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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
11. Erfordert die Rücksicht auf die Gerechtigkeit, daß die Strafzeit nicht länger sei als die Sündenzeit?
Von den Gegnern, wider die wir den Gottesstaat vertreten, glauben manche, es liege in solchem Strafgericht eine Ungerechtigkeit nach der Richtung hin, daß man für seine Sünden, die so groß wie immer sein mögen, mit einer ewigen Strafe büßen müsse, da sie doch in kurzer Zeit begangen worden sind. Als ob je selbst das gerechteste Gesetz darauf geachtet hätte, die Dauer der Strafe in genaue Übereinstimmung zu bringen mit der Dauer der Straftat. Tullius schreibt, es seien acht Band 28, S. 1338Strafarten in den Gesetzen vorgesehen: Geldbuße, Gefängnis, Streiche, Wiedervergeltung, Brandmarkung, Verbannung, Tod, Sklaverei. Keine davon beschränkt sich auf kurze Zeit nach Maßgabe der Raschheit des Vergehens, so daß also die Strafe nicht länger währte als die Verübung der Tat; nur die Wiedervergeltung etwa ausgenommen. Denn diese geht von dem Gedanken aus, den Täter das erdulden zu lassen, was er getan hat. Daher der Rechtssatz1: „Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn.“ Dabei mag einer allerdings ebenso schnell sein Auge verlieren auf dem Weg der Strafe, wie er selbst den Nächsten darum gebracht hat auf dem Weg des Verbrechens. Aber schon wenn der geraubte Kuß nach der Forderung des Gesetzes mit Streichen bestraft wird, so wird der, welcher dies in einem Augenblick getan hat, während eines stundenlangen Zeitraumes, der sich gar nicht vergleichen läßt mit jenem Augenblick, mit Ruten gestrichen, und die Süßigkeit einer kurzen Lust wird mit langwährendem Schmerz gestraft. Wird man irgend jemand verurteilen, so lang im Gefängnis zu weilen, als die Tat währte, die ihn ins Gefängnis brachte? hat nicht mit vollstem Recht ein Sklave, der mit einem Wort oder tätlich in einem Nu seinen Herrn beleidigt oder verletzt hat, jahrelange Strafen in Fesseln abzubüßen? Nun gar Geldbuße, Brandmarkung, Verbannung oder Sklaverei, Strafen, die in der Regel in der Weise verhängt werden, daß kein Nachlaß gewährt wird, sind sie nicht ewigen Strafen ähnlich, soweit es im irdischen Leben überhaupt sein kann, nur deshalb nicht ewig, weil auch das Leben, das von solchen Strafen betroffen wird, nicht ewig dauert? Und doch werden die Sünden, die mit so außerordentlich langdauernden Strafen belegt werden, in kürzester Zeit begangen; und niemand gibt es, der der Meinung wäre, die Qualen der Übeltäter müßten ebenso schnell durchgeführt werden, wie ein Mord oder ein Ehebruch oder ein Heiligtumsraub oder sonst ein Verbrechen sich abspielt, das man nicht nach der Zeitdauer zu bemessen hat, sondern nach der Größe des Unrechts und der Ruchlosigkeit. Und wenn für ein großes Band 28, S. 1339Verbrechen die Todesstrafe verhängt wird, gilt da in den Augen des Gesetzes etwa die freilich sehr kurze Zeit der Beförderung vom Leben zum Tode als die Strafe, und nicht vielmehr die auf immer währende Ausstoßung aus der Genossenschaft der Lebenden? Aus dieser sterblichen Gemeinschaft aber die Menschen ausstoßen durch die Strafe des ersten Todes ist dasselbe, wie aus jener unsterblichen Gemeinschaft die Menschen ausstoßen durch die Strafe des zweiten Todes. Kein Gesetz des irdischen Staates ist imstande, einen Gerichteten dem Staat wieder zurückzugeben, kein Gesetz des himmlischen Staates, den zum zweiten Tode Verurteilten dem ewigen Leben zurückzugeben. Aber, sagt man, wenn die zeitliche Sünde mit ewiger Pein bestraft wird, wie bewahrheitet sich dann das Wort eures Christus2: „Mit dem nämlichen Maße, womit ihr messet, wird euch zurückgemessen werden“? Dabei übersieht man ja aber, daß sich das Wort vom Gleichmaß nicht auf das Gleichmaß der Zeitdauer bezieht, sondern auf eine Übereinstimmung bezüglich des Bösen, nämlich: wer Böses getan hat, soll Böses erleiden. Obwohl man das Wort in dem Zusammenhang, worin es der Herr gebraucht, nämlich vom Richten und Verdammen, auch im eigentlichen Sinne verstehen kann. Also so: wer ungerecht richtet und verdammt, erhält, wenn er gerecht gerichtet und verdammt wird, mit gleichem Maße zurück, wenn auch nicht das, was er gegeben hat. Durch Gericht hat er es getan, infolge eines Gerichtes hat er nun zu leiden; aber freilich, er hat durch Verdammung etwas getan, was unrecht ist, und leidet durch Verdammung das, was Recht ist.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XI: An hoc ratio iustitiae habeat, ut non sint extensiora poenarum tempora, quam fuerint peccatorum.
