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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
1. Die Pflicht des Disputierens hat auch ihre Grenze.
Band 1, S. 79 Wenn die Menschen ihre in langer Gewöhnung matt und krank gewordene Gesinnung, statt sie unverfroren der Vernunftmäßigkeit der offenkundigen Wahrheit widerstreben zu lassen, heilender Lehre wie einem Arzneimittel anvertrauen wollten, bis sie mit Gottes Hilfe und durch die Kraft eines frommen Glaubens geheilt würde, dann brauchten die, die das Richtige haben und ihre Meinungen hinreichend klar zum Ausdruck bringen, zur Widerlegung jeglichen Irrtums haltloser Meinung nicht viel Worte zu machen. So aber, weil diese Unverständigen schwerer und bösartiger kranken und ihre unvernünftigen Regungen auch nach erschöpfender Beweisführung, wie sie nur immer ein Mensch seinem Mitmenschen schuldet, als ausbündige Vernunft und Wahrheit verteidigen, sei es in übergroßer Blindheit, die selbst das offen daliegende nicht sieht, oder in verstockter Hartnäckigkeit, die sich auch gegen das sperrt, was sie sieht, so ergibt sich in der Regel die Notwendigkeit, klare Dinge in aller Ausführlichkeit zu sagen, als wollten wir sie nicht etwa Sehenden zum Anschauen, Band 1, S. 80sondern gleichsam Tastenden, die die Augen zudrücken, zum Berühren darbieten. Und dennoch, wenn wir immer wieder auf Gegenrede antworten wollten, wann kämen wir da mit dem Streiten zu Ende und fänden für unsere Ausführungen ein Ziel? Denn die, welche das Vorgebrachte nicht verstehen oder in der Widerspenstigkeit ihres Sinnes so hartnäckig sind, daß sie sich gegen ihre bessere Einsicht verschließen, die erwidern, wie geschrieben steht1, und „sprechen ungerechte Rede“ und sind unermüdlich in haltlosen Meinungen. Es ist leicht einzusehen, eine wie endlose, mühevolle und unfruchtbare Aufgabe es wäre, wollten wir ihre Einwendungen jedesmal widerlegen, so oft sie mit trotziger Stirn, nur um unsern Ausführungen zu widersprechen, irgendetwas vorbringen, unbekümmert darum, was sie sprechen. Daher sollst du, mein Sohn Marcellin, und sollen die andern, denen diese unsere Arbeit zu ersprießlichem und reichlichem Gebrauche dienen will, meine Schriften nicht danach beurteilen, ob sie jedesmal eine Erwiderung haben auf das, was ihr etwa dagegen einwenden hört, damit ihr nicht jenen „Weiblein“ gleichet, „die immer lernen und nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können“2.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput I: De modo, qui necessitati disputationis adhibendus est.
Si rationi perspicuae ueritatis infirmus humanae consuetudinis sensus non auderet obsistere, sed doctrinae salubri languorem suum tamquam medicinae subderet, donec diuino adiutorio fide pietatis inpetrante sanaretur, non multo sermone opus esset ad conuincendum quemlibet uanae opinationis errorem his, qui recte sentiunt et sensa uerbis sufficientibus explicant. nunc uero quoniam ille est maior et taetrior insipientium morbus animorum, quo inrationabiles motus suos, etiam post rationem plene redditam, quanta homini ab homine debetur, siue nimia caecitate, qua nec aperta cernuntur, siue obstinatissima peruicacia, qua et ea quae cernuntur non feruntur, tamquam ipsam rationem ueritatemque defendunt, fit necessitas copiosius dicendi plerumque res claras, uelut eas non spectantibus intuendas, sed quodammodo tangendas palpantibus et coniuentibus offeramus. et tamen quis disceptandi finis erit et loquendi modus, si respondendum esse respondentibus semper existimemus? nam qui uel non possunt intellegere quod dicitur, uel tam duri sunt aduersitate mentis, ut, etiamsi intellexerint, non oboediant, respondent, ut scriptum est, et loquuntur iniquitatem atque infatigabiliter uani sunt. quorum dicta contraria si totiens uelimus refellere, quotiens obnixa fronte statuerint non cogitare quid dicant, dum quocumque modo nostris disputationibus contradicant, quam sit infinitum et aerumnosum et infructuosum uides. quamobrem nec te ipsum, mi fili Marcelline, nec alios, quibus hic labor noster in Christi caritate utiliter ac liberaliter seruit, tales meorum scriptorum uelim iudices, qui responsionem semper desiderent, cum his quae leguntur audierint aliquid contradici, ne fiant similes earum muliercularum, quas commemorat apostolus semper discentes et numquam ad ueritatis scientiam peruenientes.