20. Kapitel
Glaube auch nicht, teuerster Bruder, daß etwa deswegen, weil man den Gefallenen die Buße erleichtert und den Bußfertigen die Hoffnung auf Frieden eröffnet hat, der Heldenmut der Brüder abnimmt oder das Märtyrertum eine Einbuße erleidet! Unerschütterlich bleibt die Stärke der wahrhaft Gläubigen, standhaft und tapfer hält die Reinheit derer aus, die Gott fürchten und von ganzem Herzen lieben. Wird von uns doch auch den Ehebrechern eine Bußfrist zugestanden und Friede gewährt. Und dennoch leidet deshalb keineswegs die Jungfräulichkeit in der Kirche, und auch der ruhmwürdige Vorsatz der Enthaltsamkeit erlahmt nicht wegen der Sünden anderer. In Blüte steht die mit so vielen Jungfrauen bekränzte Kirche, zäh bewahrt die Keuschheit und Züchtigkeit ihren Ruhm, und die Kraft der S. 186 Enthaltsamkeit bleibt ungebrochen, wenn auch dem Buhlen Buße und Verzeihung erleichtert wird. Etwas anderes ist es, der Verzeihung erst harren zu müssen, als zur Herrlichkeit zu gelangen; etwas anderes ist es, in den Kerker geworfen und nicht eher wieder daraus entlassen zu werden, bis der letzte Heller bezahlt ist1, als sofort den Lohn des Glaubens und der Tugend zu empfangen; etwas anderes ist es, für seine Sünden in langem Schmerz gepeinigt und durch anhaltendes Feuer gereinigt und geläutert zu werden, als alle seine Sünden durch das Leiden (des Martyriums) auf einmal zu sühnen; etwas anderes ist es, erst am Tage des Gerichts vom Urteil des Herrn abhängig zu sein, als sofort von dem Herrn gekrönt zu werden.
-
Vgl. Matth. 5, 26. ↩