Dritter Artikel. Beweise für das Dasein Gottes.
a) I. Solche Beweise zu suchen, scheint von vornherein nutzlos zu sein. Denn wenn ein Sein unendlich ist, so schließt es sein grades Gegenteil von der Existenz aus. Unter „Gott“ wird aber etwas unendlich Gutes verstanden. Also müßte das Gegenteil vom göttlichen Sein, das Übel nämlich, in der Welt nicht existieren. II. Dazu kommt, daß ein solches Wesen wie Gott ganz und gar überflüssig erscheint. Denn alles, was in der Welt existiert, kann durch andere Principien erklärt werden ohne die Voraussetzung einer Ursache wie Gott. In der That läßt sich, was mit natürlicher Notwendigkeit geschieht, zurückführen auf die Natur. Was aber aus Absicht geschieht, geht vom freien Willen oder von der Vernunft des Menschen aus. Also besteht keinerlei Notwendigkeit für die Annahme, es sei ein Gott. Andererseits steht im Exod.. 3, 14. als aus der Person Gottes selber gesprochen: „Ich bin, der ich bin.“
b) Ich antworte, die Existenz Gottes wird auf fünffachem Wege bewiesen. 1. Es ist gewiß und zwar bereits in der Erfahrung der Sinne begründet, daß manches in der Welt der Bewegung unterliegt. Was aber auch immer in Bewegung ist, das wird von etwas anderem in Bewegung gesetzt. Denn selbstverständlich wird kein Ding zur Erreichung dessen bewegt, was es bereits im Besitze hat; sondern offenbar bezweckt die Bewegung, das zu erlangen, was noch nicht thatsächlich besessen wird, wohl aber besessen nerden kann. Bewegen jedoch kann etwas nur gemäß der Kraft, die es wirklich besitzt. Denn Bewegen will nichts anderes besagen, als ein Vermögen aus dem Zustande der Ruhe in den der Thätigkeit zu versetzen. Aus der Ruhe kann aber ein Vermögen nur dann zur Thätigkeit übergehen, wenn ein Sein, das bereits thatsächlich thätig ist, auf das betreffende Vermögen einwirkt, wie z. B. das Feuer, welches schon in Wirklichkeit warm ist, das Holz erwärmt, das da nur das Vermögen hat, warm zu werden. Denn es ist in der That unmöglich, daß etwas eine Vollkommenheit besitzt und dieselbe zugleich nicht besitzt. Was erst warm zu werden vermag, das ist thatsächlich kalt; hat aber das Vermögen, warm zu werden. Es ist demnach schlechthin eine Unmöglichkeit, das sich etwas ganz und gar in derselben Beziehung auf ganz dieselbe Art und Weise zugleich bewege und bewegt werde, somit in diesem Sinne sich selbst bewege; denn um zu bewegen, ist es erforderlich, daß es die entsprechende Kraft besitze, sowie etwas warm sein muß, um erwärmen zu können; um aber nach dem Besitze einer gewissen Vollkommenheit hin bewegt zu werden, darf es dieselbe nicht besitzen. Bewegen und bewegt werden sind also Begriffe, die sich gegenseitig, soweit es genau dasselbe Subjekt angeht, ohne Zweifel ausschließen: gleichwie das Feuer die Fähigkeit ausschließt, warm zu werden. So also ist es unumgänglich notwendig, daß, was auch immer in Bewegung ist, von anderem bewegt werde. Wenn nun aber dasjenige, was in Bewegung setzt, wieder selber in Bewegung ist, so muß auch dieses wieder von einem anderen den Anstoß zur Bewegung erhalten. Es kann jedoch keineswegs in den bewegenden Kräften eine Reihe ohne Ende angenommen werden, da es in diesem Falle thatsächlich keine zuerst bewegende Kraft geben würde, somit aber auch keine der folgenden bewegen könnte, insofern keine derselben bewegt, wenn sie nicht selber von der vorhergehenden den Anstoß erhalten hat, gleichwie der Stock nicht bewegt, wenn er nicht von der Hand in Bewegung gesetzt wird. Notwendigerweise also