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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
26. Das Abbild der höchsten Dreifaltigkeit in der Natur auch des noch nicht beseligten Menschen.
Und auch in uns selbst erkennen wir ein Abbild Gottes, d. h. jener höchsten Dreifaltigkeit, freilich nicht ein ebenbürtiges, vielmehr eines, das sehr weit zurückbleibt, auch nicht ein gleichewiges und — womit in Kürze alles gesagt ist — nicht ein Abbild, das von gleicher Wesenheit wäre wie Gott, doch immerhin eines von der Art, daß unter den von Gott geschaffenen Dingen ihm nichts der Natur nach näher steht, wie es denn durch Verbesserung noch vervollkommnet werden soll, damit es ihm an Ähnlichkeit ganz nahe komme. Nämlich wir existieren, wir wissen um unser Sein, und wir lieben dieses Sein und Wissen. Und in diesen drei Stücken beunruhigt uns keine Möglichkeit einer Täuschung durch den bloßen Schein der Wahrheit. Denn wir erfassen sie nicht wie die Dinge außer uns mit irgendeinem leiblichen Sinn, wie wir die Farben durch Schauen, die Töne durch Hören, die Düfte durch Riechen, die Gegenstände des Geschmackssinnes durch Schmecken, Hartes und Weiches durch Befühlen sinnlich wahrnehmen, von welchen Sinnesobjekten wir auch Bilder1, die ihnen ganz ähnlich, aber nicht mehr körperhaft sind, in Gedanken herumtragen, in der Erinnerung festhalten und durch sie zum Verlangen danach angereizt werden; sondern ohne daß sich irgendwie eine trügerische Vorspiegelung der Phantasie und ihrer Gebilde geltend machen könnte, steht mir durchaus fest, daß ich bin, daß ich das weiß und es liebe. In diesen Stücken fürchte ich durchaus nicht die Einwendungen der Akademiker2, die da entgegenhalten: Wie Band 16, S. 627aber, wenn du dich täuschest? Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich3. Denn wer nicht ist, kann sich natürlich auch nicht täuschen; und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein irren, da es doch gewiß ist, gerade wenn ich mich irre. Also selbst wenn ich mich irrte, so müßte ich doch eben sein, um mich irren zu können, und demnach irre ich mich ohne Zweifel nicht in dem Bewußtsein, daß ich bin. Folglich täusche ich mich auch darin nicht, daß ich um dieses mein Bewußtsein weiß. Denn so gut ich weiß, daß ich bin, weiß ich eben auch, daß ich weiß. Und indem ich diese beiden Tatsachen liebe, füge ich auch diese Liebe als ein drittes von gleicher Sicherheit den Dingen, die ich weiß, hinzu. Denn nicht darin, daß ich liebe, irre ich mich, wenn ich nicht einem Irrtum unterliege in dem Gegenstand der Liebe; obwohl selbst, wenn dieser trügerisch wäre, doch die Liebe zu einem Truggebilde Tatsache wäre. Denn wie könnte man mich mit Recht tadeln und zurückhalten von der Liebe zu Truggebilden, wenn die Liebe zu ihnen selbst wieder ein Truggebilde wäre? Da jedoch in unserm Fall der Gegenstand der Liebe wahr und gewiß ist, so ist ohne Zweifel auch die Liebe zu ihm, wenn sie vorhanden ist, wahr und gewiß. Und so wenig es jemand gibt, der nicht glücklich sein möchte, gibt es jemand, der nicht sein möchte. Denn wie könnte einer glücklich sein, wenn er ein Nichts ist?
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Eindrücke ↩
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d. i. der Anhänger der sog. mittleren Akademie (3. und 2. Jahrh. v. Chr.), die dem Skeptizismus huldigte, ausgehend von der Tatsache, daß es Sinnestäuschungen gibt; das Selbstbewußtsein beruht nicht auf äußerer Wahrnehmung wie die durch die Sinne vermittelten Erkenntnisse, sondern auf unmittelbarem Erfassen des eigenen Seins, Erkennens und Strebens. ↩
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Die berühmte Stelle, die an Descartes' „Cogito, ergo sum“ anklingt. Vgl. dazu J. Storz, Die Philosophie des hl. Augustinus [1882], 34—38, wo auch Parallelstellen angegeben sind; und H. Scholz, Glaube und Unglaube in der „Weltgeschichte [1911], 36f. ↩
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XXVI: De imagine summae trinitatis, quae secundum quendam modum in natura etiam necdum beatificati hominis inuenitur.
Et nos quidem in nobis, tametsi non aequalem, immo ualde longeque distantem, neque coaeternam et, quo breuius totum dicitur, non eiusdem substantiae, cuius deus est, tamen qua deo nihil sit in rebus ab eo factis natura propinquius, imaginem dei, hoc est illius summae trinitatis, agnoscimus, adhuc reformatione perficiendam, ut sit etiam similitudine proxima. nam et sumus et nos esse nouimus et id esse ac nosse diligimus. in his autem tribus, quae dixi, nulla nos falsitas uerisimilis turbat. non enim ea sicut illa, quae foris sunt, ullo sensu corporis tangimus, uelut colores uidendo, sonos audiendo, odores olfaciendo, sapores gustando, dura et mollia contrectando sentimus, quorum sensibilium etiam imagines eis simillimas nec iam corporeas cogitatione uersamus, memoria tenemus et per ipsas in istorum desideria concitamur; sed sine ulla phantasiarum uel phantasmatum imaginatione ludificatoria mihi esse me idque nosse et amare certissimum est. nulla in his ueris Academicorum argumenta formido dicentium: quid si falleris? si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui nosse, non fallar. sicut enim noui esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me. eaque duo cum amo, eundem quoque amorem quiddam tertium nec inparis aestimationis eis quas noui rebus adiungo. neque enim fallor amare me, cum in his quae amo non fallar; quamquam etsi illa falsa essent, falsa me amare uerum esset. nam quo pacto recte reprehenderer et recte prohiberer ab amore falsorum, si me illa amare falsum esset? cum uero et illa uera atque certa sint, quis dubitet quod eorum, cum amantur, et ipse amor uerus et certus est? tam porro nemo est qui esse se nolit, quam nemo est qui non esse beatus uelit. quomodo enim potest beatus esse, si nihil sit?