Edition
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De Trinitate
IX.
[IX 15] Haec dicta sunt propter quod ait apostolus nunc per speculum nos videre. Quia vero addidit in aenigmate, multis hoc incognitum est qui eas litteras nesciunt in quibus est doctrina quaedam de locutionum modis quos Graeci ‚tropos‘ vocant eoque Graeco vocabulo etiam nos utimur pro Latino. Sicut enim ‚schemata‘ usitatius dicimus quam ‚figuras‘ ita usitatius ‚tropos‘ quam ‚modos.‘ Singulorum autem modorum sive troporum nomina ut singulis singula referantur difficillimum est et insolentissimum Latine enuntiare. Unde quidam interpretes nostri quod ait apostolus, quae sunt in allegoria, nolentes Graecum vocabulum ponere circumloquendo interpretati sunt dicentes, ‚quae sunt aliud ex alio significantia.‘
Huius autem tropi, id est allegoriae, plures sunt species in quibus est etiam quod dicitur aenigma. Definitio autem ipsius nominis generalis omnes etiam species complectatur necesse est. Ac per hoc sicut omnis equus animal est, non omne animal equus est, ita omne aenigma allegoria est, non omnis allegoria aenigma est. Quid est ergo allegoria nisi tropus ubi ex alio aliud intellegitur, quale illud est ad Thessalonicenses: Itaque non dormiamus sicut et ceteri sed vigilemus et sobrii simus. Nam qui dormiunt nocte dormiunt, et qui inebriantur nocte ebrii sunt; nos autem qui diei sumus sobrii simus? Sed haec allegoria non est aenigma. Nam nisi multum tardis iste sensus in promptu est. Aenigma est autem ut breviter explicem obscura allegoria sicuti est: Sanguisugae tres erant filiae, et quaecumque similia. Sed ubi allegoriam nominavit apostolus non in verbis eam reperit sed in facto cum ex duobus filiis Abrahae, uno de ancilla, altero de libera, quod non dictum sed etiam factum fuit duo testamenta intellegenda monstravit. Quod antequam exponeret obscurum fuit. Proinde allegoria talis, quod est generale nomen, posset specialiter aenigma nominari.
[16] Sed quia non soli qui eas litteras nesciunt quibus discuntur tropi quaerunt quid dixerit apostolus nunc in aenigmate nos videre, verum etiam qui sciunt, tamen quod sit illud aenigma ubi nunc videmus, nosse desiderant; ex utroque una est invenienda sententia, et ex illo scilicet quod ait, videmus nunc per speculum, et ex isto quod addidit, in aenigmate. Una est enim cum tota sic dicitur : Videmus nunc per speculum in aenigmate. Proinde quantum mihi videtur sicut nomine speculi imaginem voluit intellegi, ita nomine aenigmatis quamvis similitudinem tamen obscuram et ad perspiciendum difficilem. Cum igitur speculi et aenigmatis nomine quaecumque similitudines ab apostolo significatae intellegi possint quae accommodatae sunt ad intellegendum deum eo modo quo potest, nihil tamen est accommodatius quam id quod imago eius non frustra dicitur.
Nemo itaque miretur etiam in isto videndi modo qui concessus est huic vitae, per speculum scilicet in aenigmate, laborare nos ut quomodocumque videamus. Nomen quippe hic non sonaret aenigmatis si esset facilitas visionis. Et hoc est grandius aenigma ut non videamus quod non videre non possumus. Quis enim non videt cogitationem suam? Et quis videt cogitationem suam (non oculis carnalibus dico sed ipso interiore conspectu)? Quis non eam videt, et quis eam videt? Quandoquidem cogitatio visio est animi quaedam sive adsint ea quae oculis quoque corporalibus videantur vel ceteris sentiantur sensibus, sive non adsint et eorum similitudines cogitatione cernantur; sive nihil eorum sed ea cogitentur quae nec corporalia sunt nec corporalium similitudines sicut virtutes et vitia, sicut ipsa denique cogitatio cogitatur; sive illa quae per disciplinas traduntur liberalesque doctrinas; sive omnium istorum causae superiores atque rationes in natura immutabili cogitentur; sive etiam mala et vana ac falsa cogitemus vel non consentiente sensu vel errante consensu.
Übersetzung
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Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
