Sechster Artikel. Der da im Stande der Todsünde ein Sakrament spendet, der sündigt.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Wie man Gott dient in den Sakramenten, so in den Werken der Barmherzigkeit; wonach Hebr. ult. es heißt: „Des Wohlthuns und der Gemeinsamkeit vergesset nicht; denn dadurch verdient man den Besitz Gottes.“ Die Sünder aber sündigen nicht, wenn sie im Stande der Todsünde anderen wohlthun; vielmehr ist dies anzuraten, nach Dan. 4.: „Mein Ratschlaggefalle dir; deine Sünden löse los durch Almosen.“ Also ist das auch keine Sünde, wenn Sünder im Stande der Todsünde die Sakramente spenden. III. Wer in der Sünde mit dem der sündigt in Gemeinschaft tritt, sündigt, nach Röm. 1.: „Des Todes wert sind sie; nicht nur jene, die sündigen, sondern auch die zustimmen den sündigenden.“ Sollten also die Sünder sündigen dadurch daß sie die Sakramente spenden, so würden sündigen auch jene, die sie von ihnen empfangen; denn sie würden in der Sünde mit ihnen Gemeinschaft haben; — was unzukömmlich ist. IV. Wenn jemandem infolge des Amtes die Pflicht obliegt, die Sakramente zu spenden, so sündigt er, falls er dieselben nicht spendet, nach 1. Kor. 9.: „Wehe mir, wenn ich nicht predige; denn die Notwendigkeit dazu liegt auf mir.“ Oder auch wenn jemand ein Kind taufen muß, weil Todesgefahr droht; so sündigt er, falls er es nicht tauft. Sündigte aber ebenso der Mensch, wenn er im Stande der Todsünde die Sakramente spendet, so würde ein solcher in den genannten Fällen perplex sein d. h. verzweifeln müssen, da er in jedem Falle, mag er die Sakramente spenden oder nicht, sündigt. Dies ist jedoch unzulässig. Also sündigen die bösen nicht, wenn sie die Sakramente spenden. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (1. de eccl. hier.): „Den bösen ist es nicht einmal erlaubt, die heiligen Symbole“ d. h. die sakramentalen Zeichen „zu berühren.“ Und (ep. ad Demophilum): „Ein solcher (ein Sünder) scheint vermessen zu sein, weil er Priesterliches berührt und keine Scheu hat, noch sich schämt, Göttliches zu thun, während er doch fern von der Gottheit ist. Er meint, Gott wisse nicht das, was er, der Sünder, in sich selbst erkennt, und er will täuschen jenen, den er mit falschem Namen Vater nennt. Unreine Lästerungen, ich nenne das nicht Gebete, wagt er, als ob er Christo ähnlich wäre, um das, was dem Heiligen dient und es bezeichnet, auszusprechen.“
b) Ich antworte, es sündige jemand in seinem Wirken, wenn er nicht wirkt wie sich dies schickt. Es schickt sich aber nach Art. 5. ad III., daß die Spender der Sakramente gerecht sind, weil die Diener gleichförmig sein müssen dem Herrn, nach Lev. 19.: „Seid heilig, weil ich heilig bin;“ und Ekkli. 10.: „Nach dem Richter im Volke müssen die Diener sein.“ Ohne Zweifel also sündigen die bösen, wenn sie trotz ihrer Sünden sich anbieten, die Sakramente zu spenden. Und weil diese Sünde eine Unehrerbietigkeit ist gegen Gott und eine Verunreinigung der Sakramente, von seiten des Sünders nämlich (denn die Sakramente an sich können nicht verunreinigt werden), so folgt, daß eine solche Sünde ihrer Seinsart nach eine Todsünde ist.
c) I. Die Werke der Liebe sind nicht durch irgend welche Weihe geheiligt, sondern sie gehören der Heiligkeit der Gerechtigkeit an, wie auch die anderen Teile der Gerechtigkeit. Ist der Mensch also, der solche Werke thut, gerecht, so wird er dadurch noch gerechter; — ist er im Stande der Sünde, so wird er dadurch zur Heiligung gewissermaßen vorbereitet. Die Sakramente aber besitzen in sich eine Weihe und demgemäße mystische Heiligung. Und deshalb wird von ihnen in ihrem Spender der Stand der Heiligkeit vorausgesetzt, damit er seinem Dienste in angemessener Weise obliege. Derselbe handelt also durchaus ungeziemenderweise und sündigt, wenn er im Stande der Todsünde zu solchem Dienste herantritt. II. Wer zum Empfange der Sakramente herantritt, empfängt dieselben vom Diener der Kirche als solchem und nicht insoweit er eine Privatpersonist. So lange dieser also von der Kirche geduldet wird in solchem Dienste, tritt derjenige, der das Sakrament empfängt, nicht mit der Sünde des Spenders in Gemeinschaft; sondern mit der Kirche, die ihn als ihren Diener hinstellt. Wird aber ein solcher Diener der Kirche von der kirchlichen Obrigkeit exkommuniziert oder suspendiert oder ganz abgesetzt, so sündigt jener, der von ihm die Sakramente annimmt und tritt in Gemeinschaft mit dessen Sünde. IV. Der im Stande der Todsünde ist und die Sakramente pflichtgemäß spenden soll, der ist nicht schlechthin perplex, so daß er in jedem Falle sündigte; sondern er kann seine Sünde bereuen und somit erlaubterweise die Sakramente spenden. Will er freilich in der Sünde bleiben, so ist er perplex; und das ist nichts Unzukömmliches. Im genannten Falle der Notwendigkeit aber würde er trotzdem nicht sündigen, wenn nämlich im selben Falle auch ein Laie taufen könnte. Denn da ist es klar, daß er sich nicht als einen Diener der Kirche hinstellt, sondern nur einfach beisteht demjenigen, der Notwendigkeit leidet. Dies findet jedoch keine Anwendung auf jene Sakramente, die nicht von so großer Notwendigkeit sind wie die Taufe (vgl. unten Kap. 67, Art. 3.).
