8. Kapitel. Unterschied von Liebe und Begierlichkeit.
Diese Liebe (amor) ist also entweder Begehrlichkeit oder reine Liebe (caritas), nicht als ob man das Geschöpf nicht lieben sollte. Wenn aber diese Liebe auf den Schöpfer bezogen wird, dann ist sie nicht mehr Begehrlichkeit, sondern reine Liebe. Begehrlichkeit liegt nämlich dann vor, wenn das Geschöpf um seinetwillen geliebt wird. Dann hilft es nicht dem, der es gebraucht,1 sondern verdirbt den, der genießend in ihm ausruht. Da also das Geschöpf entweder uns gleich oder geringer ist als wir, so müssen wir das geringere gebrauchen und auf Gott hinordnen, das uns gleiche genießen, aber in Gott. Wie du nämlich dich selbst genießen darfst, aber nicht in dir, sondern in jenem, der dich schuf, so auch denjenigen, den du liebst wie dich selbst. Uns und die Brüder also wollen wir im Herrn genießen, und nicht wollen wir es wagen, von dort her zu uns selbst abzugleiten und gleichsam nach unten abzusinken. Geboren S. 59 aber wird das Wort, wenn das, was ausgedacht ist, unser Gefallen findet, sei es zur Sünde, sei es zum Rechttun. Unser Wort also und unseren Geist, von dem es gezeugt wird, eint gleichsam als das Mittlere die Liebe; sie verbindet sich mit ihnen in unkörperlicher Umarmung ohne jede Vermengung als Drittes.
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Die Ausdrück uti (gebrauchen) und frui (genießen) kehren bei Augustinus öfter wieder. Frui heißt in liebender Vereinigung an jemandem sich freuen um seiner selbst willen, uti etwas gebrauchen als Mittel zu einem Ziele: De doctrina christiana l. II c. 3, c. 5, De diversis quaestionibus 83, q. 30. De civitate Dei, l. XI c. 25. Vgl. Gilson 530, Schmaus 218, 308. ↩