27. Verschiedenheit der philosophischen Schulen.
Dazu kommt noch der Umstand, daß die Philosophie keine einheitliche Gestalt hat; sie ist in Sekten geteilt und geht in viele grundverschiedene Anschauungen auseinander; sie hat darum keinen festen Bestand. Jede Sekte bekämpft und verwirft alle anderen Schulen, und es gibt keine von ihnen, die nicht nach dem Urteil der übrigen der Torheit zu zeihen wäre; und so wird bei der Zwietracht der Glieder der ganze Leib der Philosophie dem Untergang entgegengeführt. Daraus ist in der Folge die Akademie1 entstanden. Die Häupter dieser Schule sahen, daß die ganze Philosophie durch den wechselseitigen Ansturm der Philosophen umgestürzt war; daher unternahmen sie den Krieg wider alle, um die Lehrsätze aller aufzulösen, während sie für sich nur das eine behaupteten, daß man nichts wissen könne. So haben sie mit der Aufhebung des Wissens die alte Philosophie untergraben. Aber auch sie vermochten nicht den Namen Philosophen zu behaupten, nachdem sie sich zur Unwissenheit bekannt hatten; denn alles nicht zu wissen, steht nicht einmal dem gewöhnlichen Menschen an, geschweige denn dem Philosophen. So kommt es, daß die Philosophen, durch keinerlei Schutzwehr gedeckt, in wechselseitigen Wunden sich aufreiben, und daß die ganze Philosophie mit ihren eigenen Waffen sich zerstört und vernichtet. „Aber es bricht ja nur die Naturphilosophie allein zusammen.“ Wie? Steht denn die Moralphilosophie auf einem festeren Grunde? Sehen wir zu, ob die Philosophen wenigstens in dem Teil S. 160 übereinstimmen, auf dem der geordnete Bestand des Lebens beruht.
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Die mittlere unter Arkesilas, gest. 241 v. Chr., die neuere unter Carneades, gest. 125 v. Chr. ↩