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Werke Hilarius von Poitiers (315-367) Tractatus super psalmos Abhandlungen über die Psalmen. (BKV)
Der zweiundsechzigste Psalm.
Abhandlung über den Psalm

3.

Allein das Gebet besteht nicht bloß in Worten, sondern kommt aus dem Herzen, und darum fügte er hinzu: „Meine Seele durstet nach dir, ganz aufrichtig durstet nach dir mein Fleisch. In dem öden, weglosen, wasserlosen Lande.“ Nach Gott also, bei dem der Quell des Lebens ist, durstet seine Seele, voll des Verlangens zu trinken. Und zwar sehnet sich eines Jeden Geist schon gleichsam aus einem natürlichen Triebe nach der Erkenntniß und Hoffnung der Ewigkeit; denn es ist, so zu sagen, Allen die Meinung angeboren und eingeprägt, daß der Ursprung der Seelen in uns göttlich sey,1 da der Geist selbst eine nicht geringe Verwandtschaft mit dem himmlischen Geschlechte in sich erkennet. Diese irdischen Leiber aber, welche zu einem Stoffe der Sünden gestaltet sind, wagen es nicht, weil sie von dem, wodurch sie gleichsam von Natur ergötzt werden, angesteckt sind, die Hoffnung zu hegen, daß sie mit der Theilnahme an dem Himmlischen beschenkt werden können; wie wenn nicht auch die Natur der Seele von den Ge- S. b221 brechen des Leibes, an welchen sie Vergnügen findet, angesteckt würde; oder wie wenn, da das Vergnügen des Leibes auf die Seele zurückwirkt, der Leib nicht auch die Seele zu dem Genusse des Vergnügens mit sich hinrisse. Das aber muß an der Verdammung der Lust gleichen Antheil haben, was an der Lust gleichen Antheil hat. Allein wir, durch geistige Lehren unterrichtet, wissen, daß sowohl der Seele als auch dem Leibe die Seligkeit von Gott verliehen sey, wenn nur nach der Gnade der Wiedergeburt der Sinn des Leibes an den Freuden des Geistes Theil nimmt, das ist, wenn wir nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste leben; weil die Werke des Geistes und des Fleisches, nach dem Apostel, sich durch die Liebe zur Enthaltsamkeit und durch den Hang zu Lastern unterscheiden. Schwer ist es zwar, aber der Wahrheit ganz angemessen, die Ewigkeit des Leibes eben so, wie die der Seele zu hoffen. Und darum machte der Prophet zu dem Durste der Seele einen Beisatz: „Es durstet nach dir meine Seele, ganz aufrichtig durstet nach dir mein Fleisch;“ indem er nichts mit ungläubigem Zweifel als ungewiß bei sich behielt, sondern erklärte, daß sein Fleisch eben so aufrichtig dürste, wie seine nach Gott durstende Seele. Denn nicht nach dem Leibe, sondern nach Gott durstet der Durstende. Denn obschon ihn, da er in einer öden, weglosen und wasserlosen Gegend weilte, selbst der Zwang der Natur, den Durst des Leibes zu leiden, nöthigte; so wußte er doch, daß auch durch diese Leiden des Hungers und des Durstes der Glaube der Gläubigen geprüft werden müsse, auf daß die Seele, welche auch nach dem Leibe durstet, mehr nach Gott, als nach dem Leibe durste; weil2 weder Hunger, noch Bedrängnisse, noch irgend einige Arten von Leiden den Apostel von der Liebe Gottes, welche in Christo ist, trennen würden. Der Heilige durstet also nach Gott. Nach S. b222 was er aber durste, sprach er in einem andern Psalme aus, wo er sagt:3 „Meine Seele durstet nach dem lebendigen Gott; wann werde ich hinkommen und erscheinen vor deinem Angesichte?“ Dieses ist die Sehnsucht seiner Seele, dieses der Durst seiner Hoffnung, daß ihm die Anschauung Gottes zu Theil werde, daß er, sobald als möglich, hingerückt in den Wolken, und erhoben zu Gott dem Gesalbten, vor diesem möchte erscheinen können.


  1. Worin diese göttliche Verwandtschaft unserer Seele bestehe, findet sich angegeben z. Psalm 129. Allein Hilarius behauptet ihre Verwandtschaft mit Gott auf diese Weise, daß er sie geschaffen nennt, „da jede Seele das Werk Gottes ist,“ Buch 10, von der Dreiein. §. 20. Und somit hat Hilarius nichts gemein mit dem Irrthume, dessen Origenes verdächtig ist, und welchen Augustinus den Piscillianisten zuschreibt, welche behaupten, die Seele sey ein Theil von Gott, und mit Gott gleicher Wesenheit und Natur. Hilarius hat vielmehr hierin dem heil. Augustinus einen Wink gegeben, der von dem Ursprunge der Seele folgendes behauptet: „Daß wir glauben, sie sey nicht ein Theil von Gott, sondern ein Geschöpf, nicht aus Gott geboren, sondern von ihm geschaffen, und werde in sein Geschlecht aufgenommen werden durch wunderbare Gnade, nicht durch gleiche Würde der Natur.“ Brief. 190, § 4. ↩

  2. Röm. VIII, 35. ↩

  3. Psalm XLI, 4. ↩

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