Erster Artikel. Begriffsbestimmung der Person.
a) Die Begriffsbestimmung des Boëtius (de duabus naturis) scheint ungenügend zu sein. Denn: I. Kein einzeln bestehendes Ding wird als solches, nämlich als einzelnes begrifflich bestimmt; vielmehr betreffen Begriffsbestimmungen nur das Allgemeine, was mehreren Einzeldingen gemeinsam sein kann. Die Erkenntnis des einzelnen als solchen gehört den Sinnen an. Boëtius aber definiert die Person als „die einzeln für sich bestehende Substanz der vernünftigen Natur“. Es scheint also dieser Begriff ein Fehler zu sein. II. Das Wort „Substanz“ wird in der vorstehenden Definition gebraucht entweder für die Substanz, wie sie direkt und zuerst der Ertenntnisgegenstand unserer Vernunft ist, also für die Substanz als einzelne; — und in diesem Falle wird das „einzeln“ umsonst hinzugefügt und ist es überflüssig. Oder es wird genommen für die Substanz, wie sie erst infolge der Reflexion mittelbar und an zweiter Stelle Erkenntnisgegenstand ist, also für die Substanz als etwas Allgemeines; — und dann steht der Zusatz „einzeln“ im Gegensatze zum Substantiv „Substanz“. Immer also bleibt die Definition fehlerhaft. III. Die Benennung, die etwas nur als reines Gedankending bezeichnet, darf nicht in die Begriffsbestimmung eines thatsächlich existierenden Seins gesetzt werden. Der Ausdruck z. B. wäre nicht passend: „Der Mensch ist eine Gattung in der Art: „sinnbegabt.“ Denn „der Mensch“ ist der Name des thatsächlich bestehenden Seins; „die Gattung“ aber ist die Benennung eines bloßen Erzeugnisses der Vernunft. Da also „Person“ der Name für ein wirklich bestehendes Sein ist (denn er bezeichnet die Substanz der vernünftigen Natur), so ist es unthunlich, in der Begriffsbestimmung desselben die Bezeichnung „einzeln“ zu gebrauchen, was die Bezeichnung für ein bloßes Gedankending ist. IV. „Die Natur ist“ nach Aristoteles (2 Phys.) „das Princip für die Bewegung und für die Ruhe in dem, worin sie ist, so daß die Bewegung und die Ruhe unmittelbar von ihr abhängt und nicht bloß nebenbei aus ihr folgt.“ Die „Person“ aber ist der Ausdruck für unbewegliches Sein, wie in Gott und in den Engeln. Nicht also „Natur“ mußte gesagt werden, sondern vielmehr „Wesenheit“. V. Die vom Leibe getrennte Seele ist eine einzelne für sich bestehende Substanz der vernünftigen Natur. Sie ist aber nicht „Person“. Also paßt die genannte Definition der „Person“ nicht.
b) Ich antworte, daß das Allgemeine und das Besondere sich wohl in allen Seinsarten vorfinden; in eigener Weise jedoch findet das einzeln für sich Bestehende sich in der Seinsart: Substanz. Denn der Substanz ist es eigen, das Princip des einzelnen Für-sich-bestehens unmittelbar in sich zu besitzen, weil sie Substanz ist; während die hinzutretenden Formen und Eigenschaften, die Accidentien, erst ein wirkliches Einzelsein erhalten vermittelst der Substanz; denn „dieses Weiße“ z. B. wird erst so genannt, insofern es in einem Subjekte ist, also einer Substanz angehört. Deshalb ist es ganz gut thunlich, daß die Substanz, insoweit sie mit dem Princip des Einzelseins verbunden als eine einzelne existiert, einen besonderen Namen führt zum Unterschiede von den reinen Eigenschaften, die erst vermittelst der Substanz Einzelbestand haben. Dieser Name ist für alle Substanzen der des „Subjekts“ oder der „ersten Substanz“, insoweit sie in ihrer Einzelheit der unmittelbare erste Gegenstand des Erkennens ist. Denn ich erkenne zuerst „diesen Menschen“; und dann erst und kraft dessen, in zweiter Linie, ist der Mensch im allgemeinen ausdrücklicher Gegenstand des Erkennens. Dieses Einzelne und Besondere aber findet sich in noch vollkommenerer Weise in den vernünftigen Substanzen, die in sich das Princip haben, vermöge dessen sie Herren ihres Handelns sind und demgemäß nicht nur von außen her getrieben werden, wie das andere Sein; sondern auch sich selbst antreiben. Alle Handlungen aber sind eigen den einzelnen Dingen, insoweit sie eben einzelne, besondere sind. Und deshalb besitzt unter den übrigen Substanzen einen eigenen Namen die Einzelsubstanz der vernünftigen Natur und dieser Name ist: Person. Sonach heißt es in der obigen Begriffsbestimmung „einzeln für sich bestehende oder Einzeln-Substanz“, insoweit damit bezeichnet wird das Einzelne und Besondere in der Seinsart: Substanz; — und es wird hinzugefügt: der vernünftigen Natur, insoweit damit bezeichnet wird das einzelne in den vernünftigen Substanzen.
