22. Manchen mißfällt dies und jenes in der vom guten Schöpfer gut erschaffenen Gesamtheit der Dinge und sie glauben, es gebe von Natur aus böse Dinge.
Band 16, S. 618Indes dieser Grund, nämlich daß Gott aus Gutheit Gutes erschaffe, dieser so gerechte und zureichende Grund, der bei genauer Betrachtung und gottergebener Gesinnung alle Streitfragen über den Ursprung der Welt erledigt, wollte gewissen Häretikern1 nicht einleuchten, weil es vielerlei gibt, was dem Erdendasein in seiner armseligen und gebrechlichen Hinfälligkeit, die doch bereits Wirkung einer gerechten Strafe ist, feindlich gegenübertritt, indem es ihr nicht zuträglich ist, wie Feuer, Kälte, wilde Tiere und dergleichen. Sie beachten dabei nicht, wie derlei Dinge am rechten Platze und ihrer Natur nach vortrefflich sind und in herrlicher Ordnung sich abstufen, wieviel sie an ihrem Teil der Gesamtheit Zierde verleihen und so gleichsam dem gemeinen Wohle nützen, wieviel Vorteil sie auch uns selbst verschaffen, wenn wir von ihnen entsprechenden und vernünftigen Gebrauch machen, so daß selbst das Gift, durch seine Unzuträglichkeit Verderben bringend, bei geeignetem Gebrauch sich in heilsame Arznei verwandelt, während andrerseits auch die Freude spendenden Dinge, wie Speise, Trank, Tageslicht, bei unmäßigem oder unzeitigem Gebrauch sich als schädigend erweisen. Und so mahnt uns die göttliche Vorsehung, nicht unüberlegt zu tadeln, sondern eifrig dem Nutzen des Geschaffenen nachzuspüren und, wo unser Scharfsinn oder besser unsere Beschränktheit versagt, einen verborgenen Nutzen anzunehmen, wie so manches andere uns verborgen war, worauf wir nur mit vieler Mühe kamen. Ist doch selbst die Unkenntnis des Nutzens heilsam als Übung der Demut oder als Vernichtung des Stolzes; aber das Böse ist durchaus keine Wesenheit, wir drücken vielmehr mit dieser Bezeichnung lediglich den Abgang des Guten aus. Jedoch von den guten Wesen sind, angefangen von den irdischen bis hinauf zu den himmlischen, und von den sichtbaren bis zu den Band 16, S. 619unsichtbaren, die einen vorzüglicher als die andern, ungleich zu dem Zweck, damit sie alle das Dasein hätten. Gott aber, wie er ein großer Meister ist im Großen, ist im Kleinen nicht kleiner; freilich darf man das Kleine nicht an seiner nun einmal nicht vorhandenen Erhabenheit, sondern muß es an der Weisheit des Bildners messen, so z. B. bei der Menschengestalt; würde man da eine Augenbraue beseitigen, wie fast nichts würde dadurch dem Leibe, aber wieviel an Schönheit genommen, die eben nicht in der Massenhaftigkeit liegt, sondern in der Symmetrie und dem Verhältnis der Einzelteile. Übrigens ist es nicht sehr verwunderlich, wenn solche, die die Existenz böser, aus einem eigenen, feindseligen Urgrund entstandener und fortgepflanzter Wesen annehmen, nicht als Grund der Schöpfung gelten lassen wollen, daß Gottes Gutheit Gutes erschaffen wollte; glauben sie doch, er sei zu diesem gewaltigen Werke veranlaßt worden durch die unabweisliche Nötigung, das gegen ihn sich auflehnende Böse zurückzudrängen, und er habe, um das Böse einzudämmen und zu überwinden, mit demselben sein eigenes und gutes Wesen vermengt, das dadurch schmachvoll befleckt und grausam gefangen gehalten und unterdrückt worden sei, so daß er es nur mit großer Mühe zur Not reinigen und befreien könne; jedoch nicht vollständig, sondern der Teil seines Wesens, der von solcher Befleckung nicht gereinigt werden könne, sei bestimmt zur Schutzwehr gegen den besiegten und gefangenen Feind und zur Fessel für ihn. So töricht und selbst aberwitzig reden die Manichäer nur, weil sie das Wesen Gottes und der Seele nicht kennen; sie halten das Wesen Gottes nicht für unwandelbar und über alle Verderbnis erhaben, wie es doch tatsächlich ist, so daß ihm nichts zu schaden vermag, und nehmen bezüglich der Seele an, daß sie ein Teil der Gottheit und von derselben Wesenheit wie Gott sei, während sie nach der gesunden christlichen Lehre, von Gott erschaffen, tief unter dem Schöpfer steht und deshalb durch den Willen sich zum Bösen kehren und durch die Sünde verdorben werden und so des Lichtes der unwandelbaren Wahrheit verlustig gehen konnte.
-
Vgl. oben XI 13. ↩