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De Trinitate
VII.
[VII] Quapropter diligentius illud consideremus exemplum quod adhibuimus ubi ostenderetur aliud esse rem quamque non nosse, aliud non cogitare, fierique posse ut noverit homo aliquid quod non cogitat quando aliunde, non inde cogitat. Duarum ergo vel plurium disciplinarum peritus quando unam cogitat, aliam vel alias etiam si non cogitat novit tamen. Sed numquid recte possumus dicere: ‚Iste musicus novit quidem musicam sed nunc eam non intellegit quia non eam cogitat; intellegit autem nunc geometricam, hanc enim nunc cogitat‘? Absurda est quantum apparet ista sententia. Quid etiam illa si dicamus: ‚Iste musicus novit quidem musicam sed nunc eam non amat quando non eam cogitat; amat autem nunc geometricam quoniam nunc ipsam cogitat‘? Nonne similiter absurda est? Rectissime vero dicimus: ‚Iste quem perspicis de geometrica disputantem etiam perfectus est musicus. Nam et meminit eius disciplinae et intellegit et diligit eam, sed quamvis eam noverit et amet, nunc illam non cogitat quoniam geometricam de qua disputat cogitat.‘
Hinc admonemur esse nobis in abdito mentis quarundam rerum quasdam notitias, et tunc quodam modo procedere in medium atque in conspectu mentis velut apertius constitui quando cogitantur; tunc enim se ipsa mens et meminisse et intellegere et amare invenit etiam unde non cogitabat quando aliunde cogitabat. Sed unde diu non cogitaverimus et unde cogitare nisi commoniti non valemus, id nos nescio quo eodemque miro modo si potest dici scire nescimus. Denique recte ab eo qui commemorat ei quem commemorat dicitur: ‚Scis hoc sed scire te nescis; commemorabo et invenies te scientem quod te nescire putaveras.‘ Id agunt et litterae quae de his rebus conscriptae sunt, quas res duce ratione veras esse invenit lector, non quas veras esse credit ei qui scripsit sicut legitur historia, sed quas veras esse etiam ipse invenit sive apud se sive in ipsa mentis duce veritate. Qui vero nec admonitus valet ista contueri magna caecitate cordis tenebris ignorantiae demersus est altius, et mirabiliore divina ope indiget ut possit ad veram sapientiam pervenire.
[10] Propter hoc itaque volui de cogitatione adhibere qualecumque documentum quo posset ostendi quomodo ex his quae memoria continentur recordantis acies informetur et tale aliquid gignatur ubi homo cogitat quale in illo erat ubi ante cogitationem meminerat, quia facilius dinoscitur quod tempore accedit et ubi parens prolem spatio temporis antecedit. Nam si nos referamus ad interiorem mentis memoriam qua sui meminit et interiorem intellegentiam qua se intellegit et interiorem voluntatem qua se diligit, ubi haec tria simul sunt et simul semper fuerunt ex quo esse coeperunt sive cogitarentur sive non cogitarentur, videbitur quidem imago illius trinitatis et ad solam memoriam pertinere. Sed quia ibi verbum esse sine cogitatione non potest (cogitamus enim omne quod dicimus etiam illo interiore verbo quod ad nullius gentis pertinet linguam), in tribus potius illis imago ista cognoscitur, memoria scilicet, intellegentia, voluntate.
Hanc autem nunc dico intellegentiam qua intellegimus cogitantes, id est quando eis repertis quae memoriae praesto fuerant sed non cogitabantur cogitatio nostra formatur, et eam voluntatem sive amorem vel dilectionem quae istam prolem parentemque coniungit, et quodam modo utrisque communis est. Hinc factum est ut etiam per exteriora sensibilia quae per oculos carnis videntur legentium ducerem tarditatem, in undecimo scilicet libro, atque inde cum eis ingrederer ad hominis interioris eam potentiam qua ratiocinatur de temporalibus rebus differens illam principaliter dominantem qua contemplatur aeterna. Atque id duobus voluminibus egi, duodecimo utrumque discernens quorum unum est superius, alterum inferius quod superiori esse subditum debet; tertio decimo autem de munere inferioris quo humanarum rerum scientia salubris continetur ut in hac temporali vita id agamus quo consequamur aeternam quanta potui veritate ac brevitate disserui, quandoquidem rem tam multiplicem atque copiosam, multorum atque magnorum disputationibus multis magnisque celebratam uno strictim volumine inclusi, ostendens etiam in ipsa trinitatem sed nondum quae dei sit imago dicenda.
