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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De Trinitate Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
ZWEITES BUCH.

6. Kapitel. Der Heilige Geist nahm geschöpfliche Gestalten nicht so an wie der Sohn die menschliche Natur.

11. Daß jedoch Gott der Vater größer sei als der Heilige Geist oder der Heilige Geist geringer als Gott der Vater, ist deshalb nirgends in der Schrift zu lesen, weil der Heilige Geist die geschöpfliche Natur, in welcher er erschien, nicht in der Weise annahm, wie der Menschensohn angenommen wurde, in dessen Gestalt die Person des Wortes Gottes selbst dargestellt wurde, nicht nur damit der Menschensohn das Wort Gottes besitze wie andere Heilige und weise Männer, sondern vor allen seinen Genossen,1 nicht in dem Sinne, daß er das Wort Gottes in höherem Maße besäße, so daß er eine vortrefflichere Weisheit als die übrigen sein eigen hätte nennen können, sondern weil er das Wort Gottes selbst war. Etwas anderes ist es nämlich, wenn das Wort im Fleische wohnt, etwas anderes, wenn es Fleisch ist, das heißt, etwas anderes ist es, wenn das Wort im Menschen wohnt, etwas anderes, wenn das Wort Mensch ist. In dem Satz: „Das Wort ist Fleisch geworden“,2 steht nämlich Fleisch für Mensch. Ebenso ist es in dem Satze: „Und alles Fleisch wird das Heil Gottes schauen.“3 Denn es ist nicht ein Fleisch ohne Seele und Geist gemeint. Alles Fleisch steht vielmehr hier für: jeder Mensch. Nicht so also nahm der Heilige Geist die geschöpfliche Natur an, in welcher er erscheinen sollte, wie aus der Jungfrau Maria jenes menschliche Fleisch und jene menschliche Gestalt angenommen wurde. Denn der Heilige Geist beseelte weder die Taube noch jenen Sturm noch jenes Feuer. Er verband diese S. 68 Dinge auch nicht mit sich oder seiner Person für ewig zur Einheit der äußeren Erscheinung. Sonst wäre ja die Natur des Heiligen Geistes veränderlich und verwandlungsfähig, so daß nicht diese Erscheinungsformen aus dem Bereiche der Schöpfung gebildet würden, sondern er selbst, der Wandelbarkeit unterworfen, in diese und jene Gestalt umgebildet würde wie Wasser in Eis. In Wirklichkeit aber wurden diese Gebilde, wie der Augenblick es forderte, sichtbar, weil die Schöpfung im Dienste des Schöpfers steht. Sie unterwarf sich auf den Wink des unwandelbar in sich Beharrenden der Umbildung und Veränderung, damit sie den Schöpfer versinnbilde und als gegenwärtig erweise, sowie er für Sterbliche versinnbildet und als gegenwärtig erwiesen werden muß. So wurde also zwar die Taube Geist genannt,4 und von dem Feuer wurde gesagt: „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten und sich auf einen jeden von ihnen niederließen. Und sie begannen in fremden Sprachen zu reden, wie der Heilige Geist ihnen das Wort hierzu verlieh.“5 Es sollte durch das Feuer ebenso wie durch die Taube die Gegenwart des Heiligen Geistes erwiesen werden. Wir können jedoch nicht den Heiligen Geist Gott und Taube oder Gott und Feuer nennen, wie wir den Sohn Gott und Mensch heißen oder wie wir den Sohn Lamm Gottes heißen, und zwar nicht nur, weil Johannes der Täufer sagt: „Seht das Lamm Gottes“,6 sondern auch, weil Johannes der Evangelist in der Apokalypse das Lamm geschlachtet sieht.7 Diese prophetische Schau ist freilich nicht leiblichen Augen durch körperliche Gestalten verliehen worden, sondern vollzog sich im Geiste durch geistige Bilder von Körpern. Jene Taube aber und das Feuer sahen alle, die die Erscheinungen überhaupt sahen, mit den leiblichen Augen. Dabei kann man wohl darüber verschiedener Meinung sein, ob das Feuer den Augen des Leibes oder im Geiste sichtbar war, und zwar wegen des Wortlautes der S. 69 Heiligen Schrift. Sie sagt nämlich nicht: Sie sahen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten, sondern: „Erschienen sind ihnen (Zungen).“ Wir pflegen aber mit dem Ausdruck „es ist mir erschienen“ nicht denselben Sinn zu verbinden wie mit dem Ausdruck „ich sah“. Nun pflegt man zwar von dem Schauen der geistigen Dinge, wie sie die Bilder von Körpern darstellen, zu sagen sowohl: „Es ist mir erschienen“, wie auch: „Ich habe gesehen“. Von den körperlichen Gebilden jedoch, die vor unser Auge hingestellt werden, sagt man nicht: „Sie sind mir erschienen“, sondern: „Ich habe sie gesehen.“ Von jenem Feuer also kann man fragen, wie es sichtbar war, ob nur im Innern des Geistes, jedoch mit dem Eindruck, als ob es eine äußere Wirklichkeit wäre, oder wirklich äußerlich vor den Augen des Leibes. Von der Taube jedoch, die nach der Schrifterzählung in körperlicher Gestalt herabschwebte, hat noch nie jemand gezweifelt, daß sie mit den Augen des Leibes gesehen wurde. Wir können den Heiligen Geist auch nicht Taube und Feuer nennen, wie wir den Sohn Fels nennen — es steht ja geschrieben: „Der Fels aber war Christus“.8 Denn dieser Fels existierte schon in der Schöpfung, und auf Grund eines Tuns wurde er Christus genannt, den er versinnbildete, wie jener Stein, den Jakob unter sein Haupt gelegt, mit Öl begossen und als Zeichen des Herrn betrachtet hat,9 wie ferner Isaak Christus war, als er das Holz zu seiner Opferung trug.10 Bei all diesen Dingen wurde also mit der schon vorhandenen Wirklichkeit eine symbolische Handlung verbunden, nicht aber bekamen sie selbst wie die Taube und das Feuer plötzlich Existenz lediglich, um Symbol zu sein. Diese Erscheinungen haben, wie ich glaube, mehr Ähnlichkeit mit dem Feuer, das Moses im Dornbusch erschien,11 und mit der Säule, welcher das Volk in der Wüste nachging,12 und mit den Blitzen und Donnerschlägen, die bei der S. 70 Gesetzgebung auf dem Berge entstanden.13 Denn die sichtbare Erscheinung jener Vorgänge bekam Dasein, um etwas zu versinnbilden und dann wieder zu vergehen.


  1. Hebr. 1, 9. ↩

  2. Joh. 1, 14. ↩

  3. Luk. 3, 6. ↩

  4. Matth. 3, 16. ↩

  5. Apg. 2, 3 f. ↩

  6. Joh. 1, 29. ↩

  7. Off. 5, 6. ↩

  8. 1 Kor. 10, 4. ↩

  9. Gen. 28, 18. ↩

  10. Gen. 22, 6. ↩

  11. Exod. 3, 2. ↩

  12. Exod. 13, 21 f. ↩

  13. Exod. 19, 16. ↩

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