53. Die Zeit der letzten Verfolgung ein Geheimnis des göttlichen Ratschlusses.
Die letzte Verfolgung übrigens, die vom Antichrist ausgehen wird, wird Jesus selbst durch sein Erscheinen niederschlagen. Denn es steht geschrieben1, daß er „ihn töten wird mit dem Hauche seines Mundes und zunichte machen durch den Glanz seines Erscheinens“. Daran knüpft man gern die Frage: Wann wird das geschehen? Eine ganz unpassende Frage. Würde uns die Kenntnis des Zeitpunktes nützen, so hätte ihn doch am besten der göttliche Lehrer selbst den Jüngern auf ihre Frage mitgeteilt. Denn sie brachten die Sache zur Sprache und fragten ihn persönlich2: „Herr, wirst du wohl in dieser Zeit das Reich Israel wiederherstellen?“ Aber er erwiderte ihnen darauf: „Es steht euch nicht an, die Zeiten zu wissen, die der Vater in eigener Macht festgesetzt hat.“ Und dabei hatten sie erst gar nicht nach Stunde, Tag oder Jahr gefragt, sondern nur allgemein nach der Zeit, und doch wurde ihnen eine abweisende Antwort zuteil. Vergeblich also ist das Bemühen, die Jahre, die für die Weltzeit noch übrig sind, berechnen und bestimmen zu wollen, da wir doch aus dem Munde der Wahrheit vernehmen, es stehe uns nicht an, darum zu wissen; gleichwohl hat man bald vierhundert, bald fünfhundert, bald auch tausend Jahre genannt, die von der Auffahrt des Herrn bis zu seiner letzten Ankunft verfließen würden. Wie dabei jeder seine Meinung zu begründen sucht, können wir hier nicht darlegen; es würde zu weit führen und ist auch nicht nötig. Man stützt sich ja dafür nur auf Menschenwitz und kann sich nicht auf eine einzige sichere Belegstelle aus der Band 28, S. 1141kanonischen Schrift beziehen. Und all den eifrigen Rechnern legt das Handwerk und gebietet Ruhe der, der gesagt hat: „Es steht euch nicht an, die Zeiten zu wissen, die der Vater in eigener Macht festgesetzt hat.“
Doch das ist ein Ausspruch des Evangeliums, und so kann es nicht wundernehmen, daß sich dadurch die Verehrer der vielen und falschen Götter nicht abhalten ließen zu erdichten, die Dauer des Christentums sei durch Bescheide der von ihnen als Götter verehrten Dämonen festgelegt. Da sie nämlich sehen mußten, daß die christliche Religion durch alle Verfolgung nicht vernichtet werden konnte, sondern durch sie vielmehr wunderbares Wachstum gewann, so ersannen sie etliche griechische Verse, die angeblich einem göttlichen Orakel als Bescheid entstammten; darin lassen sie zwar Christum an dem Verbrechen dieser angeblichen Religionsverletzung unschuldig sein, bürden aber dem Petrus Zauberkünste auf, durch die er bewirkt habe, daß der Name Christi dreihundertfünfundsechzig Jahre lang verehrt würde, worauf dann die Verehrung unverzüglich wieder ein Ende nehme. O, diese Gelehrten! O diese gebildeten Geister! Würdig seid ihr, die ihr an Christus nicht glauben wollt, doch wenigstens von Christus zu glauben, daß sein Schüler Petrus zwar von ihm keine Zauberkünste gelernt hat, wohl aber ohne Christi Verschulden der Zauberer Christi gewesen sei und lieber seines Meisters Namen als seinen eigenen zum Gegenstand der Verehrung habe erheben wollen durch seine Zauberkünste, unter großen Mühsalen und Gefahren und schließlich selbst mit Vergießung seines Blutes! Wenn Petrus als Zauberer bewirkt hat, daß die Welt Christum so sehr lieb gewann, was fangen wir doch mit dem unschuldigen Christus an, der bewirkt hat, daß Petrus ihn so sehr liebte? Die Antwort darauf mögen sie sich selber geben, und wenn sie sie finden, mögen sie einsehen, daß die nämliche himmlische Gnade der Welt die Liebe zu Christus im Hinblick auf das ewige Leben beibrachte, die auch bewirkte, daß Petrus Christum liebte im Hinblick auf das von ihm zu erlangende ewige Leben und ihn liebte bis in den für ihn zu erduldenden zeitlichen Tod. Aber, ich bitte, was sind das für Götter, die solch Band 28, S. 1142blamable Dinge wohl vorhersagen, aber nicht abwenden können, die so völlig einem einzigen Zauberer erliegen und einer einzigen zauberischen Untat, dem angeblichen Mord eines einjährigen Knaben, der zerstückt und nach abscheulichem Ritus begraben worden wäre, daß sie eine ihnen feindliche Partei so lange Zeit erstarken, so viele und schwere Verfolgungen mit ihren entsetzlichen Grausamkeiten, nicht etwa durch Widerstand, sondern lediglich durch Geduld überwinden und selbst bis zur Vernichtung ihrer eigenen Bildnisse, Tempel, Heiligtümer und Orakel gewähren ließen? Ja, was ist das für ein Gott — der ihrige ist es, nicht der unsere —, den eine so entsetzliche Untat zu solchen Zugeständnissen zu verlocken oder zu drängen vermochte? Denn nicht einem Dämon, sondern einem Gott hat Petrus laut jener Verse durch Zauberkunst diese Zugeständnisse abgerungen. Solch einen Gott haben die, die Christum nicht haben.