3. Kapitel
Und daß sich nur keine einbildet, sie sei mit der Ausrede entschuldigt: man könne ja untersuchen und prüfen, ob sie noch eine Jungfrau sei! Denn Hand und Auge der Hebamme täuscht sich oft genug, und wenn auch eine Jungfrau an dem Teile des Leibes unverletzt befunden wird, der bei einem Weibe in Betracht kommt, so kann sie doch auch an einem anderen Körperteile gesündigt haben, der zwar geschändet, aber nicht untersucht werden kann. Fürwahr, wieviel Schmach und Schuld läßt schon das Beisammenliegen, schon das Umarmen, schon das Kosen und Küssen und das schändliche und schimpfliche Zusammenschlafen erkennen! Wenn ein Gatte seine angetraute Frau überrascht und bei einem anderen liegen sieht, nicht wahr, da ergrimmt er und schnaubt vor Wut und greift vielleicht im Schmerze der Eifersucht gar zum Schwert? Und Christus, unser Herr und Richter? Wenn er die ihm geweihte und für seine Heiligkeit bestimmte Jungfrau bei einem S. 13 anderen liegen sieht, wie muß er ergrimmen und erzürnen und welche Strafen droht er für solche unzüchtige Beziehungen an! Müssen wir denn nicht mit allen Mitteln dafür sorgen und danach streben, daß jeder unserer Brüder seinem geistlichen Schwert und dem kommenden Tag des Gerichts zu entrinnen vermag? Und wenn auch alle ohne Ausnahme die Zucht zu halten haben, so haben doch die Vorsteher und Diakone noch viel mehr das Recht und die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, da sie ja den übrigen mit ihrem ganzen Lebenswandel und ihren Sitten ein vorbildliches Beispiel geben sollen. Denn wie sollten sie über Sittenreinheit und Enthaltsamkeit zu wachen vermögen, wenn sie sich selbst als Lehrmeister der Verderbnis und der Laster betätigen?