Sic autem quidam eorum, contra quos defendimus ciuitatem dei, iniustum putant, ut pro peccatis quamlibet magnis, paruo scilicet tempore perpetratis, poena quisque damnetur aeterna, quasi ullius id umquam iustitia legis adtendat, ut tanta mora temporis quisque puniatur, quanta mora temporis unde puniretur admisit. octo genera poenarum in legibus esse scribit Tullius, damnum uincla, uerbera, talionem, ignominiam, exsilium, mortem, seruitutem. quid horum est quod in breue tempus pro cuiusque peccati celeritate coartetur, ut tanta uindicetur morula, quanta deprehenditur perpetratum, nisi forte talio? id enim agit, ut hoc patiatur quisque quod fecit. unde illud est legis: oculum pro oculo, dentem pro dente. fieri enim potest, ut tam breui tempore quisque amittat oculum seueritate uindictae, quam tulit ipse alteri inprobitate peccati. porro autem si alienae feminae osculum infixum rationis sit uerbere uindicare, nonne qui illud puncto temporis fecerit, inconparabili horarum spatio uerberatur et suauitas uoluptatis exiguae diuturno dolore punitur? quid, in uinculis numquid tamdiu quisque iudicandus est esse debere, quamdiu fecit unde meruit adligari; cum iustissime annosas poenas seruus in conpedibus pendat, qui uerbo aut ictu celerrime transeunte uel lacessiuit dominum uel plagauit? iam uero damnum, ignominia, exsilium, seruitus cum plerumque sic infliguntur, ut nulla uenia relaxentur, nonne pro huius uitae modo similia poenis uidentur aeternis? ideo quippe aeterna esse non possunt, quia nec ipsa uita, quae his plectitur, porrigitur in aeternum; et tamen peccata, quae uindicantur longissimi temporis poenis, breuissimo tempore perpetrantur; nec quisquam exstitit qui censeret tam cito nocentium finienda esse tormenta, quam cito factum est uel homicidium uel adulterium uel sacrilegium uel quodlibet aliud scelus non temporis longitudine, sed iniquitatis et inpietatis magnitudine metiendum. qui uero pro aliquo grandi crimine morte multatur, numquid mora qua occiditur, quae perbreuis est, eius supplicium leges aestimant et non quod eum in sempiternum auferunt de societate uiuentium? quod est autem de ista ciuitate mortali homines supplicio primae mortis, hoc est, de illa ciuitate inmortali homines supplicio secundae mortis auferre. sicut enim non efficiunt leges huius ciuitatis, ut in eam quisque reuocetur occisus, sic nec illius, ut in uitam reuocetur aeternam secunda morte damnatus. quomodo ergo uerum est, inquiunt, quod ait Christus uester: in qua mensura mensi fueritis, in ea remetietur uobis, si temporale peccatum supplicio punitur aeterno? nec adtendunt non propter aequale tempus spatium, sed propter uicissitudinem mali, id est ut qui mala fecerit mala patiatur, eandem dictam fuisse mensuram. quamuis hoc in ea re proprie possit accipi, de qua dominus cum hoc diceret loquebatur, id est de iudiciis et condemnationibus. proinde qui iudicat et condemnat iniuste, si iudicatur et condemnatur iuste, in eadem mensura recipit, quamuis non hoc quod dedit. iudicio enim fecit, iudicio patitur; quamuis fecerit damnatione quod iniquum est, patiatur damnatione quod iustum est.