Drittes Kapitel. Die Einfachheit Gottes. Überleitung.
Hat man von etwas erfahren, daß es wohl da ist, so bleibt zu untersuchen, welcher Weise es ist, damit man lernt, was es ist. Aber weil wir von Gott nicht wissen können, was er ist, sondern was er nicht ist, so können wir auch von Gott nicht erwägen, welcher Weise er ist, sondern eher, wie er nicht ist. Am ersten ist also zu überlegen, wie er nicht ist, an zweiter Stelle, wie er von uns erkannt, an dritter, wie er von uns genannt wird. Es läßt sich zeigen, wie Gott nicht ist, indem man von ihm wegnimmt, was ihm nicht zukommt, wie etwa Zusammen gesetztheit, Bewegtheit und anderes derart. Man muß also zunächst die Untersuchung auf seine Einfachheit richten; diese entfernt von ihm eine Zusammensetzung. Weil aber bei den Körperdingen die einfachen unvoll kommen und Stücke sind, so muß man zweitens nach sei ner Vollkommenheit fragen, drittens nach seiner Unendlichkeit, viertens nach der Unveränderlichkeit, fünftens nach der Einheit. Das erste anlangend, erheben sich acht Fragen: 1. Ist Gott ein Körper 2. Gibt es in Gott eine Zusammensetzung von Form und Stoff? 3. Ist dieser Gott ein und dasselbe mit seiner Wesenheit oder Natur? 4 Ist in Gott Wesenheit und Dasein ein und dasselbe? 5. Ist Gott in irgend einer Gattung? 6. Gibt es in Gott irgend welche Beischaften? 7. Ist Gott von zusammengesetzter Art oder durchaus einfach? 8. Kommt Gott in eine Zusammensetzung mit anderem hinein? Thomas, fängt nun an, in die einzelnen Verhältnisse und Zustände mit der Leuchte der heiligen Theologie hineinzuleuchten. In die tiefsten Tiefen leuchtet er mit grenzenloser Sicherheit hinein; denn seine Stütze ist das ewige Wort. Und was findet er? Das, was Job gefunden: „Der Tod und die Hölle sagen: Die Weisheit ist nicht in mir.“ (Job.) Alles stoffliche Leben endet im Tode, ist eingeschlossen im Tode; der Tod aber leugnet es geradezu sowohl als zeitlicher, der nur einen Augenblick dauert, wie auch als ewiger, der niemals aufhört, daß er sagen kann, was Gott sei. Blicke in dich, Mensch! In welcher Weise kannst du aus dir selbst emporsteigen zur Erkenntnis Gottes? Leugne; verneine; sage von allem dem, was du in dir selber wahrnimmst: So ist Gott nicht. Du hast einen Körper, der in ewigem Wechsel fortwährend dahinstirbt. Wie viele freuen sich nicht an der Schönheit, welche die Sinne wahrnehmen! Wie viel Leid und Klage übernehmen die Menschen nicht, um an sinnlicher Freude teilzunehmen, um Schönes zu sehen, harmonisch Klangvolles zu hören, Kostbares zu schmecken! Das Leben setzen sie manchmal aus sinnlicher Lust 1daran. Wie schön, wie gut muß doch Gott sein, der selbst über die ohnmächtige Körperwelt so hinreißende Güter ausstreuen konnte! Ist Er selber aber körperlich? Nein! In Gott ist nichts zu beklagen. Der Prophet aber klagt: „Alles Fleisch ist wie Heu; wie die Blume des Feldes, die heute blüht und Morgen vergeht.“ Der Dulder Job jammert (c. 18.): „Der Mensch ist vom Weibe geboren; kurze Zeit nur lebt er und vielseitigen Elends ist er voll. Wie eine Blume sproßt er auf und er wird zertreten; wie ein Schatten entflieht er und niemals bleibt er im nämlichenZustande.“ In Gott ist keinerlei Nichts. Der Körper aber hat Teile, von denen der eine nicht der andere ist. Sage, o Mensch, wenn du deinen Körper betrachtest: Nein; Gott ist zwar, aber so ist er nicht. Dringe weiter vor bis zu deinem Geiste! Ist barin etwas, „worin Gott dir ähnlich wäre?