9. Kapitel. Die bildliche Ausdrucksweise in unserer Gotteserkenntnis.
15. Diese Ausführungen machte ich wegen des Apostelwortes, daß wir jetzt im Spiegel sehen. Wenn er aber hinzufügt: „in Rätselbildern“,1 so ist diese Ausdrucksweise vielen unverständlich, weil sie die Wissenschaft nicht kennen, in der die Lehre von jenen Redefiguren behandelt wird, welche die Griechen Tropus nennen — auch wir verwenden dieses griechische statt des lateinischen Wortes. Wie nämlich der Ausdruck Schema gebräuchlicher ist als der Ausdruck Figur, so ist auch der Ausdruck Tropus gebräuchlicher als der Ausdruck S. 273 Weise. Die Bezeichnungen für die einzelnen Weisen und Tropen aber im Lateinischen wiederzugeben, so daß die Worte einander genau entsprechen, ist äußerst schwer und ganz ungewohnt. Daher haben manche unserer Übersetzer für das Wort des Apostels: „Das ist allegorisch (bildlich) zu verstehen“,2 da sie das griechische Wort nicht beibehalten wollten, in ihrer Übertragung eine Umschreibung gewählt und gesagt: „Wobei eine Wahrheit durch eine andere ausgedrückt wird“. Dieser Tropus, nämlich die Allegorie, hat mehrere Abarten, zu denen auch das gehört, was wir Rätsel heißen. Der Wesensinhalt einer allgemeinen Bezeichnung muß nun auch alle Arten umfassen. Wie sonach jedes Pferd ein Lebewesen ist, nicht aber jedes Lebewesen ein Pferd, so ist jedes Rätsel eine Allegorie, nicht aber jede Allegorie ein Rätsel. Was anderes also ist eine Allegorie als ein Tropus, bei dem die Aussage über eine Wirklichkeit von einer anderen gemeint ist,3 wie es in dem Worte an die Thessaloniker ist: „Wir wollen daher nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachsam und nüchtern sein. Denn die schlafen, schlafen in der Nacht, und die trunken sind, sind in der Nacht betrunken. Wir aber, die wir dem Tage angehören, wollen nüchtern sein.“4 Aber diese Allegorie ist kein Rätsel. Ihr Verständnis liegt nämlich außer für ganz schwerfällige Geister auf der Hand. Das Rätsel aber ist, um es kurz zu erklären, eine dunkle Allegorie, so in dem Satz: „Blutsaugerinnen waren die drei Töchter“,5 und in ähnlichen Aussagen. Wo aber der Apostel von der Allegorie spricht, da findet er sie nicht in Worten, sondern in einem Sachverhalt, da er zeigte, daß unter den zwei Söhnen Abrahams, von denen der eine von der Magd, der andere von der Freien war — es handelt sich da nicht um ein S. 274 Wort, sondern um einen Sachverhalt ―, die zwei Testamente zu verstehen sind. Bevor er dies auseinandersetzte war es unklar. Mithin könnte diese Allegorie — das ist ein Gattungswort — mit dem Sonderwort Rätsel bezeichnet werden.
16. Weil aber nicht nur jene, welche die Bücher nicht kennen, aus denen man den Tropus kennenlernen kann, fragen, was der Apostel mit dem Worte meinte, daß wir jetzt in Rätselbildern sehen, sondern auch jene, die sie kennen, jedoch zu wissen begehren, was das für ein Rätselbild ist, in dem wir jetzt sehen, so muß man aus den beiden Angaben des Apostels seine einheitliche Meinung herausfinden, aus der Angabe nämlich: „Wir sehen jetzt im Spiegel“ und aus der anderen, die er hinzufügt: „und in Rätselbildern“.6 Es ist nämlich nur eine einzige Aussage, da sie als ganzes so lautet: „Wir sehen jetzt im Spiegel und in Rätselbildern.“ Wie er also, wie mir scheint, mit dem Worte Spiegel das Bild verstanden wissen wollte, so wollte er mit dem Worte Rätselbild die Ähnlichkeit verstanden wissen, aber eine dunkle, dem Verständnis schwer zugängliche. Da also unter der Bezeichnung Spiegel und Rätselbild irgendwelche vom Apostel gemeinte Ähnlichkeiten verstanden werden können, welche geeignet sind, zur Einsicht Gottes zu führen, so wie er erkannt werden kann, so ist doch nichts geeigneter als das, was mit Grund sein Bild genannt wird. Niemand soll sich daher wundern, daß auch diese Weise zu sehen, die uns in diesem Leben gewährt ist, das Sehen nämlich im Spiegel und in Rätselbildern, mühsam ist, und daß wir uns mühen müssen, um auf irgendeine Weise zu sehen. Es würde ja hier nicht das Wort Rätsel erklingen, wenn es um dies Sehen etwas Leichtes wäre. Ja, es ist ein größeres Rätsel, warum wir nicht sehen, daß wir gar nicht sehen können. Wer sieht denn seine Gedanken nicht, und wer sieht seine Gedanken wirklich, ich sage nicht mit den S. 275 Fleischesaugen, sondern mit dem inneren Blicke? Wer sieht sie nicht und wer sieht sie? Ist doch der Gedanke eine Art Schau der Seele, mag vor ihr stehen, was man auch mit den Leibesaugen sehen oder mit den übrigen Sinnen wahrnehmen kann, mag es nicht vor ihr stehen und dessen Bild im Denken geschaut werden, mag nichts Derartiges, sondern das gedacht werden, was weder körperlich ist noch Bild von Körperlichem, wie die Tugenden und Laster, wie schließlich auch der Gedanke selbst gedacht wird, mag das, was in der Schule und in den freien Künsten gelehrt wird, mögen die höheren Ursachen von all dem und seine Wesensgründe in der unwandelbaren Natur gedacht werden, mögen wir selbst Böses und Eitles und Falsches denken, sei es daß wir dabei die Willenszustimmung versagen, sei es daß wir uns zur Zustimmung verirren.