397-402.]kurz die Rede war ↩
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XXV: De tripertita totius philosophiae disciplina.
Quantum intellegi datur, hinc philosophi sapientiae disciplinam tripertitam esse uoluerunt, immo tripertitam esse animaduertere potuerunt - neque enim ipsi instituerunt ut ita esset, sed ita esse potius inuenerunt - , cuius una pars appellaretur physica, altera logica, tertia ethica ; - quarum nomina Latina iam multorum litteris frequentata sunt, ut naturalis, rationalis moralisque uocarentur; quas etiam in octauo libro breuiter strinximus - ; non quo sit consequens, ut isti in his tribus aliquid secundum deum de trinitate cogitauerint, quamuis Plato primus istam distributionem repperisse et commendasse dicatur, cui neque naturarum omnium auctor nisi deus uisus est neque intellegentiae dator neque amoris, quo bene beateque uiuitur, inspirator. sed certe cum et de natura rerum et de ratione indagandae ueritatis et de boni fine, ad quem cuncta quae agimus referre debemus, diuersi diuersa sentiant: in his tamen tribus magnis et generalibus quaestionibus omnis eorum uersatur intentio. ita cum in unaquaque earum quid quisque sectetur multiplex discrepantia sit opinionum, esse tamen aliquam naturae causam, scientiae formam, uitae summam nemo cunctatur. tria etiam sunt, quae in unoquoque homine artifice spectantur, ut aliquid efficiat: natura, doctrina, usus; natura ingenio, doctrina scientia, usus fructu diiudicandus est. nec ignoro, quod proprie fructus fruentis, usus utentis sit, atque hoc interesse uideatur, quod ea re frui dicimur, quae nos non ad aliud referenda per se ipsa delectat; uti uero ea re, quam propter aliud quaerimus - unde temporalibus magis utendum est, quam fruendum, ut frui mereamur aeternis; non sicut peruersi, qui frui uolunt nummo, uti autem deo; quoniam non nummum propter deum inpendunt, sed deum propter nummum colunt - ; uerumtamen eo loquendi modo, quem plus obtinuit consuetudo, et fructibus utimur et usibus fruimur; nam et fructus iam proprie dicuntur agrorum, quibus utique omnes temporaliter utimur. hoc itaque more usum dixerim in his tribus, quae in homine spectanda commonui, quae sunt natura, doctrina, usus. ex his propter obtinendam beatam uitam tripertita, ut dixi, a philosophis inuenta est disciplina, naturalis propter naturam, rationalis propter doctrinam, moralis propter usum. si ergo natura nostra esset a nobis, profecto et nostram nos genuissemus sapientiam, nec eam doctrina, id est aliunde discendo, percipere curaremus; et noster amor a nobis profectus et ad nos relatus et ad beate uiuendum sufficeret, nec bono alio quo frueremur ullo indigeret; nunc uero quia natura nostra, ut esset, deum habet auctorem, procul dubio ut uera sapiamus ipsum debemus habere doctorem, ipsum etiam ut beati simus suauitatis intimae largitorem.