muß folgerichtig eine erstbewegende Kraft angenommen werden, die selber völlig unbeweglich ist und sonach keiner andern bewegenden Kraft bedarf; diese aber ist nach dem Geständnisse aller Gott. 2. Der zweite Weg, auf welchem zur Anerkennung des Daseins Gottes gelangt wird, beruht auf dem Begriffe der bewirkenden Ursache. Wir finden nämlich in den uns umgebenden, sinnlich wahrnehmbaren Dingen eine geordnete Folge von bewirkenden Ursachen. Es kann nun jedenfalls nicht gesagt werden, daß etwas sich selber hervorbringe, da es einfach unmöglich ist, daß etwas früher sei als es ist. Gleicherweise ist es aber unmöglich, daß die Folge von bewirkenden Ursachen ununterbrochen ohne Ende sei, da in allen solchen bewirkenden Ursachen, die unter sich einen geordneten Zusammenhang haben, in denen also das eine die Ursache des anderen ist, das Erste die Mittelursache hervorbringt und diese die letzte Wirkung zur Folge hat, mag nun eine einzige Mittelurfache oder eine Mehrzahl angenommen werden. Wird nun die Ursache entfernt, so muß auch die Wirkung fort bleiben; giebt es also kein Erstes, so fällt auch die Mittelursache weg, und folgerichtig zugleich die letzte Wirkung. Da aber bei einer endlosen Reihe von bewirkenden Ursachen keine erste bewirkende Ursache vorhanden sein kann, so kann es auch keine Mittelursache und demgemäß keine Schlußwirkung geben, was offenbar den Thatsachen widerspricht. Es existiert daher notwendig eine erste bewirkende Ursache, welche eben alle Gott nennen. 3. Der dritte Weg zur Anerkennung der Notwendigkeit des Daseins Gottes geht aus vom Möglichen und Notwendigen. Wir finden nämlich in den Dingen manches, was sein oder auch nicht sein kann; zeigt doch die Thatsache des Entstehens oder Vergehens, dem viele Dinge unterworfen sind, daß eine Möglichkeit vorhanden ist, zu sein, und zugleich die Möglichkeit, nicht zu sein. Es ist aber unmöglich, daß, was so beschaffen ist, immer sei; weil, was in seiner Natur die innere Möglichkeit besitzt, nicht zu sein, zuweilen auch thatsächlich nicht ist. Wenn nun aber schlechthin alles die Möglichkeit hat, nicht zu sein, so war auch einmal nichts. Ist dies jedoch der Fall, so würde auch jetzt noch nichts sein, was offenbar falsch ist. Nicht also alles Sein schließt in sich die Möglichkeit ein, nicht zu sein, sondern es muß etwas sein, was mit Notwendigkeit existiert. Alles derartige hat nun die Ursache seiner Notwendigkeit entweder von außen oder nicht. Da aber auch hier keine Reihe ohne Ende angenommen werden kann, ebenso wenig wie rücksichtlich der wirkenden Ursachen, so muß ein Sein existieren, das ganz und gar aus seinem eigenen Innern heraus notwendig ist und diese Notwendigkeit keinem äußeren Grunde verdankt, vielmehr sie in allem, was notwendig ist, verursacht; dieses Sein aber nennen alle Gott. 4. Der vierte Weg, um zur sicheren Kenntnis des Daseins Gottes zu gelangen, geht von der Thatsache aus, daß in den Geschöpfen sich verschiedene Abstufungen des Seinsgrades vorfinden. Es wird nämlich ohne Zweifel in den Dingen ein höherer und ein niedrigerer Grad von Güte, von Wahrheit und von Seinswert gefunden. Eine solche Verschiedenheit kann aber nur insoweit als möglich angenommen werden, inwieweit ein derartiger Grad mehr oder minder absteht von dem, was den entsprechenden Vorzug im unbedingt höchsten Grade besitzt; wie z. B. etwas im selben Grade warm ist, als es dem unbedingt und notwendig am meisten Warmen nahe steht. Es giebt also ein im höchsten Grade Wahres, ein