Übersetzung
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Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
7. Kapitel. Immerwährende Dauer dieser Dreiheit
Wir wollen daher das Beispiel, das wir anführten, sorgfältiger überlegen. Es wurde darin gezeigt, daß es etwas anderes sei, eine Sache nicht zu kennen, etwas anderes, an sie nicht zu denken, und daß es geschehen könne, daß der Mensch etwas weiß, woran er nicht denkt, wenn er nämlich an etwas anderes, nicht an dies denkt. Wenn also jemand in zwei oder mehreren Wissensgebieten bewandert ist, so kennt er, wenn er nur an eines denkt, doch das andere oder die anderen, auch wenn er nicht daran denkt. Können wir aber mit Recht sagen: Dieser Musiker kennt zwar die Musik, aber jetzt sieht er sie nicht ein, weil er nicht an sie denkt; er sieht aber jetzt ein die Geometrie, weil er jetzt an sie denkt? Töricht ist, soviel sich sehen läßt, eine solche Meinung. Was ist es ferner mit dem Satze; Dieser Musiker kennt zwar die Musik, aber er liebt sie jetzt nicht, da er nicht an sie denkt; er liebt aber jetzt die Geometrie, weil er jetzt an sie denkt: ist er nicht ebenfalls töricht? Mit vollem Rechte hingegen sagen wir: Der, den du jetzt über die Geometrie sich unterhalten siehst, ist auch ein vollendeter Musiker; denn er erinnert sich auch dieser Kunst, er sieht sie ein und liebt sie; aber wenngleich er sie kennt und liebt, so denkt er doch jetzt nicht daran, weil er an die Geometrie denkt, über die er sich unterhält. So werden wir darauf hingewiesen, daß in dem Abgrunde unseres Geistes eine Art von Kenntnissen gewisser Dinge ruht, daß diese dann gewissermaßen in die Mitte hereinschreiten und gleichsam offen in das Blickfeld des Geistes treten, wenn man an sie denkt. Dann nämlich findet der Geist, daß S. 221 er sich erinnerte, einsah und liebte, woran er nicht dachte, als er an etwas anderes dachte. Aber wenn wir an etwas lange nicht denken und nur auf besondere Ermahnung hin daran zu denken vermögen, dann weiß ich nicht, auf welch seitsame Weise wir, wenn man so sagen kann, nicht wissen, daß wir es wissen. Schließlich wird mit Recht von demjenigen, der erinnert, jenem, den er erinnert, gesagt: Du weißt dies, aber du weißt nicht, daß du es weißt; ich will dich erinnern, und du wirst finden, daß du weißt, wovon du glaubtest, es nicht zu wissen. So machen es auch die wissenschaftlichen Werke, die über solche Dinge geschrieben sind, deren Wahrheit der Leser unter der Führung des Verstandes findet, die er also nicht wie bei einer Geschichte, die man liest, ihrem Verfasser glaubt, sondern selbst findet, sei es bei sich, sei es im Lichte des Geistes, der Wahrheit. Wer hingegen auch auf eine Erinnerung hin die Wahrheit nicht zu sehen vermag, der ist in großer Blindheit des Herzens zu tief in die Finsternisse der Unwissenheit hinabgetaucht und bedarf einer wunderbareren göttlichen Hilfe, auf daß er zur wahren Weisheit gelangen kann.
10. Aus diesem Grunde also wollte ich hinsichtlich des Denkens ein Beispiel anführen, durch das gezeigt werden kann, wieso von den Inhalten des Gedächtnisses die Sehkraft des sich Erinnernden geformt wird und wieso, wenn der Mensch denkt, etwas Derartiges erzeugt wird, wie es in ihm war, als er es vor dem Denken bloß im Gedächtnis besaß. Leichter hält man ja auseinander, was sich in zeitlichem Nacheinander folgt, wie die Vorgänge, bei denen der Ursprung dem Sprößling in zeitlichem Auseinander vorhergeht. Denn wenn wir uns zum inneren Gedächtnis des Geistes hinwenden, durch das er sich seiner erinnert, zur inneren Einsicht, durch die er sich einsieht, zum inneren Willen, durch den er sich liebt, wo diese drei immer zusammen sind und zusammen waren, seit sie zu sein anfingen, mochte S. 222 man an sie denken, mochte man nicht an sie denken, dann wird zwar der Anschein entstehen, als ob das Bild, das diese Dreiheit darstellt, auch selbst wieder allein dem Bereiche des Gedächtnisses angehöre; weil aber dort ein Wort nicht sein kann ohne Denken — wir denken nämlich alles, was wir sprechen, auch durch jenes innere Wort, das nicht der Sprache irgendeines Volkes angehört —, so läßt sich dies Bild eher in den genannten drei Dingen erkennen, nämlich im Gedächtnis, in der Einsicht und im Willen. Einsicht nenne ich aber dabei jenes Vermögen, durch welches wir denkend einsehen, das heißt einsehen, wenn die Inhalte, die unserem Gedächtnis gegenwärtig waren, aber nicht unserem Denken, gefunden werden und unser Denken formen; Wille oder Liebe oder Zuneigung nenne ich dabei das Vermögen, weiches jenen Ursprung und Sprößling eint und in einer gewissen Weise beiden gemeinsam ist. So ist es zu erklären, daß ich geistig schwerfälligere Leser durch die äußeren sinnfälligen Bereiche führte, die mit den Augen des Fleisches gesehen werden, im elften Buche nämlich, und von da aus mit ihnen in jenes Vermögen des inneren Menschen eintrat, mit dem man über die zeitlichen Dinge nachdenkt, dabei einstweilen die Erörterung über das beherrschende Hauptvermögen, mit dem man die ewigen Dinge schaut, aufschiebend. Ich nahm sie dann vor in den zwei folgenden Büchern; im zwölften deckte ich den Unterschied zwischen den beiden Vermögen auf; das eine von ihnen ist das höhere, das andere das niedrigere, das dem höheren untergeordnet sein muß; im dreizehnten Buche aber habe ich die Aufgabe des niedrigeren, das die heilbringende Wissenschaft von den menschlichen Dingen in sich schließt, so daß wir in diesem zeitlichen Leben das betreiben, womit wir das ewige erreichen, mit der mir möglichen Sachlichkeit und Kürze erörtert. Ich habe den so vielseitigen und weitverzweigten Gegenstand, der von vielen Großen in vielen großen Abhandlungen S. 223 rühmlichst behandelt wurde, in den engen Raum eines Buches hineingezwängt, dabei auch in diesem Bereiche eine Dreiheit aufdeckend, freilich noch nicht eine solche, die man Bild Gottes heißen kann.