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Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 36

Zweiter Artikel. Die Geburt Christi mußte einigen offenbar werden.

a) Dies scheint nicht. Denn: I. Es kam der ersten Ankunft Christi zu, daß sie eine verborgene sei,
weil sie das Heil der Menschen bewirken sollte. Christus aber ist nach
1. Tim. 4. „der Heiland aller Menschen und zumal der gläubigen“. Also
mußte seine Geburt niemandem offenbar werden. II. Vor der Geburt war diese bekannt gegeben worden der seligsten
Jungfrau und dem heiligen Joseph. Also war es überflüssig, nach derselben sie noch anderen offenbar zu machen. III. Keiner, der weise ist, macht offenbar das, woraus Verwirrung folgt und Schaden für andere. Nach Matth. 2, 5. aber ist, nachdem die Geburt Christi bekannt gemacht worden war, „Herodes verwirrt worden und ganz Jerusalem.“ Und zudem „tötete Herodes alle Knaben in Bethlehem und in dessen ganzem Gebiete“, was vielen zum Schaden gereichte. Also durfte die Geburt Christi keinem bekannt werden. Auf der anderen Seite hätte diese Geburt nichts genützt, wenn sie ganz und gar verborgen gewesen; und somit wäre Christus unnützerweise geboren worden.

b) Ich antworte, daß „das, was von Gott kommt, geordnet ist“ (Röm. 13.). Nun gehört dies zu der von der göttlichen Weisheit gewollten Ordnung, daß ihre Gaben und Geheimnisse unmittelbar nur zu einigen gelangen und von diesen dann anderen mitgeteilt werden. Deshalb heißt es auch Act. 10.: „Gott hat Ihn (den auferstandenen Heiland) offenbar gemacht nicht dem ganzen Volke, sondern einigen vorherbestimmten Zeugen.“ Also mußte die Geburt Christi nicht allen zwar bekannt werden; aber einigen, die dann den anderen das Geheimnis mitteilen konnten.

c) I. Der Glaube schwindet einerseits, wenn etwas ganz offenbar vorliegt; er schwindet aber auch andererseits, wenn das Betreffende ganz verborgen gehalten wird, so daß kein Zeugnis gegeben werden kann. Denn „der Glaube ist aus dem Hören“. Es mußte also, um die rechte Mitte einzuhalten, einigen die Geburt des Herrn offenbar gemacht werden. II. Maria und Joseph mußten vorher unterrichtet werden, damit sie
der empfangenen Frucht Ehrerbietung erzeigten und Jesu bei der Geburt
dienen könnten. Ihr Zeugnis aber über die Größe Christi wäre als das
der nächstbeteiligten Personen verdächtig gewesen. Deshalb wurden andere
zu Zeugen berufen, deren Zeugnis in keiner Weise verdächtig war. III. Die aus der Bekanntgebung der Geburt Christi folgende Verwirrung entsprach dieser Geburt: 1. Auf Grund der Würde Christi;
weshalb Gregor der. Große (hom. 10. in Evgl.) sagt: „Bei der Geburt
des himmlischen Königs wird verwirrt der irdische; denn die irdische Größe
wird zu Schanden, wann offen vorliegt die himmlische Erhabenheit.“ 2. Auf
Grund der richterlichen Macht Christi, die dadurch angezeigt wird, so
daß Augustin (serm. 30. de Temp.) schreibt: „Was wird sein der Richterstuhl
des Richtenden, wenn die irdischen Könige erschreckt wurden durch die Krippe
des Kindes.“ 3. Wegen der Zerstörung der Herrschaft des Teufels,
weshalb Leo der Große (serm. Epiph. 5.) sagt: „Nicht so sehr Herodes
ward in sich verwirrt wie der Teufel in Herodes. Denn Herodes meinte,
es sei nur ein irdischer Mensch, der Teufel aber erkannte Gott. Beide
hatten Furcht vor dem Nachfolger in ihrer Herrschaft: Herodes vor dem
irdischen, der Teufel vor dem himmlischen.“ Daß aber die Juden verwirrt
wurden, die doch vielmehr sich freuen mußten; das kommt entweder daher,
daß „über die Ankunft des Gerechten die gottlosen sich nicht freuen konnten“
(Chrysost. hom 2. in op. imp), oder weil sie die Grausamkeit des Herodes
fürchteten. Daß endlich die Knaben getötet wurden, war nicht ihr Nachteil;
denn, sagt Augustin (serm. de Epiph. 66. de Diversis): „Fern sei es
zu denken, daß Christus, der zur Befreiung der Menschen kam, an deren
Lohn nicht gedacht hat, die für Ihn getötet worden waren; Er, der am
Kreuze hängend für jene betete, von denen Er getötet wurde.“

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