ausschließlich höchstes Gut, ein schlechthin Ewiges; folgerichtig auch ein Sein, welches auf der ohne Zweifel höchsten Stufe steht. Denn was im höchsten Grade wahr ist, das ist auch im höchsten Grade Sein. Nun ist aber, was irgend eine Eigenschaft im höchsten Grade besitzt, die Ursache dieser selben Eigenschaft, insoweit sie sich in anderen Dingen vorfindet, wie z. B. das Feuer, das am meisten und unabhängig von allem warm ist, die Ursache der Wärme in allen übrigen Geschöpfen bildet. Also existiert ein höchstes Sein, das da wirkende Ursache des Seins und des Wahren und des Guten, mit einem Worte aller Vollkommenheiten ist, die sich irgendwie oder irgendwo vorfinden. 5. Der fünfte Beweis für das Dasein Gottes geht von der Leitung der Dinge aus. Wir sehen nämlich, daß so manche Wesen, die der erkennenden Vernunft entbehren, wie z. B. alles Körperliche in der Natur, bei ihrer Thätigkeit einen Endzweck verfolgen; dies erhellt daraus, daß sie immer oder doch in den weitaus meisten Fällen auf ein und dieselbe Weise thätig find, damit sie erlangen, was für sie vollkommen ist. Sonach werden dieselben nicht vom Zufalle getrieben, sondern durch eine bestimmte Absicht bis zur Erreichung des Zweckes geleitet. Mit Absicht aber zu einem bestimmten Zwecke leiten, kann nur ein mit Wille und Einsicht begabtes Wesen, gleichwie die bestimmte Richtung des Pfeiles den Schützen verrät. Also giebt es ein vernünftiges Sein, welches alle natürlichen Dinge, und zwar insoweit dieselben eben eine Natur haben, zum Zwecke geleitet; und dieses Sein nennen wir Gott.
c) I. Der Einwand hat recht damit, wenn er meint, man müsse Gott die Unendlichkeit zuschreiben. Aber eben aus dieser Unendlichkeit folgt, wie nichtig der Vorwurf ist. Augustin weist ihn mit folgenden Worten zurück (Enchir. c. 11.): „Da Gott im denkbar höchsten Grade gut, nämlich die Güte selber ist, so würde Er in seinen Werken keinerlei Übel zulassen; wenn Er dabei nicht in dem Grade allmächtig und gut wäre, daß Er das Übel selbst zum Guten wendete.“ Es geht also gerade aus der Unendlichkeit der göttlichen Güte hervor, daß der Herr Übel zulasse und von da her Gutes leite. II. Der zweite Einwurf findet seine Widerlegung im fünften Beweise. Die Natur in jeglichem Dinge ist der Grund, daß das betreffende Ding, dieser Natur überlassen, immer nach einer ganz bestimmten Richtung hin thätig ist. Da sich aber niemand die Natur selber geben kann, so ist es notwendig, daß auch die bestimmte Richtung ihrer Thätigkeit nicht von ihr komme, sondern aus der leitenden Absicht einer höheren wirkenden Ursache stamme. Wo also eine Natur ist, da muß eine Ursache vorhanden sein, die über sie erhaben dasteht und deshalb frei aus sich heraus ihr die bestimmte Richtung der Thätigkeit verleihen kann. Da nun die Natur des einen Dinges mit der des anderen notwendig verbunden ist, muß eine erste Ursache bestehen, welche über alle naturnotwendige Thätigkeit erhaben ist und sie frei aus sich heraus hervorzubringen vermag. In ähnlicher Weise zeigen die freien und vernünftigen Handlungen auf das Dasein Gottes als auf ihre vornehmste Ursache. Denn sie sind veränderlich und dem Zufalle unterworfen. Der frei handelnde Mensch kann fallen. Was aber veränderlich ist und von sich aus sowohl sein als auch nicht sein kann, muß (vgl. den dritten Beweis) zurückgeführt werden auf ein erstes Princip, das da unbeweglich ist und innerlich notwendig. (vgl. zu diesen fünf Beweisen meine Erklärungen in: „Natur, Vernunft, Gott“.)