c) I. Das oder jenes Einzelne kann wohl nicht definiert werden, wie z. B. dieser besondere Mensch oder dieser besondere Stein; — was jedoch in allen Dingen das Princip ist dafür, daß sie einzelne sind, das kann definiert werden. So definiert Aristoteles (praedic. de subs.) das „Subjekt“ ober die „erste Substanz“; und ebenso definiert Boëtius die „Person“. II. Einige nehmen an, daß in der Begriffsbestimmung der Person der Ausdruck „Substanz“ für die „erste Substanz“, also für das Einzelne steht. Darum werde aber das „einzeln für sich bestehend“ nicht überflüssig. Denn durch den Ausdruck „Substanz“ erscheine ausgeschlossen das Einzelne als Teil eines Dinges oder als allgemeiner Begriff; weder nämlich nennen wir „Mensch“ den Menschen im allgemeinen, noch auch einen Teil desselben wie die Hand, den Fuß. Durch den Ausdruck „einzeln für sich bestehend“ aber erscheine ausgeschlossen von der Person die Möglichkeit von irgend welcher Seite her, behufs der Erzielung einer Einheit, angenommen zu werden. Die menschliche Natur in Christo nämlich ist nicht „Person“, weil sie von etwas Höherem angenommen worden, vom Worte Gottes. Besser aber wird gesagt, „Substanz“ stehe in dieser Begriffsbestimmung in indifferenter Bedeutung, insofern sie eingeteilt wird in die „erste“, die besondere Substanz, und in die „zweite“, den allgemeinen Begriff Substanz; und erst durch die Hinzufügung des Ausdruckes „einzeln für sich bestehend“ gewinne sie die Bedeutung der „ersten“ „besonderen“ Substanz. III. Die Unterschiede zwischen den Substanzen, soweit sie in deren wirklichem innerem Sein bestehen, oft sind uns unbekannt und haben bei uns oft keinen Namen. Deshalb bedienen wir uns in der Definition bisweilen unterscheidender Eigenschaften, die äußerlich hervortreten und von der inneren Substanz sich ableiten, statt der eigentlichen substantiellen Unterschiede. So könnte z. B. jemand sagen, das Feuer sei eine einfache, warme und trockene stoffliche Natur; dabei dienen die äußeren, mit dem Wesen notwendig verbundenen Eigenschaften, welche die unmittelbaren Wirkungen der inneren Substanz sind, zur Offenbarmachung der letzteren. Und in dieser Weise können auch Namen, welche am Ende zur Bezeichnung von reinen Erzeugnissen der Vernunft dienen, bisweilen zur Begriffsbestimmung wirklich bestehender Dinge benutzt werden, insofern sie auf enetsprechende Verhältnisse der wirklichen Dinge Anwendung finden, für welche eigene Namen nicht bestehen. Somit wird der Ausdruck „einzeln für sich bestehend“ benützt, um die Art und Weise des Bestandes zu bezeichnen, welche den besonderen Substanzen zukommt. IV. „Natur“ bezeichnet zuerst nach Aristoteles (5 Metaph.) die Zeugung der lebenden Wesen, welche „Geburt“ genannt wird (natura, nascitura, nativitas). Und weil nun eine solche Zeugung von einem innerlichen Princip aus hervorgeht, so ist dieser Name ausgedehnt worden zur Bezeichnung jeglichen Princips der Bewegung, insoweit dieses im Dinge selber sich befindet. Und weil zudem dieses Princip einesteils bestimmend ist und andererseits wieder bestimmbar, der bestimmenden Wesensform nämlich entsprechend und zugleich dem bestimmbaren Stoffe, so wird unter dem Namen „Natur“ sowohl die Wesensform einbegriffen, wie auch der Stoff; im Menschen z. B. sowohl die Wesensform der Seele, wie auch der Körper als bestimmbarer Stoff. Und ferner; weil durch die Wesensform das Wesen eines jeden Dinges zu einem Ganzen vervollständigt wird, so wird gemeinhin das Wesen eines Dinges als Ganzes „Natur“ genannt. So gebraucht das Wort Boëtius (de duabus naturis): „Die Natur ist jenes Princip im Dinge, aus dem für jedes Ding die formende, es von den anderen Dingen unterscheidende Wesensdifferenz fließt.“ Und deshalb war es zukömmlicher, in der Begriffsbestimmung der Person, die eben der Einzelbestand einer bestimmten, von anderen unterschiedenen Seinsart ist, den Ausdruck „Natur“ zu gebrauchen, wie den Ausdruck „Wesen“, welcher vom Sein, also dem allen Dingen am meisten Gemeinsamen, hergenommen wird. V. Die Seele ist ein Teil des Menschseins. Und deshalb, weil sie. auch als getrennte, die Neigung und Fähigkeit beibehält, wieder mit dem Leibe vereinigt zu werden, kann sie nicht als „Person“ bezeichnet werden; ebensowenig wie andere Teile des Menschen, die Hand, der Fuß u. dgl.