“ Wiederum und mit aller Entschiedenheit: Nein! Wie vielen Unvolllommenheiten ist deine Seele ausgesetzt, schon deshalb, weil sie mit dem Körper eine nämliche einheitliche Natur bildet. Fehlt dir das Gesicht; — dann hast du auch keine Idee von den Farben. Fehlt dir das Gehör; — du weißt nicht was Ton ist. Die Krankheit macht für gewöhnlich auch den Geist elend. Der Schlaf, die Schwäche der Kindheit, des Greisenalters, raubt ihm mehr als die Hälfte der Zeit. Es genügt eine Verwirrung im Gehirn, um die Flügel des Geistes zu lähmen. Er ist dann wie der in einer Schrift liest, in welcher die Buchstaben wirr durcheinanderstehen; derselbe kann wohl an und für sich lesen, aber das Werkzeug dazu ist verfehlt. Der Eindruck, den der Zorn in die Sinne macht, ermangelt nicht seiner Folge für den Geist. Das unglücklichste Laster, das es giebt, feiert seine Triumphe selbst über den Geist, so grobsinnlich es für sich auch immer sein mag. Wer könnte nur einen Augenblick glauben, daß Gott unserem Geiste hierin ähnlich wäre! Nein, nein, sage: So ist, Gott nicht. Aber der Geist hat an sich hohe und reine Fähigleiten. Seine Vernunft und sein freier Wille erwerden ihm Anspruch auf die Herrschaft über die sichtbare Welt. Schauen wir jedoch näher zu, so gilt es auch hier: „Er ist nicht in mir.“ Gott ist uns darin nicht im mindesten ähnlich, wenn auch die Vorzüge, die wir haben, von Ihm sind und somit wir ihm in etwa ähnlich sind. Was versteht denn unsere Vernunft? Was nicht ist. Den Stein z. B. versteht sie, weil sie weiß, worin er nicht Pflanze, nicht Luft, nicht Wasser ist. Die Pflanze versteht sie, insoweit sie sieht, worin selbe nicht Tier ist. Und kaum hat sie etwas verstanden, so schaut oder wenigstens ahnt sie es sogleich, daß noch weit mehr übrig bleibt; und daß, soweit sie versteht, sie nur dieses Eine versteht: daß alles, was sie versteht, im Vergleiche zu dem, was sie nicht versteht, nichts ist. Ja, gerade die Vernunft in der Seele ist das lebendige Zeugnis dafür, daß nichts in uns besteht, was uns nicht Veranlassung gäbe zu rufen: Soweit auch immer wir uns selber durchdringen, wir müssen sagen: So ist Gott nicht. Nur unser tieferes Nichts, nur unseren Abstand vom Wesen und von der Natur Gottes zeigt uns die richtig geleitete Vernunft. Welch hohe Kraft liegt in der Freiheit! Aber auch hier werden wir bei tieferem Begreifen von uns selber abgewiesen und müssen sagen: So ist nicht Gottes Freiheit. Wir können elendiglich fallen! Also kommt es nicht von uns, wenn wir stehen; sonst würden wir ja immer stehen. Nein; die Freiheit gerade bezeugt uns am allermeisten, daß alle unsere Vermögen reine Vermögen sind; und daß sie des Einwirkens Gottes bedürfen, sollen sie überhaupt in etwa positiv thätig sein. Bedarf nämlich die höchste Fähigkeit in uns, die der Freiheit, ganz ausdrücklich des Einwirkens von seiten Gottes, damit sie sich selber und dem gesamten Menschen zum Besten wirke; wie vielmehr dann die weniger erhabenen! Hier ist es Zeit, mit der Kirche zu flehen: „O Herr, der Du weißt, daß die menschliche Gebrechlichkeit ohne Dich nur fallen kann, verleihe die Hilfe deiner Gnade, damit, was wir aus eigenen Kräften nicht vermögen, durch Deinen Beistand gelinge.“ Den Tod tragen wir in uns als unseren Gewalthaber; „täglich sterbe ich,“ ruft der Apostel; — Gott aber ist das Leben. Die Thorheit ist der Anteil unserer verdorbenen Natur; und nicht selten gefällt uns Diese Thorheit noch dazu zum ewigen Zeugnisse, daß ohne den Beistand Gottes wir elendiglich fallen; — Gott aber ist die Weisheit. „Wie Wasser verfließt unser Leben,“ so grohe Ohnmacht ist unser Eigen; — Gott aber ist die Macht. „Von Natur sind wir Kinder des Zornes;“ — Gott aber ist ewiger Frieden. „Wie ein Nichts ist meine (ganze) Substanz vor Dir“ mit allen den Vermögen und Kräften, die ihr entquillen; so ruft der Psalmist. Denn Gott allein ist volles einfachstes Sein. „Nein,“ antwortete der große Vorläufer Christi kurz; als man ihn fragte, ob er ein Prophet sei. „Nein!“ muß unsere Antwort sein; wenn es gilt, anzugeben, aus welcher unserer Kräfte auf das innere Wesen Gottes geschlossen werden kann, oder worin Gottes Natur der unsrigen ähnlich ist, also mit ihr etwas gemeinsam hat. „Einfältig“ wird ein Mensch genannt, der vieles oder alles bedarf, um vollkommen zu sein; er ist einfach, d. h. der Ohnmacht nahe. „Einfach“ ist Gott, weil Er nur Fülle ist, nur Vollkommenheit, ohne den mindesten Mangel. Er ist groß, ohne Ausdehnung: Schöpfer des Alls, ohne irgend welchen Verlust: über alles erhöht, ohne einen Platz einzunehmen: überall, ohne Ort: ewig, ohne Ziel nach außen: Erl verändert alles und wird nie geändert: giebt fortwährend, ohne zu verlieren. Der Engel ist zwar rein geistig; aber sein Wes«n bedarf noch mancherlei Eigenschaften und Vollkommenheiten, die da, gleichwie die Farben ein Kleid schmücken und doch nicht aus der Natur des Kleides fliehen, sondern hinzugefügt sind, ähnlichermaßen nicht aus dem Wesen des Engels herausfließen, sondern demselben vom Schöpfer hinzugefügt werden. Voller Wunder ist die Substanz Gottes; denn es fehlt ihr nichts. Die Unermeßlichkeit des Meeres strahlt in ihr; aber ohne dessen Eintönigkeit. Die bunte Schönheit des blumenreichen Feldes schmückt sie; aber ohne jede Vergänglichkeit. Der Diamant strahlt herrlich; aber manche ziehen den Smaragd vor, dessen eigentümlichen Glanz der Diamant nicht besitzt. Die Sterne verleihen der stillen Nacht jene Pracht, welche dem Herzen so wohl thut; aber ihre Beweglichkeit hindert den vollen Eindruck ihres glanzvollen Leuchtens. Nimm vom Meere, vom Felde, vom Diamanten, vom Smaragden, vom Rubin, vom goldleuchtenden Sterne, was dir daran gefällt; ziehe ab davon alles, was Mangel bedeutet, was fehlt. Vervielfältige die erhaltene Summe von Schönheit und Pracht Millionen Male. Zähle dazu den Glanz der Wissenschaft, die Kraft der Tugend, und all dies erhebe in die unbeschränkteste, in die denkbar höchste Potenz; — und dann sage: Alles dies zeigt mir bloß, was Gott nicht ist. Alles das thut nur dar, wie Gott nichts bedarf, wie Er in unbegreiflicher Weise in seinem Sein alle die endlosen Wunder des Alls in einfachster Fülle vereinigt. Diesen Gott liebe, o Mensch! Du findest in Ihm alles Schöne und Liebwerte, was die Erde bietet; denn dies alles ist ja sein Werk. Aber du findest zugleich noch unendlich mehr! Non sum, „ich bin nicht,“ sagt die Kreatur einzeln ebensogut wie im Vereine mit allen anderen, wenn sie gefragt wird, welches Sein sie von sich aus zu eigen hat. Sum qui sum, Qui est, antwortet der Schöpfer: „Alles Sein bin ich.“ Dies erklärt theologisch Thomas im folgenden Kapitel: } Da also, so fährt er fort, wir nun erkannt haben, daß Gott ist, bleibt nur übrig, daß man von Ihm wisse, wie Er ist. Weil aber wir nicht wissen können, was Gott seinem Wesen nach sei, sondern vielmehr nur. was Er nicht sei; so können wir auch eigentlich nicht wissen, wie Gott ist; wohl aber, wie Er nicht ist. So wollen wir denn nun erforschen: 1. Wie Gott nicht ist; — 2. wie Er von uns erkannt wird; — 3. wie Er genannt wird. Dann aber können wir wissen, wie Gott nicht ist, wenn mir von Ihm entfernen, was Ihm nicht zukommt; wie z. B. die Zusammensetzung, die Bewegung u. dgl. So also sei zuerst gehandelt über seine Einfachheit; denn dadurch entfernen wir von Ihm die Zusammensetzung. Und weil was in den geschöpflichen Dingen einfach genannt wird, etwas Unvollkommenes ist und nur Teil eines größeren Ganzen, so folge dann die Behandlung seiner Vollkommenheit, darauf die seiner Unendlichkeit, ferner die seiner Unveränderlichkeit und endlich seiner Einheit.
